Großer Streit in der bulgarisch-makedonischen Expertenkommission für historische und bildungsrelevante Fragen, welche am 03. und 04. Dezember 2020 tagte. Hauptproblem ist das Adjektiv „Makedonisch“. Das zweitägige Treffen der Historiker aus Bulgarien und Nord-Makedonien endete als totales Fiasko mit gegenseitigen Ablehnungen der Positionen während der Pressekonferenz zwischen den beiden Kommissionspräsidenten Angel Dimitrov und Dragi Gjorgiev. Einigkeit gibt es nur darüber, dass es keine Fortschritte gibt.
Die Probleme im Bereich der historischen Figuren setzten sich fort. Gjorgiev beschuldigte Dimitrov nur bulgarische Thesen auferlegen zu wollen. Der mögliche Kompromiss für Goce Delčev litt darunter. Umstritten war auch Zar Samuel in Bezug auf die Interpretation seiner Rolle in den Lehrbüchern. Für Nord-Makedonien ist das Reich von Zar Samuel, welches sein Zentrum im heutigen Nord-Makedonien hatte, eine wichtige historische Grundlage für das heutige Nord-Makedonien. Für Bulgarien ist dieses Reich schlicht ein bulgarisches Reich gewesen.
Dimitrov brachte die Komintern wieder auf die Bühne, obwohl er die gegenwärtige Existenz der makedonischen Nation nicht leugnete.
Der Eindruck ist, dass das Treffen der Mitglieder der Expertenkommission irgendwie politisch untergraben wurde. Beide Seiten kamen mit starken Ansichten heraus, die sie bereits hatten. Nur die Ankündigung, dass die Kommission bald wieder online zusammentreten wird, ist optimistisch zu bewerten.
Nach den Forderungen Bulgariens bezüglich der Identität der makedonischen Nation und Sprache findet die Arbeit dieser Expertenkommission unter großem politischem Druck statt. Bulgarien verlangt von Nord-Makedonien die Anerkennung, dass die makedonische Nation und Sprache bulgarische Wurzeln hat. Tatsächlich gibt es historische Schnittmengen zwischen Bulgarien und Nord-Makedonien, was diese Thematik komplex macht. Für Nord-Makedonien ist dies gemeinsame bulgarisch-makedonische Geschichte. Für Bulgarien ist diese gemeinsame Geschichte eine rein bulgarische Geschichte. Dies wird derzeit von der bulgarischen Regierung instrumentalisiert, was gegen den Sinn und Zweck des Abkommens und der Arbeit der gemeinsamen Expertenkommission verstößt. Bulgarien hat sogar ein Veto gegen den Beginn der EU-Beitrittsgespräche mit Nord-Makedonien eingelegt.
Die Vertreter Nord-Makedonien bekennen sich klar zur Arbeit der Expertenkommission. Sie lehnen die Forderungen der bulgarischen Regierung jedoch klar ab. Im Ergebnis hat Bulgarien den Kulturkampf um Makedonien wieder aufgenommen und versucht seine nationalistische Sicht auf die makedonische Frage mit politischem Druck durchzusetzen. Geschichte ist jedoch eine Wissenschaft. Das gilt auch für die bulgarische und die makedonische Geschichte sowie alle historischen Überschneidungen. Diese müssen zwingend objektiv-wissenschaftlich, frei von politischen Erwägungen, erforscht und daraus resultierende Fragen entsprechend geklärt werden.
Am 01. August 2017 wurde zwischen Bulgarien und der Republik Makedonien (seit dem 12. Februar 2019 „Republik Nord-Makedonien“) der „Vertrag zur Freundschaft, Guten Nachbarschaft und Zusammenarbeit“ unterzeichnet. In diesem Vertrag wurde unter anderem eine gemeinsame multidisziplinäre Expertenkommission für historische und bildungsrelevante Fragen auf paritätischer Grundlage vereinbart. Die gemeinsame Geschichte soll nach objektiven, authentischen und wissenschaftlichen Kriterien bewertet und der Deutungshoheit durch die Politiker entzogen werden. Davon sind Bulgarien und Nord-Makedonien jedoch gerade weit entfernt.