Als letzter Staat des ehemaligen Jugoslawien hat Bosnien und Herzegowina offiziell die Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) beantragt. Der derzeitige Vorsitzende des bosnisch-herzegowinischen Präsidiums (Anmerkung: kollektives Staatsoberhaupt) Dragan Čović hat einen entsprechenden Antrag in Brüssel, dem Sitz der EU-Kommission, eingereicht. EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sprach von einem großen Tag für Bosnien und Herzegowina. Allerdings sei der Antrag „erst der Beginn einer langen Reise“.
Tatsächlich ist Bosnien und Herzegowina nicht beitrittsreif. Der Staat besteht aus zwei weitgehend autonomen Entitäten, wo bei eine Entität sich als Föderation wiederum in 10 Kantone untergliedert. Diese komplizierte Staatsstruktur ist ein Relikt des ethnischen Krieges von 1992 bis 1995 und resultiert aus dem Friedensvertrag von Dayton. Eine Entität, die „Republika Srpska“, lehnt eine weitere Integration in den bosnisch-herzegowinischen Gesamtstaat ab und strebt die weitgehendst mögliche Unabhängigkeit an. Eine gemeinsame bosnisch-herzegowinische Identität hat sich bei staatstragenden Völkern, den Bosniaken (Muslimen), Kroatien und Serben, ebenfalls nicht herausgebildet. All das untergräbt jedoch die Funktionsfähigkeit des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina und im Ergebnis damit auch eine mögliche Integration in die EU.
Es bedarf vieler Reformen, bevor Bosnien und Herzegowina überhaupt die Chance einer EU-Mitgliedschaft hat. So muss das Steuersystem, das Renten- und Pensionssystem, das Gesundheitssystem, die Sozial- und Wirtschaftsordnung, die Justiz und der öffentliche Sektor reformiert werden. Nur die Einführung eines neuen Arbeitsgesetzes gelang. Doch ist vor allem eine grundlegende Staatsreform notwendig. Diese kann allerdings nicht aufgezwungen werden, die bosnisch-herzegowinischen Völker müssen selbst ihr staatsrechtliches Zusammenleben in geeigneter und sinnvoller Weise reformieren. Erst wenn dieses Ziel erreicht worden ist, wird auch der Weg von Bosnien und Herzegowina in Richtung EU vorankommen.