Das „Kosovo“ hat für Serbien ebenso eine große Bedeutung wie „Makedonien“ für Griechenland. Für Serbien gilt das Kosovo als Wiege der serbischen Nation. Im Falle Griechenlands hat Makedonien eine große Bedeutung für den Hellenismus und seine Verbreitung. In beiden Fällen sind es jedoch nicht die nüchternen historischen Fakten, die diese große Bedeutung hervorrufen. Es sind vor allem die im Laufe der Zeit gebildete Mythen. Sowohl die Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo als auch zwischen Griechenland und der Republik Makedonien sind auch wegen dieser Mythen problematisch.
Das Kosovo war zwischen 1912 und 2008 eine Provinz Serbiens, welche seit 1999 unter der Verwaltung der Vereinten Nationen (UN) steht und sich im Jahre 2008 einseitig für unabhängig von Serbien erklärte. Diese Unabhängigkeit wird zwar von der Mehrheit der Staaten der Welt anerkannt, nicht jedoch von Serbien, unter anderem auch nicht von den zwei UN-Veto-Mächten China und Russland und fünf Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (Griechenland, Rumänien, Spanien, Slowakei und Zypern). Ausführliche Informationen zu dieser Thematik finden sich im Artikel „Das Kosovo erklärt seine Unabhängigkeit von Serbien“. Beide Staaten streben eine Mitgliedschaft in der Europäische Union (EU) an und wollen sich dabei gegenseitig unterstützen. Vor diesem Hintergrund forciert die EU eine Annäherung zwischen Serbien und dem Kosovo, die es in vielen Fragen tatsächlich gegeben hat. Serbien geht zunehmend pragmatischer mit der Kosovo-Frage um. Es gibt zumindest Indizien dafür, dass Serbien zu einer abschließenden Klärung bereit ist.
Der serbische Kosovo-Mythos und die tatsächlichen historischen Hintergründe
Das Kosovo gehörte bis zum 12. Jahrhundert zum Byzantinischen Reich. Allerdings geriet das Kosovo ab dem 9. Jahrhundert zeitweise auch unter bulgarischer Herrschaft. Zwischen dem Ende des 12. und den ersten zwei Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts wurde das Kosovo schrittweise Teil des serbischen Reiches, das zu dieser Zeit unter der Herrschaft von Stefan Nemanja stand. Zu dieser Zeit lebten im Kosovo sowohl Albaner als auch Serben.
Am 28. Juni 1389, dem Sankt-Veits-Tag (Vidovdan), fand zwischen der osmanischen Streitmacht unter Führung von Murat I. und der serbischen Streitmacht unter Führung des Zaren Lazar die Schlacht auf dem Amselfeld statt. Dabei wurden beide Anführer nach der Schlacht durch die jeweils andere Seite ermordet. In der serbischen Streitmacht kämpfte auch ein albanisches Kontingent gegen die Osmanen. Das osmanische Heer schlug die christliche Streitmacht von Serben und Albanern verheerend und beendete damit die Existenz des serbischen Feudalstaates. Das serbische Großreich unter dem Zaren Dušan, das von der Donau bis zum Golf von Korinth gereicht hatte, war bereits vor dieser Schlacht in eine Reihe von kleineren Königreichen und Fürstentümern zerfallen
Die Schlacht auf dem Amselfeld ging für die Serben verloren und sie gerieten über 500 Jahre unter die Herrschaft des Osmanischen Reiches. An sich sprechen die historischen Fakten gegen die hohe Bedeutung des Kosovo für das serbische Nationalbewusstsein. Es ist vielmehr der Kosovo-Mythos, der die Bedeutung des Kosovo für die Serben ausmacht und der die bloßen historischen Ereignisse überlagert. Es geht bei diesem Mythos um die Erzählungen und Sagen von den Heldentaten der serbischen Kämpfer, die seit der Schlacht auf dem Amselfeld von Generation zu Generation überliefert wurden:
- Die Heldentat des serbischen Ritters Obilić, der den osmanischen Sultan Murat I. tötete,
- die des serbischen Zaren Lazar, der lieber in den Tod ging, als sich dem osmanischen Sultan zu unterwerfen,
- von einem Rabenpaar, das der Zarin Milića die Kunde vom Untergang der serbischen Streitmacht brachte
- und von dem Mädchen vom Amselfeld, welches nach der Schlacht auf dem Amselfeld die verwundeten Ritter wusch und mit Brot und Wein labte.
Dieser Kosovo-Mythos geht allerdings über eine Verklärung der historischen Ereignisse weit hinaus und erreicht bei den orthodoxen Serben auch eine religiöse Dimension. So sei der Prophet Elias in der Gestalt eines grauen Falken aus Jerusalem herbeigeflogen und habe den serbischen Zar Lazar vor die Wahl gestellt, zwischen einem irdischen Reich und dem Himmelreich zu entscheiden. Im ersten Fall würde er die Osmanen in der Schlacht auf dem Amselfeld vernichten, im letzten Fall jedoch mit seinem Heer untergehen. Der Zar entschied sich für das Himmelreich und damit für den Untergang mit seinem Heer. Somit sei die Schlacht auf dem Amselfeld keine Niederlage gewesen, sondern ein Opfergang. Aufgrund dieses religiösen Mythos bezeichnen sich die Serben auch als „Volk des Himmels“ und sehen sich aufgrund der Wahl und des Opferganges des Zaren in einer Ahnenreihe von christlichen Märtyrern. Ohne das Kosovo gebe es das heutige Volk der Serben nicht. Daher betrachten die Serben das Kosovo auch als die Wiege des Serbentums. Nicht die tatsächlichen historischen Ereignisse, sondern vor allem der Kosovo-Mythos machen die hohe Bedeutung des Kosovo für die Serben aus. Doch befinden sich seit dem Mittelalter auch bedeutende serbische Kulturgüter im Kosovo. So war das Gebiet des Kosovos im Mittelalter das Kernland des serbischen Feudalstaates. Das Oberhaupt der autokephalen Serbisch-Orthodoxen Kirche, der Patriarch, hatte damals ebenfalls seinen Sitz im Kosovo. Noch heute befinden sich bedeutende serbische Kirchen und Klöster mit wertvollen Fresken und Ikonen im Kosovo, welche unter dem Schutz der UNESCO stehen.
Die weitere Entwicklung des Kosovos
Nach der Schlacht auf dem Amselfeld begann schrittweise eine 500-jährige Herrschaft der Osmanen auf dem Balkan. Das Kosovo selbst geriet ab 1455 endgültig unter osmanischer Herrschaft. Im Jahre 1690 kam es zu einem Exodus von über 30.000 serbischen Familien aus dem Kosovo nach Ungarn. In Folge ließen sich jetzt vor allem Albaner im Kosovo nieder, die größtenteils den islamischen Glauben annahmen und so zu privilegierten Bürgern des Osmanischen Reiches wurden. Aufgrund ihrer guten Integration und privilegierten Stellung entwickelte sich erst sehr spät eine albanische Nationalbewegung. Erst mit der Gründung der „Liga von Prizren“ im Jahre 1878 setzten sich die Albaner erstmals für ein autonomes Albanien einschließlich des Kosovos im Rahmen des Osmanischen Reiches ein. Zu dieser Zeit waren die Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen von Griechenland, Bulgarien, Serbien und Montenegro bereits erfolgreich verlaufen und führten zu entsprechenden Staatenbildungen. Doch erst die diktatorische Herrschaft des jungtürkischen Komitees für Einheit und Fortschritt führten im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zu einem Bruch der Albaner mit der osmanischen Oberhoheit. Im Jahre 1910 kam es in der heutigen kosovarischen Hauptstadt Priština zu einem Aufstand der Albaner gegen die osmanische Herrschaft und schon zwei Jahre später, am 28. November 1912, erfolgte die Proklamation des albanischen Staates als Fürstentum. Das Kosovo kam allerdings zu Serbien und nicht zu Albanien. Diese Tatsache begründete die Kosovo-Frage und machte einen Großteil der albanischen Frage aus. Die albanische Frage betrifft das Schicksal der Angehörigen der albanischen Kulturnation außerhalb des Staates Albanien.
Im ersten jugoslawischen Staat (1918 – 1941) blieb das Kosovo Teil Serbiens und hatte keinerlei kulturelle Autonomie. Während des Zweiten Weltkrieges auf dem Balkan (1941 – 1945) wurde das Kosovo von den Siegermächten mit Albanien vereint. Nach dem erfolgreichen kommunistisch-jugoslawischen Volksbefreiungskampf (1941 – 1944) wollte sich das Kosovo zunächst dem ebenfalls kommunistischen Albanien anschließen. Auf Druck der jugoslawischen und der serbischen Kommunisten musste das Kosovo jedoch seinen Anschluss an Serbien erklären und wurde dort ein autonomes Gebiet, welches 1963 zu einer autonomen Provinz aufgewertet wurde. Tatsächlich bestand diese Autonomie zunächst nur auf dem Papier, erst Ende der 60er Jahre setzte eine Liberalisierung ein und die Autonomie des Kosovos wurde tatsächlich umgesetzt. Im Jahr 1974 bekam das Kosovo als autonome Gebietskörperschaft weitgehende Autonomie und wurde den jugoslawischen Republiken faktisch gleichgestellt. In den Jahren 1989 bis 1991 hob Serbien die Autonomie des Kosovos schrittweise und in verfassungswidriger Weise auf. In Folge kam es zunächst zu einem passiven Widerstand der albanischen Kosovaren, welche parallel zu den serbischen staatlichen Strukturen eigene aufbauten und die „Republik Kosovo“ ausriefen. Dieser passive Widerstand ging ab 1996 zunehmend in einen bewaffneten Konflikt über, welcher 1998/99 zum Kosovo-Krieg zwischen albanischen Kosovaren sowie Serben und im März 1999 zum Eingreifen der NATO führte. Infolgedessen wurde das Kosovo im Juni 1999 unter die Verwaltung der Vereinten Nationen gestellt. Nach dem Verhandlungen zwischen Serbien und dem Kosovo am 28. November 2007 endgültig scheiterten, erklärte das Kosovo am 17. Februar 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien.
Die Entwicklung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo nach 2008
Nach der politischen und rechtlichen Auffassung Serbiens ist das Kosovo weiterhin völkerrechtlicher Bestandteil der Republik Serbien und kein unabhängiger Staat. Diese Auffassung wird von der Mehrheit der Staaten der Welt nicht geteilt. Etwa 110 Staaten haben das Kosovo mittlerweile bilateral völkerrechtlich anerkannt. Allerdings erkennen die UN-Vetomächte China und Russland das Kosovo bisher völkerrechtlich nicht an. Somit konnte das Kosovo daher auch nicht den Vereinten Nationen beitreten. Aus Sicht des Kosovos und der Mehrheit der Staaten der Welt ist das Kosovo ein unabhängiger Staat im Sinne des Völkerrechts. Die bestehenden Differenzen über den Status des Kosovos müssen endgültig im Rahmen einer Übereinkunft zwischen Serbien und dem Kosovo geklärt werden. Dann dürfte der Weg für eine uneingeschränkte völkerrechtliche Anerkennung des Kosovos frei sein.
Die Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo sind zwar noch nicht abschließend geklärt und auch noch nicht frei von Problemen, doch konnte ein erfolgreicher Dialog zwischen beiden in Gang gesetzt werden.
Im März 2011 begann zwischen Serbien und dem Kosovo in Brüssel ein von der EU moderierter technischen Dialog. Dieser sollte vor allem die Lebensbedingungen vor Ort verbessern. Im Rahmen dieses Dialoges konnten positive Ergebnisse in den Bereichen Personenfreizügigkeit, Anerkennung von Hochschuldiplomen, integriertes Grenzmanagement, Personenstandsregister und Kataster, freier Warenverkehr und der Teilnahme Kosovos an Regionalorganisationen erzielt werden.
Im Oktober 2012 initiierte die damalige Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspräsident der EU, Catherine Ashton, einen hochrangigen Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo. Dieser Dialog wurde unter der aktuellen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, Frederica Mogherini, fortgesetzt. Im Rahmen dieses Dialoges finden regelmäßig Treffen zwischen dem kosovarischen und dem serbischen Ministerpräsidenten statt. Dieser Dialog führte zur Klärung von praktischen Fragen und zu Fortschritten in den bilateralen Beziehungen.
Im April 2013 wurde zwischen Serbien und dem Kosovo die erste Normalisierungsvereinbarung unterzeichnet. Im Rahmen dieser wurden unter Ausklammerung der Klärung des Status des Kosovos gute nachbarschaftliche Beziehungen vereinbart. Des Weiteren regelt diese Vereinbarung die Integration der serbisch-kosovarischen Parallelstrukturen in Verwaltung, Justiz und Polizei in die kosovarischen Institutionen. Im Gegenzug erhalten die serbischen Kosovaren im Nordkosovo klar definierte und besondere Selbstverwaltungsrechte für ihre Gemeinden. Die mehrheitlich serbisch besiedelten nordkosovarischen Gemeinden können einen Verband bilden, welcher staatliche Kompetenzen wahrnehmen kann. Des Weiteren wurden im Rahmen des Dialogs auch Vereinbarungen über die Implementierung eines integrierten Grenzmanagements und zur gegenseitigen Entsendung von Verbindungsbeamten in die jeweiligen Hauptstädten getroffen.
Der Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo ging weiter. Im Februar 2015 wurde eine Übereinkunft über den Bereich Justiz und im Juni 2016 über die KFZ-Versicherungen unterzeichnet. Am 25. August 2015 unterzeichneten der damalige serbischen Ministerpräsident Aleksandar Vučić und sein damaliger kosovarischer Amtskollege Isa Mustafa vier Erklärungen zur Normalisierung der Beziehungen. Diese Erklärungen betrafen die Bereiche Energie und Telekommunikation, die Errichtung einer Gemeinschaft bzw. eines Verbandes der Gemeinden mit serbisch-kosovarischer Bevölkerungsmehrheit, die Brücke von Mitrovica und die Freizügigkeit.
Die kosovarisch-serbische Frage heute
Noch ist die Anerkennung der völkerrechtlichen Unabhängigkeit des Kosovos in Serbien ein Tabuthema. Nach dem derzeit geltenden serbischen Verfassungsrecht ist das Kosovo integraler Bestandteil Serbiens. Ohne eine Änderung der Verfassung der Republik Serbien dürfte keine serbische Regierung das Kosovo völkerrechtlich anerkennen. Nach dem Ergebnis einer Umfrage des Belgrader Zentrums für Sicherheitspolitik (BCSP) von Januar 2017 würden nur acht Prozent der Serben eine Unabhängigkeit des Kosovos unterstützen. Befragt wurden 1.403 erwachsene serbische Personen. Allerdings lehnen 74 Prozent der Serben eine bewaffnete Auseinandersetzung um das Kosovo ab. Nur 10 Prozent wären bereit mit Waffengewalt das Kosovo für Serbien zurückzugewinnen. Keine Meinung zu dieser Angelegenheit haben 16 Prozent der Serben. Mehr als 75 Prozent der Serben befürworten die unter Vermittlung der Europäischen Union (EU) stattfindenden Gespräche zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo. Nur weniger als zehn Prozent der Befragten würden diesen Prozess zur Normalisierung der Beziehungen abbrechen wollen. 31 Prozent würden jede formelle Lösung annehmen, die nicht die Anerkennung der völkerrechtlichen Unabhängigkeit des Kosovos von Serbien beinhalten würde. 30 Prozent sind der Ansicht, dass jede Übereinkunft, welche die Sicherheit der Serben im Kosovo garantiere, ein guter Ansatz sei. Nur elf Prozent befürworten eine Aufteilung des Kosovos.
Die faktische Unabhängigkeit des Kosovos wird von Serbien hingegen als Realität anerkannt. Laut einer Volkszählung vom April 2011 leben zirka 1,74 Millionen Menschen im Kosovo (ohne die vier Gemeinden nördlich des Ibars). Nach aktuellen Schätzungen der OSZE sind 91 Prozent der Einwohner des Kosovos ethnische Albaner, vier Prozent ethnische Serben und fünf Prozent andere Ethnien (Türken, Bosniaken, Goranen, Roma, Ashkali und sogenannte Ägypter). Der größte Anteil der serbischen Kosovaren lebt im Nordkosovo. Vom ethnischen Standpunkt aus gesehen, hat das Kosovo keine Bedeutung für Serbien. Überdies haben 80 Prozent der Serben keine persönlichen Beziehungen zum Kosovo. Zwei Drittel der Serben waren noch nie im Kosovo und nur 14 Prozent der Serben haben das Kosovo je besucht. Einzig und alleine der Kosovo-Mythos und die Bedeutung des Kosovos für die serbische Kultur und Identität bleiben als emotionale Verbindung der Serben zum Kosovo übrig. Im Kosovo befinden sich mehrere serbische Abteien aus dem Mittelalter, welche unter dem Schutz der UNESCO stehen. Eine abschließende Klärung der Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien sollte von diesen Realitäten ausgehen.
Mittlerweile spricht auch der serbischen Staatspräsident Aleksandar Vučić ganz offen davon, dass das Kosovo für Serbien verloren sei und die gegebenen Realitäten anerkannt werden müssten. Des Weiteren dürfe das Problem nicht der weiteren Entwicklung Serbiens im Wege stehen, vor allem auf dem Weg in die mögliche EU-Mitgliedschaft. Der serbische Außenminister Ivica Dačić schlug eine Abtrennung des Nordkosovos vor, wo die meisten serbischen Kosovaren leben. Bei einem Erfolg dieses Vorschlags könnte das Kosovo die Abtretung von albanisch bewohnten Gebieten im Preševo -Tal / Südserbien fordern. Neben der Abspaltung vom Nordkosovo müssten die verbleibenden serbischen Kosovaren im Kosovo eine weitgehende Autonomie erhalten. Die serbischen Kirchen und Klöster sollen nach diesem Vorschlag eine Autonomie erhalten, wie sie die Mönchsrepublik Athos im Rahmen der Hellenischen Republik besitzt. Doch auch über eine Änderung der serbischen Verfassung, wonach das Kosovo integraler Bestandteil der Republik Serbien ist, wird nachgedacht. Hierfür wäre neben einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder im Parlament auch die Zustimmung der serbischen Bürgerinnen und Bürger in einem Referendum notwendig. Noch wäre diese Mehrheit nicht gesichert. Allerdings gebe es zumindest die Möglichkeit für Serbien das Kosovo staatsrechtlich anzuerkennen, wie es seinerzeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik der Fall war (Zwei Staaten in Deutschland, welche zwar Völkerrechtssubjekte, nicht jedoch Ausland füreinander waren). Es gibt zumindest Indizien dafür, dass Serbien und das Kosovo für eine pragmatische Lösung bereit wären.
Wie könnte eine Lösung aussehen
Die Möglichkeit einer Re-Integration des Kosovos in die Republik Serbien dürfte sehr unwahrscheinlich sein und sollte daher auch nicht mehr ernsthaft politisch verfolgt werden. Auf der anderen Seite sollten die albanischen Kosovaren jedoch auch die Bedeutung des Kosovos für Serbien anerkennen und bei einer Lösungsfindung berücksichtigen. Vereint werden Serbien und das Kosovo wohl dennoch eines Tages sein, unter dem Dach der Europäischen Union (EU). Daher ist es auch folgerichtig, den Prozess der Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo im Rahmen der EU durchzuführen. Eine finale Lösung könnte einhergehen mit der Integration beider Staaten in die EU.
Eine Lösung für die endgültige Regelung der Beziehungen zwischen dem Kosovo könnte wie folgt aussehen:
- In einem einvernehmlichen Gebietstausch könnte der hauptsächlich von Serben bewohnte Nordkosovo gegen hauptsächlich von Albanern bewohnte Gebiete in Südserbien getauscht werden. Diese Lösung setzt jedoch zunächst eine entsprechende Übereinkunft zwischen Serbien und dem Kosovo voraus. Anschließend muss auch die betroffene Bevölkerung der für den Austausch vorgesehenen Gebiete in einem Referendum diesem Vorhaben zustimmen.
- Die Ethnien im Kosovo erhalten eine besondere kulturelle Autonomie, wie sie bereits in der Verfassung des Kosovos vorgesehen ist.
- Die beutenden serbischen Kirchen und Klöster erhalten einen besonderen Status. Dies könnte zum Beispiel ein exterritorialer Status sein, wie ihn Botschaften oder der Petersdom in Rom haben. So steht der Petersdom zwar in Rom, gehört jedoch völkerrechtlich zum Vatikanstaat. Alternativ könnten die serbischen Kirchen und Klöster auch eine sehr hohe Autonomie im Rahmen des kosovarischen Staates erhalten, wie sie zum Beispiel die Mönchsrepublik Athos im Rahmen der Hellenischen Republik hat.
- Serbien und das Kosovo erkennen sich gegenseitig völkerrechtlich an, schließen einen Freundschafts- und Versöhnungspakt und treten gemeinsam der EU bei. Übergangsweise kann diese gegenseitige Anerkennung zunächst auch rein auf staatsrechtliche Ebene erfolgen.
Schlusswort
Serbien und das Kosovo beschreiten den richtigen Pfad und sind auf einem guten Weg. Zwar ist das gegenseitige Verhältnis noch nicht final geklärt und nicht frei von Spannungen, doch gibt es unter dem Strich eine positive Entwicklung. Während sich im Streit um den Namen „Makedonien“ zwischen Griechenland und der Republik Makedonien seit über 25 Jahren fast nichts bewegte, sind Serbien und das Kosovo in relativ kurzer Zeit merklich vorangekommen. Es deutet sich wohl auch in Serbien zumindest die Bereitschaft an, die Verfassung Serbiens zu ändern und das Kosovo endgültig ziehen zu lassen. Serbien scheint mit dem Kosovo viel pragmatischer umzugehen als Griechenland mit Makedonien. Doch gibt es dafür auch einen praktischen Grund. Serbien und das Kosovo verhandeln auf Augenhöhe. Die zukünftige Mitgliedschaft in der EU hängt für beide von einer einvernehmlichen Klärung aller ihrer Streitpunkte und einer daraus resultierenden Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen ab. Im Falle von Griechenland und der Republik Makedonien ist dies anders. Griechenland ist bereits EU-Mitglied, muss einer möglichen EU-Mitgliedschaft der Republik Makedonien zustimmen und hat daher ein Druckmittel in der Hand. Beide Staaten verhandeln daher nicht auf Augenhöhe. Das Kosovo hat für Serbien eine ebenso große kulturelle Bedeutung wie Makedonien für Griechenland. Doch in beiden Fällen stimmen die Realitäten und die kulturellen Wunschvorstellungen nicht mehr überein. Sie sind überholt. Auf der anderen Seite kann die kulturelle Bedeutung des Kosovos für Serbien und die von Makedonien für Griechenland von allen Beteiligten voll anerkannt und berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund wären eine völkerrechtliche Anerkennung des Kosovos als „Republik Kosovo“ („Republik Kosova“) und der „Republik Makedonien“ von allen beteiligten Akteuren kein Problem mehr. Damit dürften dann sowohl die albanische Frage als auch die makedonische Frage endgültig geklärt sein. Eine endgültige Klärung aller Streitpunkte und eine daraus resultierende Übereinkunft zwischen Serbien und dem Kosovo wären sehr zu begrüßen. Denn dies wären Ansporn und Vorbild für eine entsprechende Lösung des Streits zwischen Griechenland und der Republik Makedonien.