Der kosovarische Präsident Hashim Thaçi ist am 05. November 2020 nach der Bestätigung der Anklageerhebung gegen ihn wegen Kriegsverbrechen vor dem Kosovo-Tribunal in Den Haag zurückgetreten. Er sagte dazu auf einer Pressekonferenz in der kosovarischen Hauptstadt Prishtina „Ich werde nicht als Präsident vor Gericht erscheinen. Um die Integrität des Staates zu schützen, trete ich heute zurück“.
Die vorläufige Anklage vor dem Kosovo-Tribunal gegen ihn wurde nach Thaçis Aussage nunmehr bestätigt. Die Präsidentin des Parlaments, Vjosa Osmani, wird bis zur Neuwahl einer Präsidentin oder eines Präsidenten übergangsweise diese Amt ausüben.
Des Weiteren bestätigte das kosovarische Sondergericht nun auch die Anklage gegen den früheren Parlamentspräsidenten Kadri Veseli. Der 53-jährige Chef der Demokratischen Partei (PDK) hat Medien gegenüber gesagt, dass er noch im Lauf des Tages nach Den Haag reisen wolle.
Hashim Thaçi war während des Krieges zwischen den albanischen Kosovaren und den Serben um die Unabhängigkeit der damaligen mehrheitlich von Albaner bewohnten serbischen Provinz Kosovo in den Jahren 1998/99 Oberkommandierender der Befreiungsarmee des Kosovos „UÇK“. Die Staatsanwaltschaft des Sondertribunals hatte bereits im Juni 2020 gegen ihn und mehrere andere ehemalige Kommandanten der UCK vorläufige Anklage erhoben.
Den damaligen Kommandanten der UCK, welche danach überwiegend in die Politik und den kosovarischen Staatsdienst übergingen, werden schwere Verbrechen in zehn Punkten zur Last gelegt, darunter Folter, Mord und Verfolgung. Hunderte albanische Kosovaren, Serben, Roma und Angehörige anderer ethnischer Gruppen sowie politische Gegner gehörten der Anklage zufolge zu ihren Opfern.
Formell gehört das Kosovo-Sondertribunal in Den Haag als Gericht zur Justiz des Kosovos. Allerdings wurde dieses Gericht vom Kosovo erst nach internationalem Druck eingerichtet. Es hat die Aufgabe Kriegsverbrechen aufzuklären und zu ahnden, welche von Seiten der albanischen Kosovaren begangen worden. Insgesamt gab es in dem Krieg zwischen der UCK auf der einen und serbischen und jugoslawischen Streitkräften auf der anderen Seite mehr als 10.000 Tote und hunderttausende Vertriebene. Die meisten Verbrechen wurden auf serbischer Seite begangen. Mit den serbischen Verbrechen beschäftigte sich der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (1993 – 2017).
Das Kosovo gehörte staats- und völkerrechtlich als autonome Gebietskörperschaft zu Serbien. Seit 1999 steht das Kosovo aufgrund der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates unter der vorläufigen Verwaltung der Vereinten Nationen (UN). Am 17. Februar 2008 erklärte das Kosovo einseitig seine Unabhängigkeit von Serbien. Diese Unabhängigkeit ist bis heute völkerrechtlich umstritten, obgleich eine Mehrheit der Staaten der Welt das Kosovo völkerrechtlich anerkennt. Für eine Minderheit der Staaten und für Serbien ist das Kosovo weiterhin völker- und staatsrechtlicher Bestandteil von Serbien. Eine Klärung der Kosovo-Frage steht noch aus und wird unter Vermittlung der Europäischen Union (EU) und der USA angestrebt.