Seit der letzten makedonischen Parlamentswahl vom 27.04.2014 boykottiert die größte Oppositionspartei, die „Sozialdemokratische Union Makedoniens“ (SDSM), die Parlamentsarbeit. Hintergrund sind Vorwürfe an die Parteien der Regierungskoalition, der VMRRO-DPMNE und der DUI, dass die letzten Parlamentswahlen nicht fair abliefen und daher nicht den Willen der Wählerschaft abbilden würden. Tatsächlich agiert die Regierungskoalition unter Ministerpräsident Nikola Gruevski immer autoritärer und baut ihren Einfluss auf die Justiz und die Medien immer mehr aus. Zwar gab es bei den letzten Wahlen keine ernsthaften Manipulationen, doch ist es zumindest möglich, dass aufgrund der vorherrschenden Rahmenbedingungen das Wahlergebnis beeinflusst sein könnte. Auf der anderen Seite sehen derzeit viele Wählerinnen und Wähler in der SDSM keine echte Alternative zur Regierungskoalition.
Aufgrund des nunmehr seit mehr als einem halben Jahr andauernden Parlamentsboykotts besteht nicht nur ein Stillstand im demokratischen und politischen Diskurs. Bei unentschuldigter Abwesenheit im Parlament von mehr als sechs Monaten Dauer kann nach der geltenden Verfassung der Republik Makedonien durch Parlamentsbeschluss mit Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten den betreffenden Abgeordneten das Mandat entzogen. Zu diesem Schritt ist es bisher nicht gekommen, doch wird zumindest eine Kürzung der Bezüge für diese Abgeordneten erwogen.
Unter internationaler Vermittlung finden nun vertrauliche Gesprächen zwischen der VMRO-DPMNE und der DUI auf der einen Seite und der SDSM auf der anderen Seite statt. Ziel ist eine Übereinkunft zwischen diesen Parteien zur Überwindung der innenpolitischen und institutionellen Krise. Strittig ist unter anderem eine von der SDSM geforderte Expertenregierung, welche von den regierenden Parteien, der DPMNE und DUI, bisher abgelehnt wird. Es stehen sowohl innenpolitische als auch außenpolitische Herausforderungen für die Republik Makedonien an. Innenpolitisch müssen die inner-ethnischen Beziehungen weiter verbessert und die makedonische Wirtschaft durch Reformen gestärkt werden. Außenpolitisch muss der sogenannte Namensstreit mit Griechenland überwunden werden, damit die Republik Makedonien der Europäischen Union (EU) und der NATO beitreten kann. Sowohl für die innenpolitischen als auch für die außenpolitischen Herausforderungen bedarf es einer funktionierenden demokratischen, pluralistischen und rechtsstaatlichen Staatskultur in der Republik Makedonien.