Die Entscheidung des makedonischen Staatspräsidenten Gjorge Ivanov, die Akteure des Abhör- und Korruptionsskandals begnadigen zu wollen, spaltet die makedonische Gesellschaft. Bereits seit Tagen demonstrieren makedonische Bürgerinnen und Bürgern gegen diese Entscheidung. Am 16. April 2016 demonstrierten Tausende in der makedonische Hauptstadt Skopje und in anderen makedonischen Städten. Unterstützt werden die Proteste von der makedonischen Opposition, voran die Sozialdemokratische Union (SDSM) unter Vorsitz von Zoran Zaev. Jedoch hat auch die größte Regierungspartei, die VMRO-DPMNE, unter Vorsitz des ehemaligen Ministerpräsidenten Nikola Gruevski ihrer Anhängerschaft, die für die Politik des Präsidenten demonstriert. Der makedonische Staatspräsident Gjorge Ivanov ist der Kandidat der VMRO-DPMNE gewesen und steht dieser Partei nahe.
Zweifellos ist die Entscheidung es makedonischen Staatspräsidenten ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Arbeit der Justiz und mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar. Gjorge Ivanov begründete seine Entscheidung damit, dass er dem „politischen Leiden Makedoniens“ ein Ende setzen wolle. Vielmehr dürfte er das Gegenteil erreicht und noch mehr Unruhe gestiftet haben. Die politische Lage in der Republik Makedonien droht zu eskalieren. Der Staat ist definitiv in keiner guten Verfassung. Begnadigungen sollten immer Einzelfallentscheidungen sein und nach dem Abschluss des juristischen Verfahrens durchgeführt werden. Eine generelle Amnestie, aufgrund einer politischen Übereinkunft, sollte Sache des Parlaments sein und von alle relevanten Parteien und der Gesellschaft getragen werden. Das ist bei dem Begnadigungsvorhaben von Ivanov allerdings nicht der Fall. Viele sehen hier einen Freibrief für Politiker, die sich Verbrechen schuldig gemacht haben und fordern daher den Rücktritt des Präsidenten. Gestern hatte der Bürgermeister der Stadt Bitola – als Zeichen an die Bevölkerung – seine Begnadigung abgelehnt und verlangt, dass diese zurückgezogen werden solle.
Von der Begnadigung würden zwar auch Oppositionspolitiker profitieren, doch kommt es darauf nicht an. Verstöße gegen Recht und Gesetz müssen grundsätzlich aufgeklärt und geahndet werden. Das ist Grundlage eines Rechtsstaats, wie er in der makedonischen Verfassung verankert ist. Allerdings sind Korruption und Klientelismus grundsätzlich unter allen maßgeblichen politischen Parteien in der Republik Makedonien verbreitet. Bleibt eine bestimmte Partei dann länger an der Macht, werden Korruption und Klientelismus zusätzlich gefördert. In dieser Situation dürften faire Wahlen nicht möglich sein. Allerdings dürften viele Wählerinnen und Wähler in der Opposition auch keine wirkliche Alternative sehen. Die Parteien müssen sich nun zum Wohle der Republik Makedonien und ihrer Bürgerinnen und Bürger zusammenraufen. Was im Jahre 2001 auch zwischen ethnischen und albanischen Makedoniern ging, trotz aller Kritik und Schwierigkeiten, kann auch zwischen verfeindeten politischen Lagern gehen. Doch müssen alle beteiligten Akteure eine Übereinkunft zum Wohle der makedonischen Nation auch wirklich wollen und ihre persönlichen Machtambitionen zurückschrauben. Wenn das erreicht wird, dann kann sinnvollerweise auch über eine Amnestie für Politiker nachgedacht werden, welche sich Verbrechen schuldig gemacht haben. Allerdings ist hier immer abzuwägen, zwischen der Forderung nach Sühne für Verbrechen und den Interessen des Gemeinwohls. Doch das ist Aufgabe der Politik und der Justiz und muss letztendlich im Parlament mit breitem Konsens entschieden werden.