Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan gewinnt bereits im ersten Wahlgang am 10.08.2014 mit 52 Prozent der abgegebenen Stimmen die Wahl zum türkischen Staatspräsidenten. Erstmals wurde der Staatspräsident, der als Hüter der Verfassung gilt, in einer direkten Volkswahl und nicht durch das Parlament gewählt. Die Volkswahl des Präsidenten wurde durch eine Verfassungsänderung im Jahre 2007 eingeführt. Der scheidende Präsident Abdullah Gül wurde im Jahre 2007 noch durch das Parlament gewählt. Seine 7-jährige Amtszeit endet am 28.08.2014, womit die nunmehr 5-jährige Amtszeit von Erdogan beginnen wird. Eine Wiederwahl für eine weitere fünfjährige Amtszeit ist nur einmal zulässig, womit Erdogan nach derzeitiger Verfassungslage maximal bis zum 28.08.2023 das Amt als türkischer Staatspräsident ausüben kann.
Insgesamt traten neben Erdogan zwei weitere Kandidaten bei der Wahl an: Ekmeledin İhsanoğlu und Selahattin Demirtas. Der Chemiker und Wissenschaftshistoriker Ekmeledin İhsanoğlu wurde von der CHP (Republikanische Volkspartei) und der MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) als Kompromisskandidat aufgestellt und kam auf 38 Prozent der Stimmen. Der kurdische Politiker Selahattin Demirtas kam auf 10 Prozent der Stimmen. Der türkische Ministerpräsident Erdogan galt als absoluter Favorit bei der Wahl. Seine Gegenkandidaten beklagten die unfairen Bedingungen im Wahlkampf. In den Medien war Erdogan deutlich stärker vertreten als seine Gegenkandidaten. Auch konnte er auf staatliche Ressourcen zurückgreifen und hatte zusätzlich den Ämterbonus als amtierender Ministerpräsident. Die Opposition kündigte bereits Klage gegen die Durchführung und Organisation der Wahl an. Obwohl Recep Tayyip Erdogan polarisiert und durchaus umstritten ist, dürften seine Gegenkandidaten in der türkischen Wählerschaft nicht als wirkliche Alternativen gegolten haben. Die Wählerschaft dürfte mehr auf das Bekannte gesetzt haben und wollte Experimente mit neuen Funktionsträgern im Staat wohl vermeiden. Lag die Wahlbeteiligung bei der türkischen Kommunalwahl im März 2014 noch bei 89 Prozent, so lag sie bei der aktuellen Präsidentenwahl nur bei 67 Prozent. Nicht alle Anhänger der Opposition waren mit dem Kompromisskandidaten einverstanden, womit das Lager der Nichtwähler vor allem Erdogan nützte, der seine Wählerschaft stärker mobilisieren konnte.
Übten die bisherigen türkischen Staatspräsidenten ihr Amt hauptsächlich zeremoniell aus, möchte der neugewählte Präsident Erdogan ein politischer Präsident sein und die Politik weiterhin aktiv mitgestalten. Auch nach der derzeitigen türkischen Verfassung hat der türkische Staatspräsident als Hüter der Verfassung weitgehende Befugnisse. Seine Entscheidungen können auch durch das türkische Verfassungsgericht nicht überprüft und aufgehoben werden. In der Regel haben die türkischen Staatspräsidenten sich jedoch zurückgehalten, ihre verfassungsmäßigen Befugnisse nicht voll ausgeschöpft und die Politik grundsätzlich der Regierung unter Führung des Ministerpräsidenten überlassen. Das dürfte unter Präsident Recep Tayyip Erdogan wahrscheinlich anders werden. Auch erhält der Präsident aufgrund der direkten Volkswahl eine größere Legitimität, womit in Folge auch eine größere politische Aktivität des Präsidenten verbunden sein dürfte. Geplant ist überdies eine umfangreiche Revision der türkischen Verfassung, bei der anstellte des bisherigen parlamentarischen Regierungssystems ein Präsidialsystem eingeführt werden soll.
Die Republik Türkei dürfte also weiterhin wesentlich durch die Politik von Recep Tayyip Erdogan und der Partei AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) geprägt werden. Trotz seiner Wahlerfolge ist die zunehmend autoritäre Politik von Recep Tayyip Erdogan nicht unumstritten. Sein Einfluss auf die Justiz und die Medien sowie sein Verhalten gegenüber seinen Kritikern ist sehr bedenklich. Dieses Verhalten überdeckt immer stärker auch die positiven Errungenschaften seiner Politik, die er auch als Präsident weiterverfolgen sollte. Die Türkei benötigt weitere Reformen, vor allem bei der Überwindung von ethnischen und gesellschaftlichen Gegensätzen sowie bei der weiteren Etablierung von freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen.