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Das Kosovo richtet ein Kriegsverbrechertribunal ein

Im Krieg zwischen der albanisch-kosovarischen Befreiungsarmee „UCK“ und den jugoslawischen bzw. serbischen Sicherheitskräften im Kosovo wurden auch Kriegsverbrechen auf Seiten der albanischen Kosovaren begangen. Diese Kriegsverbrechen werden auch nicht durch die serbischen Kriegsverbrechen relativiert oder gerechtfertigt. In der historischen Rückschau der albanischen Kosovaren gelten die UCK ausschließlich als Befreiungsarmee gegen die serbischen Aggressoren im Kosovo und ihre Handlungen als legitim. Entsprechend schwer tun sich die albanischen Kosovaren damit, dass auch Handlungen auf ihrer Seite Kriegsverbrechen gewesen sein könnten.

Zur Aufarbeitung dieser Kriegsverbrechen soll nun ein Sondertribunal eingerichtet werden, welches überwiegend mit ausländischen Richtern besetzt sein wird. Nach monatelangem Tauziehen stimmte das kosovarische Parlament am 03. August 2015 einer entsprechenden Verfassungsänderung zu. Auf Basis der beschlossenen Verfassungsänderung wurde sodann ein Gesetz zur Einrichtung des Sondertribunals beschlossen. Konkret soll dieses mögliche Kriegsverbrechen während des Kosovo-Krieges (1998/1999) aufarbeiten und ahnden. Zuvor waren die notwendigen Verfassungsänderungen im kosovarischen Parlament immer gescheitert. Auch wenn der notwendige Beschluss jetzt gefasst wurde, so ist er in der albanisch-kosovarischen Bevölkerung und bei vielen albanisch-kosovarischen Politikern nicht sehr populär. Vor allem wäre er wohl ohne Druck von Seiten der Europäischen Union (EU) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) auch nicht zustande gekommen.

Die Abstimmung wurde von den Oppositionsparteien im kosovarischen Parlament boykottiert. Auch zwei Abgeordnete der Regierungspartei PDK vom jetzigen kosovarischen Außenminister und ehemaligen Ministerpräsidenten Hashim Thaci stimmten gegen die Verfassungsänderung. Allerdings verfügen die Regierungsparteien LDK und PDK als große Koalition zusammen im kosovarischen Parlament über die notwendige Mehrheit und so konnten die notwendige Verfassungsänderung sowie das Gesetz zur Errichtung des Sondertribunals beschlossen werden.

Von Seiten der EU und der USA wurde die nun verbindlich beschlossene Einrichtung des Sondertribunals zur Aufarbeitung von Kriegsverbrechen der UCK während des Kosovo-Krieges begrüßt. Auch für den Prozess der Normalisierung der bilateralen Beziehungen zwischen dem Kosovo und der Republik Serbien ist der Beschluss des kosovarischen Parlaments wichtig. Bereits im Jahr 2011 richtete die EU eine Sonderarbeitsgruppe zu Aufarbeitung von möglichen Kriegsverbrechen ein. Unter anderem wurde den albanischen-kosovarischen Kämpfern neben anderen Kriegsverbrechen auch die organisierte Entnahme von Organen von getöteten Serben und deren Verkauf vorgeworfen. Die Arbeitsgruppe kam zu dem Schluss, dass ausreichend Beweise für Kriegsverbrechen vorhanden seien. Für die organisierte Organentnahme gibt es bisher nur Indizien, jedoch keine konkreten Beweise. Eine Aufarbeitung von albanisch-kosovarischen Kriegsverbrechen ist sehr schwierig. Organisierte Kriminalität, Korruption und Klientelismus sind im Kosovo weit verbreitet. Die Ahndung von albanisch-kosovarischen Kriegsverbrechen ist auf Seiten der albanischen Kosovaren sehr unpopulär und gilt zum Teil auch als Verrat. Ebenfalls weit verbreitet ist die Einschüchterung und Ermordung von möglichen Zeugen. Dennoch und trotz dieser Schwierigkeiten ist die Einrichtung des Sondertribunals durch das kosovarische Parlament ein notwendiger und wichtiger Schritt. Es ist jetzt auch eine Aufgabe der kosovarischen Politik, die notwendige Aufarbeitung von Kriegsverbrechen auf Seiten der UCK in der albanisch-kosovarischen Gesellschaft zu vermitteln und zur etablieren.