Vor einem Jahr, am 30.09.2019, stimmten die Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien (seit dem 12.02.2019 „Republik Nord-Makedonien“) über das Prespa-Abkommen ab.
Vorgeschichte
Nach einer jahrelangen Pause wurden auch die Gespräche zwischen Griechenland und der Republik Makedonien am 19.01.2018 wieder aufgenommen und die Verhandlungen zur Lösung des Streits um den Namen „Makedonien“ intensiviert. Sie waren schwierig und standen zeitweise vor dem Scheitern. Der Durchbruch kam am 12.06.2018, als die Ministerpräsidenten Griechenlands (Alexis Tsipras) und der Republik Makedonien (Zoran Zaev) eine Einigung erzielten. Mit der Unterzeichnung des sogenannten Abkommens von Prespa, benannt nach dem Ort der Unterzeichnung, am 17.06.2018 durch den griechischen Außenminister Nikos Kotzias und den makedonischen Außenminister Nikola Dimitrov wurde diese Einigung durch einen völkerrechtlichen Vertrag formell bekräftigt.
Inhalt des Vertrages
Aufgrund dieses Vertrages heißt die Republik Makedonien seit dem 12.02.2019 im völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Verkehr nun uneingeschränkt („erga omnes“) „Republik Nord-Makedonien“. Die makedonische Nationalität und Sprache wird als „Makedonisch“ anerkannt. Im Vertrag ist die Verwendung der Bezeichnungen „Makedonien“, „Makedonierin bzw. Makedonier“, „Makedonisch“ und „makedonisch“ durch die Vertragspartner geregelt. Gegenseitig anerkannt wird auch, dass hinter diesen Begriffen verschiedene kulturelle und historische Kontexte stehen. So hat der „Makedonismus“ für Griechenland einen anderen kulturellen und historischen Kontext, als der der Republik Makedonien. Ein gemeinsamer, interdisziplinärer Sachverständigenausschuss für Geschichts-, Archäologie- und Bildungsfragen wurde eingerichtet, um die objektiv-wissenschaftliche Interpretation historischer Ereignisse durchzuführen, basierend auf authentischen, evidenzbasierten und wissenschaftlich fundierten Quellen und archäologischen Funden. Umgesetzt wurde der Vertrag auf Seiten der Republik Makedonien durch eine Verfassungsänderung am 11.01.2019 und auf Seiten Griechenlands durch die Ratifizierung des Vertrages im Parlament am 25.01.2019.
Das Referendum
Zunächst sollten die Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien über den Vertrag und dessen verfassungsrechtlichen Implementierung entscheiden. Bei diesem Referendum am 30.09.2018 hatten allerdings nur 34,15 Prozent der 1.806.336 registrierten Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Zwar haben 90,94 Prozent der Abstimmenden für das Prespa-Abkommen mit Griechenland gestimmt, doch war für die Gültigkeit des Referendums eine Abstimmungsbeteiligung von über 50 Prozent bzw. von mindestens 903.169 Wahlberechtigten erforderlich. Die konkrete Frage bei dem Referendum lautete: „Sind Sie für die Mitgliedschaft in EU und NATO durch die Annahme des Abkommens zwischen Makedonien und Griechenland?“. Diese komplexe Fragestellung war sehr umstritten. Trotz der Verknüpfung der Frage mit einer möglichen EU- und NATO-Mitgliedschaft der Republik Makedonien ging es in erster Linie um den Namenskompromiss mit Griechenland. Die Frage hätte sich nur auf das Abkommen mit Griechenland beziehen sollen. Im Ergebnis hat die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien das Prespa-Abkommen nicht aktiv unterstützt, jedoch auch nicht ausdrücklich abgelehnt. Damit blieb von Seiten des makedonischen Staatsvolkes die Antwort auf die ausgehandelte Klärung der makedonischen Frage offen. Infolge lag die Entscheidung beim Parlament der Republik Makedonien.
Die parlamentarische Entscheidung über den Prespa-Vertrag
Zur Umsetzung des Prespa-Abkommens war in der Republik Makedonien eine Verfassungsänderung erforderlich. Für die Änderung der makedonischen Verfassung waren insgesamt drei Abstimmungen vorgeschrieben. Am späten Abend des 19.10.2018 fand die erste Abstimmung statt. Mit einer Mehrheit von Zweidritteln aller Abgeordneten, 81 von 120 Abgeordnete stimmten der Änderung der Verfassung zu, wurde der Prozess zur verfassungsrechtlichen Implementierung des Prespa-Abkommens eingeleitet. Insgesamt neun Stimmen kamen von der Opposition, davon acht aus den Reihen der national-konservativen IMRO-DPMNE (VMRO-DPMNE).
Die acht Abgeordneten der IMRO-DPMNE hatten sich gegen die Linie ihrer Partei gestellt und wurden daher aus der Partei ausgeschlossen. Zwar kritisieren sie auch das Prespa-Abkommen, doch wollten sie, dass die Republik Makedonien eine Zukunft in der Europäischen Union (EU) und NATO hat. Bei einem Scheitern der Verfassungsänderung wäre diese wohl für lange Zeit verbaut gewesen. Allerdings haben die Abgeordneten der IMRO-DPMNE für ihre Zustimmung folgende Bedingungen gestellt: So sollte u.a. die makedonische Identität garantiert bleiben und die Verfassungsänderung erst wirksam werden, wenn Griechenland das Prespa-Abkommen und den Beitritt der Republik Nord-Makedonien zur NATO ratifiziert hat. Auch verlangten sie einen Beitrag zur Aussöhnung zwischen der Regierung und der oppositionellen IMRO-DPMNE, was eine mögliche Amnestie für begangene Straftaten beinhalten sollte.
In einer zweiten Abstimmung vom 02./03.12.2018 bestätigte das Parlament der Republik Makedonien alle vier Verfassungsänderungsentwürfe (XXXIII, XXXIV, XXXV und XXXVI) mit der erforderlichen absoluten Mehrheit.
Mit der dritten parlamentarischen Abstimmung zur Änderung der makedonischen Verfassung vom 11.01.2019 wurde diese formell geändert und der Vertrag in der Republik Makedonien verfassungsrechtlich implementiert. Daraufhin ratifiziertes das griechische Parlament am 25.01.2019 den Prespa-Vertrag und am 08.02.2019 das NATO-Beitrittsprotokoll für die Republik Nord-Makedonien. Die Verfassungsänderungen in der Republik Makedonien traten vier Tage nach dieser letzten Ratifizierung in Kraft. Seit dem 12.02.2019 hat der Staatsname „Republik Nord-Makedonien“ sowohl die bisherige verfassungsmäßige Bezeichnung „Republik Makedonien“ als auch die provisorische UN-Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ vollständig ersetzt. Damit ist der seit Mai 1991 bestehende Streit um den Namen Makedonien formell überwunden. Der zugrundeliegende Kulturstreit kann damit nun nach objektiv-wissenschaftlichen Kriterien geklärt werden. Seit März 2020 ist die Republik Nord-Makedonien Mitglieder der NATO. Ebenfalls im März 2020 hat der Europäische Rat einstimmig, was erforderlich war, den Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Republik Nord-Makedonien beschlossen.