Die Pläne für neue Grenzverläufe nach ethnischen Kriterien auf dem Balkan sind für den Präsidenten der Republik Nord-Makedonien, Stevo Pendarovski, ein Katastrophenszenario. Es gibt Gerüchte, wonach ein Papier mit entsprechenden Vorschlägen in bestimmten Kreisen der Europäischen Union (EU) zirkulieren soll. Urheber soll der derzeitige slowenische Ministerpräsident Janez Janša sein. Das Papier soll vor allem Bosnien und Herzegowina betreffen, das gemäß dem Papier nach ethnischen Kriterien aufgeteilt werden soll. In einem exklusiven Interview mit Euronews erklärte Stevo Pendarovski: „Als jemand, der das Ganze miterlebt hat, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie die Menschen in Bosnien-Herzegowina, kann ich ihnen versichern, dass am gleichen Tag, an dem sie die Grenzen im Balkan ändern, noch am selben Nachmittag, ein Blutbad ausbricht. So einfach ist das.“
Die Position der EU ist jedoch klar: Keine Grenzveränderungen nach ethnischen Kriterien. Auch die nach ethnischen Kriterien organisierte Staatsverfassung von Bosnien und Herzegowina ist mehrheitlich in der EU umstritten, so dass Reformen angemahnt werden. Doch Reformen bezüglich der Staatsorganisation von Bosnien und Herzegowina scheitern bisher an den Gegensätzen von bosniakischen, kroatischen und serbischen Bosniern. Vor allem die kroatischen und serbischen Bosnier wollen die Machtteilung auf Basis von ethnischen Kriterien beibehalten.
Der Präsident der Republik Nord-Makedonien Stevo Pendarovski hielt sich am 27. und 28. April 2021 in Brüssel zu Gesprächen mit der EU-Führung auf. Er wollte die EU-Führung überzeugen die Beitrittsverhandlungen mit Nord-Makedonien endlich zu beginnen. Doch Bulgarien blockiert diese Gespräche aus nationalen Motiven heraus. Für Bulgarien seien die ethnischen Makedonier Teil der bulgarischen Kulturnation und die makedonische Sprache sei ein bulgarischer Dialekt. Bulgarien fordert von Nord-Makedonien anzuerkennen, dass die makedonische Nation und Sprache bulgarische Wurzeln haben. Das lehnt Nord-Makedonien jedoch ab. Dazu der Präsident Nord-Makedoniens Stevo Pendarovski: „Diese ganze Angelegenheit kommt mir so weltfremd und realitätsfern vor im Zusammenhang mit unseren Beitrittsbemühungen… Rechtsstaatlichkeit, Korruption, das sind die Themen über die gesprochen werden muss. Wir sind dazu bereit.“
Nach den Wahlen in Bulgarien dauert die dortige Regierungsbildung noch an. Die bisherige Regierung hat keine Mehrheit mehr im Parlament. Grundsätzlich haben zwar fast alle bulgarischen Parteien eine pro-bulgarisch nationale Haltung zur makedonischen Frage, doch hofft Nord-Makedonien auf einen moderateren Umgang mit dieser im Falle einer neuen bulgarischen Regierung und auf einer Aufhebung der bulgarischen Blockade gegen den Start der EU-Beitrittsgespräche.