Die Republik Makedonien befindet sich derzeit in einer schweren Staatskrise. Die mutmaßlichen Verflechtungen von Regierung, Justiz, Geheimdienst und Medien haben eine Größenordnung erreicht, die geeignet ist, an den Grundfesten eines demokratischen und sozialen Rechtsstaates zu rütteln. Doch auch das Verhalten der Opposition muss kritisch hinterfragt werden. Eine Bestandsaufnahme der Ereignisse.
Die Parlamentswahlen am 27.04.2014 wurden von der regierenden Koalition aus VMRO-DPMNE und DUI unter Ministerpräsident Nikola Gruevski gewonnen. Die Opposition beklagte eine zunehmende Kontrolle der makedonischen Regierung über die Medien und die Justiz. Ein fairer Wahlkampf sei daher nicht möglich gewesen. Seit dem boykottiert die größte makedonische Oppositionspartei SDSM, unter Führung von Zoran Zaev, die Parlamentsarbeit. Die Forderung: Die Bildung einer Übergangsregierung und Neuwahlen des Parlaments unter fairen Rahmenbedingungen. Die makedonische Regierung wies sowohl die Vorwürfe als auch die Forderungen seitens der Opposition zurück.
Ende Januar 2015 hielt der makedonische Ministerpräsident Nikola Gruevski eine Rede an die Nation. In dieser Rede teilte Gruevski mit, dass ein Putschversuch des Oppositionsführers Zaev verhindert worden sei. Dem Oppositionsführer wurde vorgeworfen, mit Hilfe eines nicht genannten fremden Geheimdienstes, Politiker, Beamte und Journalisten illegal abgehört zu haben. Ziel der Opposition sei es dabei gewesen, die Macht im Staate zu erobern, die sie seit 2006 durch Wahlen nicht erobern konnte. In Folge nahmen die makedonischen Behörden Zoran Zaev den Pass ab. Des Weiteren wurden angebliche Mittäter, darunter der ehemalige Geheimdienstchef, in Untersuchungshaft genommen.
Im Februar 2015 kündigte Oppositionsführer Zaev an, er werde „eine Bombe nach der anderen platzen lassen“. Inszeniert vor Publikum und Journalisten wurden in mehreren Etappen Abhörprotokolle und Ausschnitte von illegalen Tonbandaufnahmen veröffentlicht. Diese Veröffentlichungen belasten die makedonische Regierung unter Ministerpräsident Nikola Gruevski schwer. Dennoch fehlt es an einer objektiven und unabhängigen Bewertung des veröffentlichten Materials. Allerdings kann nicht alles gefälscht sein, denn einzelne Protagonisten erkennen sich zweifelsfrei in den Dokumenten wieder.
Jetzt müsste die Justiz der Republik Makedonien ermitteln. Es gilt ein Sumpf aus Erpressung, Machtmissbrauch und Korruption trocken zu legen. Allerdings wird die Justiz selbst schwer durch das veröffentlichte Material belastet und kann daher nicht unbefangen agieren. Hier ist ein Punkt erreicht, in dem demokratische und rechtsstaatliche Institutionen nicht mehr einwandfrei funktionieren und sich der Staat daher insgesamt in einer Krise befindet.
Es gibt veröffentlichte Tonbandaufnahmen, wonach sich die Innenministerin Gordana Jankulovka und der Justizminister Adnan Jashari darüber unterhalten, wie ein ihnen genehmes Urteil des Obersten Gerichtshofes herbeizuführen sei. Als Instrument solle eine beeinflussbare Funktionärin dienen, die im Wahlgremium für Richter die Fäden zieht.
Das veröffentlichte Material zeigt auch eine Beeinflussung der Medien durch die Regierung. So ist zu hören, wie Minister Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen absetzen und unliebsamen Journalisten mit Entlassung drohen. Die Opposition sieht in dem veröffentlichten Material auch Belege für eine mögliche Wahlmanipulation. So sollen Staatsbeamte unter Druck gesetzt worden sein, um Wahlstimmen für die Regierung zu organisieren. Auch private Firmen und Organisationen sollen entsprechend unter Druck gesetzt worden sein oder erkauften sich durch Stimmenfang das Wohlwollen der makedonischen Regierung.
Doch auch innerhalb der makedonischen Regierung scheint es nach dem veröffentlichten Material Auffassungsunterschiede zu geben. So sei nach Auffassung des makedonischen Finanzministers Zoran Stavreski die Wirtschaftspolitik des Ministerpräsidenten verrückt. Des Weiteren kritisiert er, dass der finanzielle Bedarf von Gruevski unverhältnismäßig und verschwenderisch sei. Nach Auffassung der Innenministerin sei Gruevski ein verschlagener Typ. Zwar ist das Intimleben der abgehörten Akteure bisher ausgelassen worden, doch wurden einige Peinlichkeiten zu Tage gefördert: Vulgäre und rassistische Äußerungen sowie nach oben gerichtete Schmeicheleien.
Unabhängig von den Verfehlungen der makedonischen Regierung muss auch das Agieren der makedonischen Opposition kritisch hinterfragt und ggf. juristisch aufgearbeitet werden. Es muss geklärt werden woher die veröffentlichten Abhörprotokolle und Tonbandmitschnitten tatsächlich stammen und ob in diesem Zusammenhang gegen geltendes Recht verstoßen wurde.
Die Opposition fordert weiterhin die Bildung einer Übergangsregierung und Neuwahlen des Parlaments. Die geforderte Übergangsregierung solle sich aus unbelasteten Politikern zusammensetzen. Dies dürfte beim Umfang der Krise immer schwieriger werden. Zunehmend bietet sich auch die Europäische Union (EU) als Vermittler an und fordert Gespräche zwischen den politischen Parteien zur Überwindung der Staatskrise. Allerdings können Straftaten nicht einfach durch Gespräche aus der Welt geschafft werden. Es bedarf auch einer juristischen Aufarbeitung. Diese ist jedoch unter den gegebenen Rahmenbedingungen sehr schwierig geworden.
Letztendlich kommt den politischen Parteien die Verantwortung zu, die Staatskrise durch eine entsprechende Übereinkunft zu beenden. Es bedarf einer verbindlichen Rahmenvereinbarung, die wieder zur Demokratie, Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit sowie zu Meinungspluralismus und einem sozialen bzw. politischen Frieden zurückführt.