Bosnien und Herzegowina benötigt dringend institutionelle Reformen, um überhaupt zu einer effektiven staatlichen Verwaltung zu kommen und den Weg der europäischen Integration gehen zu können. Allerdings können sich die drei staatstragenden Volksgruppen (Bosniaken bzw. Muslime, Kroaten und Serben) von Bosnien und Herzegowina nicht auf die notwendigen Reformen verständigen. Seit dem Ende des ethnischen Krieges in Bosnien und Herzegowina (1992 – 1995) ist dieser Staat aufgrund des Friedensvertrages von Dayton in zwei weitgehend autonome Entitäten geteilt, die Föderation Bosnien und Herzegowina (Bosniakisch-Kroatische Föderation) und die Serbische Republik von Bosnien-Herzegowina. Die Föderation Bosnien und Herzegowina ist wiederum in 10 Kantone unterteilt. Die zentralstaatlichen Institutionen sind sehr schwach ausgeprägt.
Die Bosniaken bzw. die Muslime befürworten einen starken Bundesstaat mit starken zentralstaatlichen Institutionen, während die Serben als Extremposition die Abspaltung ihrer Serbischen Republik von Bosnien und Herzegowina anstreben. Zumindest möchten die bosnischen Serben an dem bisherigen Status quo festhalten. Bei den bosnischen Kroaten gibt es Bestrebungen, die die Föderation Bosnien und Herzegowina zugunsten einer eigenständigen kroatischen Entität aufzulösen, was zum Teil von den bosnischen Serben unterstützt wird. In der Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina hat sich bisher keine stabile bosnisch-herzegowinische Identität herausgebildet, so dass der Staat auch innerhalb der Bevölkerung nicht uneingeschränkt akzeptiert wird.
Eine Alternative zum Staat Bosnien und Herzegowina, etwa die Aufspaltung dieses Staates nach ethnischen Kriterien, wäre noch weniger realistisch und wird von der internationalen Staatengemeinschaft abgelehnt. Damit es allerdings in Bosnien und Herzegowina vorangeht, haben die Bundesrepublik Deutschland und das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland eine Initiative gestartet, welche auch von der Europäischen Union (EU) und den USA unterstützt wird. Nach dieser Initiative sollen sich die drei staatstragenden Volksgruppen verpflichten, institutionelle und wirtschaftliche Reformen voranzutreiben. Im Gegenzug soll dafür der Weg für das bereits von acht Jahren unterzeichnete und auf Eis liegende EU-Assoziierungsabkommen freigemacht werden.
Am 05.12.2014 reisten die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn zu Gesprächen in die bosnisch-herzegowinische Hauptstadt Sarajevo. Es fanden sowohl Gespräche mit den Vertretern des bosnisch-herzegowinischen Staatspräsidiums als auch mit den Vorsitzenden von 13 politischen Parteien statt. Auch mit dem scheidenden bosnisch-herzegowinischen Ministerpräsidenten Vjekoslav Bevanda wurde gesprochen. Er übt das Amt des Ministerpräsidenten noch bis zur Bildung einer neuen bosnisch-herzegowinischen Regierung aus, deren Bildung nach den Parlamentswahlen im Oktober noch im Gange ist. Die Gespräche mit den Vorsitzenden von 13 politischen Parteien ist eine neue Seite in den Beziehungen zwischen Bosnien und Herzegowina und der Europäischen Union. Allerdings können echte Reformen auch nur durch eine entsprechende Bereitschaft innerhalb der politischen Parteien herbeigeführt werden. Sowohl Bosnien und Herzegowina als auch die Europäische Union sind nach den Gesprächen optimistisch, dass die notwendigen Reformen für Bosnien und Herzegowina herbeigeführt werden können und damit eine weitere europäische Integration dieses Staates stattfinden kann.