Am 24.03.1999 begann die NATO wegen des ausufernden Kosovo-Konflikts ohne völkerrechtlich legitimierenden Beschluss durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine militärische Intervention in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro). Völkerrechtlich umstritten wurde diese Intervention als „humanitäre Intervention“ aufgrund schwerer Menschenrechtsverletzungen durch die jugoslawischen und serbischen Sicherheitskräfte gerechtfertigt. Infolge dieser Intervention kam das Kosovo aufgrund der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates vom 10.06.1999 unter einer vorübergehenden Verwaltung durch die Vereinten Nationen (UN). In der Präambel dieser Resolution wird die territoriale Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien bekräftigt und der zukünftige Status des Kosovos offen gelassen. Nach dem die serbisch-kosovarischen Verhandlungen über den zukünftigen Status des Kosovo aufgrund ihrer gegensätzlicher Positionen keine Lösung brachten, erklärte das Kosovo am 17.02.2008 einseitig seine Unabhängigkeit und wird seitdem von über 100 Staaten völkerrechtlich anerkannt. Serbien erkennt das Kosovo bisher nicht als unabhängigen Staat an und betrachtet das Kosovo weiterhin als völkerrechtlichen Bestandteil Serbiens. Diese Auffassung vertreten ebenfalls unter anderen die Russische Föderation, die Volksrepublik China und fünf EU-Mitgliedsstaaten, darunter Griechenland. Trotz der bereits erfolgten serbisch-kosovarischen Annäherung muss eine endgültige Klärung noch herbeigeführt werden. Aufgrund der NATO-Intervention in der Bundesrepublik Jugoslawien sollen nach Schätzungen etwa 3.500 Menschen getötet und etwa 10.000 Menschen verletzt worden sein. Auch 20 Jahre nach diesem Krieg sind die Schäden an Gebäuden und Infrastruktur in Serbien noch sichtbar.
Hintergründe zum Kosovo-Konflikt
Ausführlich wird auf den zugrunde liegenden Kosovo-Konflikt und seine Geschichte in dem Artikel „Vor 10 Jahren: Das Kosovo erklärt seine Unabhängigkeit“ eingegangen. Das mehrheitlich albanisch besiedelte Kosovo kam in Folge der Balkankriege (1912/13) zu Serbien. Für Serbien hat das Kosovo vor allem historische Bedeutung, denn das Kosovo gilt dort als Wiege der serbischen Nation. Die verlorene Schlacht der Serben gegen die osmanischen Eroberer des Balkans am 28.06.1389 auf dem Amselfeld begründete einen Mythos, der bis heute den serbischen Nationalismus prägt. Entsprechend wurde die albanische Bevölkerung im Kosovo aus Sicht Serbiens als Fremdkörper angesehen und unterdrückt. Die Albaner im Kosovo strebten ihrerseits die Vereinigung mit dem seit dem 28.11.1912 unabhängigen Staat Albanien an. Das Schicksal der Albaner außerhalb Albaniens begründete die albanische Frage, die bis heute nachwirkt.
Im „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ bzw. dem „Königreich Jugoslawien“ von 1918 bis 1941 hatten die Albaner im Kosovo keinerlei Autonomie und wurden weiterhin unterdrückt. Im Zweiten Weltkrieg wurde unter italienischer Vorherrschaft unter Einschluss der albanischen Siedlungsgebiete Serbiens einschließlich dem damals zu Serbien gehörenden Teil Makedoniens von 1941 bis 1944 ein Großalbanien bzw. ein ethnisches Albanien geschaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die alten Vorkriegsgrenzen allerdings wieder hergestellt und das Kosovo kam wieder zu Serbien. Im Rahmen der „Volksrepublik Serbien“ als Teil der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ erhielt das Kosovo eine formelle Autonomie, die bis Ende der 60er Jahre faktisch kaum umgesetzt wurde. Ende der 60er Jahre und vor allem aufgrund der jugoslawischen Verfassungsrevision von 1974 erhielt das Kosovo dann auch tatsächlich eine weitgehende Autonomie. Der Status des Kosovo als „Sozialistisch Autonome Gebietskörperschaft“ war trotz der formellen Zugehörigkeit zur „Sozialistischen Republik Serbien“ vergleichbar mit dem einer jugoslawischen Republik. Die Verfassung der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) definierte das Kosovo sowohl als Subjekt der jugoslawischen Föderation als auch als autonomer Bestandteil Serbiens. Serbien sah in dem hohen Grad der Autonomie der sozialistisch autonomen Gebietskörperschaften (Kosovo und Vojvodina) eine Beschneidung seiner Staatlichkeit.
Vor allem ab Mitte der 80er Jahre nahm der Konflikt um den Status des Kosovo bzw. zwischen albanischen Kosovaren und Serben wieder an Schärfe zu. Serbien wollte einerseits die Autonomie des Kosovos wieder zurückschrauben, anderseits gab es im Kosovo Kräfte, die die Umwandlung Kosovos in eine Sozialistische Republik im Rahmen der SFRJ verlangten. Unter dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević konnte sich dann ab 1989 der serbische Nationalismus frei entfalten. In verfassungsrechtlich umstrittener Weise wurde die Autonomie des Kosovos von Februar 1989 bis zum Erlass einer neuen serbischen Verfassung am 28.09.1990 schrittweise aufgehoben. Die albanischen Kosovaren proklamierten im Rahmen der jugoslawischen Föderation am 02.07.1990 zunächst die Unabhängigkeit von Serbien und erklärten das Kosovo durch den Erlass einer neuen Verfassung am 07.09.1990 zu einer („siebten“) Republik der SFRJ. Zum Präsidenten dieser Republik wurde Ibrahim Rugova gewählt. Seitdem bauten sich im Kosovo parallele staatliche Strukturen auf. Die albanischen Kosovaren erkannten die jugoslawischen bzw. serbischen staatlichen Strukturen nicht an und die Serben die albanisch-kosovarischen Strukturen nicht, duldeten sie jedoch weitgehend.
Nach dem Zerfall der SFRJ in den Jahren 1991/92 proklamierten die beiden letzten zur SFRJ gehörenden Republiken Serbien und Montenegro am 27.04.1992 die „Bundesrepublik Jugoslawien“ als Nachfolgestaat der SFRJ. Die albanischen Kosovaren nahmen diese Proklamation bereits nicht mehr zur Kenntnis und boykottierten diesen neuen Staat weitgehend. Bereits am 26.09.1991 stimmten in einem Referendum über 90 Prozent der albanischen Kosovaren für die völkerrechtliche Unabhängigkeit des Kosovos. Bei den kosovarischen Parlamentswahlen im Mai 1992 gewann die Demokratische Liga des Kosovo (LDK) unter dem Vorsitz von Ibrahim Rugova, der wieder Präsident des Kosovo wurde, die Wahlen. Er und die LDK standen für einen friedlichen und passiven Widerstand, vergleichbar mit dem damaligen Widerstand von Mahatma Gandhi in Indien. Zunächst war der Widerstand der albanischen Kosovaren gegen das serbische Regime im Kosovo friedlich und passiv. In der internationalen Gemeinschaft war die Kosovo-Frage seinerzeit kein großes Thema. Dauerhaft war dieser passive Widerstand jedoch umstritten, da er das Problem um die staatsrechtliche Zukunft des Kosovo nicht löste. Die wirtschaftliche Entwicklung des schon ohnehin sehr armen Kosovo litt stark unter diesem Zustand. Ohne Zuwendungen von albanischen Kosovaren, die im Ausland arbeiteten, war das Kosovo nicht lebensfähig. Dauerhaft führte der Status quo zu einer wachsenden Spannung innerhalb der kosovarischen Gesellschaft, da sie sich eine normale Zukunft und eine prosperierende Wirtschaft wünschten. In Folge dessen ging der gewaltlose Widerstand in einen bewaffneten Konflikt über, der zwischen der „Befreiungsarmee des Kosovo“ UCK auf der einen Seite sowie jugoslawischen und serbischen Sicherheitskräften auf der anderen Seite ausgetragen wurde.
Im Vorfeld der NATO-Intervention
Im April 1996 wurden nach der Erschießung eines albanischen Kosovaren fünf Serben, darunter ein serbischer Polizist, von der bis dahin unbekannten UCK („Befreiungsarmee des Kosovo“) erschossen. Damit trat die UCK zum ersten Mal in Erscheinung. Im November 1997 trat sie bei dem Begräbnis eines von Polizisten erschossenen albanisch-kosovarischen Lehrers erstmals in der Öffentlichkeit auf. Im März 1998 brach der bewaffnete Konflikt zwischen der UCK auf der einen Seite und den serbischen und jugoslawischen Sicherheitskräften auf der anderen Seite offen aus. Es kam zu ersten Massakern mit vielen Opfern. Die internationale Staatengemeinschaft wurde auf dem Konflikt aufmerksam, doch lehnten die serbischen Bürger bei einem Referendum im April 1998 jede internationale Vermittlung in diesem Konflikt ab. Im Juli 1998 nahm die UCK erstmals für wenige Tage eine kosovarische Stadt ein, die Rückeroberung durch jugoslawische und serbische Sicherheitskräfte forderte rund 100 Tote. Zwischen Juli und Oktober 1998 fand eine umfangreiche Offensive der serbischen Polizei und der jugoslawischen Armee im Kosovo statt, bei der die gesamte Kontrolle über das Kosovo zurückerobert, mehrere hunderttausend Menschen vertrieben und über 100 Dörfer zerstört wurden.
Im Oktober 1998 verpflichtete sich der damalige jugoslawische Präsident Slobodan Milošević unter Androhung eines NATO-Luftangriffs zu einem Rückzug der Sicherheitskräfte aus dem Kosovo. Zur Überwachung dieses Rückzugs und eines Waffenstillstands sollten bis zu 2000 unbewaffnete OSZE-Beobachter im Kosovo stationiert werden. Doch im Dezember 1998 brach der Konflikt zwischen der UCK und den jugoslawischen bzw. den serbischen Sicherheitskräften erneut aus, bei dem immer mehr Einheiten der jugoslawischen Armee und der serbischen Sonderpolizei in das Kosovo verlegt wurden.
Unter dem Druck der Ereignisse wurden Vertreter der Bundesrepublik Jugoslawien bzw. der jugoslawischen Republik Serbien und der albanischen Kosovaren zu Verhandlungen gezwungen, die am 16.02.1999 im französischen Rambouillet bei Paris begannen. Am 17.03.1999 unterschrieb die Delegation der albanischen Kosovaren ein Abkommen, wonach der Kosovo als völkerrechtlicher Bestandteil der jugoslawischen Republik Serbien eine umfassende Autonomie erhalten sollte, die vergleichbar mit dem Autonomiestatus des Kosovo von 1974 gewesen wäre. Die UCK sollte gemäß diesem Abkommen entwaffnet werden und NATO-Truppen für die Sicherheit im Kosovo sorgen. Die jugoslawisch-serbische Delegation stimmte dem Autonomiestatus des Kosovo grundsätzlich zu, nicht jedoch dem vorliegenden Plan zur Stationierung von NATO-Truppen. Diese hätten sich nicht nur im Kosovo sondern im ganzen Territorium der Bundesrepublik Jugoslawien frei und uneingeschränkt bewegen dürfen, was als unverhältnismäßige Einschränkung der Souveränität der Bundesrepublik Jugoslawien abgelehnt wurde. Die jugoslawisch-serbische Delegation unterschrieb das Abkommen somit nicht. Zuletzt versuchte US-Diplomat Richard Holbrooke den damaligen jugoslawischen Präsidenten am 19.03.1999 vergeblich zum Einlenken zu bewegen. Am 23.03.1999 gab NATO-Generalsekretär Javier Solana den Einsatzbefehl für die „Operation Alliet Force“ (sinngemäß übersetzt: „Unternehmen Bündnisstreitmacht“). Bereits am 13.10.1998 hatte der Nordatlantikrat, das höchste Entscheidungsgremium der NATO, den NATO-Generalsekretär autorisiert den Befehl für Luftangriffe zu geben. Am Abend des 24.03.1999 gaben Javier Solana und NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark den Beginn der Operation öffentlich bekannt.
Die NATO-Intervention in der Bundesrepublik Jugoslawien
Die NATO startete am 24.03.1999 ohne durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dazu legitimiert zu sein ihre Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Zwischen 19 Uhr 41 und 3 Uhr 30 des darauf folgenden Tages bombardierten etwa 200 Flugzeuge zahlreiche Ziele auf dem gesamten Territorium der Bundesrepublik Jugoslawien. Außerdem wurden rund 50 Lenkwaffen eingesetzt. Zunächst war die Ausschaltung der jugoslawischen Luftverteidigung und der Kommando-, Kontroll- und Kommunikationszentren der Streitkräfte Jugoslawiens (Vojska Jugoslavija, VJ) das vorrangige Ziel der NATO-Luftangriffe.
Aufgrund der NATO-Angriffe wurde innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien der Kriegszustand ausgerufen und die Streitkräfte Jugoslawiens teilmobilisiert. Die jugoslawische Luftwaffe versuchte zunächst mit fünf MIG-29 Kampfflugzeugen der NATO-Luftstreitmacht zu begegnen, wurde jedoch von einem großen Aufgebot an NATO-Abfangjägern gestellt. Alle fünf MIG-29-Kampfflugzeuge wurden im Verlauf der Luftkämpfe abgeschossen, wobei ein Pilot ums leben kam. Aufgrund der geringen Einsatzbereitschaft der jugoslawischen MIG-29-Kampfflugzeuge wurden weitere Flüge zur Luftabwehr bis auf weiteres nicht mehr durchgeführt. Neben dem Jagdgeschwader bestand die integrierte Luftverteidigung der Streitkräfte Jugoslawiens aus der 250. Raketenbrigade. Diese verfügte zwar hauptsächlich über militärisch veraltetes Gerät, dafür jedoch in großer Anzahl. Am 27.03.1999 konnte die jugoslawische Flugabwehr mit dem Flugabwehrraketensystem S-125 Newa ein Tarnkappenflugzeug vom Typ F-117A der Vereinigten Staaten abschießen. Der Pilot der F-117A konnte sich mit dem Schleudersitz retten und wurde noch in der Nacht des Abschusses von Spezialeinheiten der US-Luftwaffe gerettet. Dieser Abschuss war ein taktischer Erfolg für die jugoslawische Flugabwehr und führte zu einem operativen Strategiewechsel bei der NATO. In Folge dessen wurden die Sicherheitsbestimmungen für die weiteren Luftangriffe dauerhaft verschärft. So durften die Tarnkappenbomber fortan nur noch mit Begleitschutz fliegen. Die Luftoperationen der NATO konzentrierten sich nun größtenteils auf die Ausschaltung der jugoslawischen Raketen- und Radarstellungen.
Insgesamt führten die NATO-Luftangriffe jedoch zu keinem durchschlagenden militärischen Erfolg gegenüber den Jugoslawischen Streitkräften und ihren Einrichtungen. Trotz zahlreicher Zerstörungen blieb diese einsatzfähig und operierte auch weiterhin im Kosovo, was zur Flucht von mehreren hunderttausend albanischen Kosovaren führte. Erschwerend kam hinzu, dass innerhalb der NATO kein Konsens über den möglichen Einsatz von Bodentruppen erzielt werden konnte. Deshalb wurde die NATO-Operation auch auf Ziele der zivilen Infrastruktur ausgeweitet. Durch diese zusätzliche Eskalation sollte die Bundesrepublik Jugoslawien in die Knie gezwungen werden. Angriffsziele der NATO lagen nicht nur in der damaligen jugoslawischen Republik Serbien, sondern auch in der damaligen jugoslawischen Republik Montenegro und in der Serbischen Republik von Bosnien und Herzegowina. Innerhalb des Kosovos kam es während der NATO-Operation zu massiven Bodenkampfhandlungen zwischen den dort stationierten Einheiten der Streitkräfte Jugoslawiens unter Oberbefehl von Dragoljub Ojdanić und der kosovarischen Befreiungsarmee UCK. Unterstützt wurde die UCK dabei durch NATO-Luftangriffe auf die im Kosovo stationierten Einheiten der Streitkräfte Jugoslawiens. Folgende Bedingungen formulierte der Nordatlantikrat am 12.04.1999 für die Einstellung der Luftoperationen gegenüber der Bundesrepublik Jugoslawien:
- Die Bundesrepublik Jugoslawien stellt das Ende der militärischen Operationen im Kosovo sicher und beendet die Gewaltaktionen und Unterdrückung der albanischen Kosovaren,
- die Bundesrepublik Jugoslawien stellt den Abzug aller ihrer offiziellen Sicherheitskräfte (Streitkräfte, paramilitärischer Einheiten und Polizei) aus dem Kosovo sicher,
- die Bundesrepublik Jugoslawien akzeptiert die Stationierung einer internationalen Militärtruppe im Kosovo,
- die Bundesrepublik Jugoslawien akzeptiert die bedingungslose und sichere Rückkehr aller kosovarischen Flüchtlinge und den ungehinderten Zugang von internationalen Hilfsorganisationen zu ihnen und
- die Bundesrepublik Jugoslawien bekräftigt ihren Willen, eine politische Lösung auf Basis der Verhandlungen in Rambouillet, dem Völkerrecht und der Charta der Vereinten Nationen herbeizuführen.
Gegenüber dem parlamentarischen Kontrollausschuss für die amerikanischen Streitkräfte erklärte der damaligen US-Außenminister William Cohen am 15.04.1999, dass Ziel der Angriffe sei die Zerstörung der jugoslawischen Militär- und Sicherheitsstrukturen, die dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević dazu dienen würden, die albanisch-kosovarische Mehrheitsbevölkerung im Kosovo zu entvölkern und zu zerstören. Nach Auffassung der damaligen jugoslawischen Regierung dienten die Einsätze der jugoslawischen Sicherheitskräfte im Kosovo dem Schutz der serbischen Kosovaren vor den Übergriffen der UCK.
Unterdessen stürzte am 02.05.1999 ein US-Kampfflugzeug vom Typ F-16CG während eines Lufteinsatzes ab. Der Pilot konnte sich mit dem Schleudersitz retten. Etwa einem Monat nach dem Abschuss der fünf MIG-29 Kampfflugzeuge setzte die jugoslawische Luftwaffe wieder ein MIG-29 Kampfflugzeug ein. In einem Luftkampf mit mehreren Dutzend NATO-Jägern wurde die MIG-29 am 04.05.1999 abgeschossen, wobei der Pilot und Kommandant des 204ten Luftregiments der jugoslawischen Luftstreitkräfte ums Leben kam. Die verbliebenen Flugzeuge der 127. Jagdfliegerstaffel der jugoslawischen Luftstreitkräfte wurden danach nicht mehr eingesetzt. Zu einem folgenschweren Einsatz der NATO kam es am 20.05.1999, bei dem in der serbischen Stadt Varvarin eine Brücke über den Fluss Morava durch zwei NATO-Kampfflugzeuge in zwei Angriffswellen zerstört wurde. Bei diesem Angriff wurden zehn Zivilisten getötet und 30 verletzt, davon 17 schwer.
Die zunehmende und ungeplante Dauer des NATO-Luftkrieges gegen die Bundesrepublik Jugoslawien führte zu einer militärischen Eskalation, indem statt militärischer Ziele immer mehr auch zivile Infrastruktur angegriffen und zerstört wurde. Zunehmend wurden auch serbische Großstädte durch die NATO-Luftstreitkräfte angegriffen. Scheinbar gab es kein Konzept auf Seiten der NATO für längere Lufteinsätze, da man dort ursprünglich von einem schnelleren Erfolg der Operation ausging. Eine Bodenoffensive wurde aufgrund der Situation von Seiten der NATO immer stärker in Erwägung gezogen und sollte im Juni der Bundesrepublik Jugoslawien offiziell angedroht werden. Allerdings gab es keine Vorbereitungen für eine Bodenoffensive, so dass es bis zu einem tatsächlich Einsatz von NATO-Bodentruppen wohl noch Monate gedauert hätte. Im Ergebnis dürfte die militärische Eskalation zu einer erhöhten Verhandlungsbereitschaft auf Seiten der Bundesrepublik Jugoslawien geführt haben, den Konflikt diplomatisch zu lösen. Noch während der NATO-Operation gab es bereits diplomatische Aktivitäten zur Beendigung des Konfliktes.
Das Ende der NATO-Operation und die Übergangsverwaltungsmission
Die diplomatischen Bemühungen hatten schließlich Erfolg. Das serbische Parlament billigte am 03.06.1999 einen von den G-8-Staaten am 06.05.1999 vorgelegten Friedensplan, dem auch der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević zustimmte. Allerdings gab es zwischen der NATO und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterhin Unstimmigkeiten über den militärischen Teil der Umsetzung des Friedensplanes. Die Verhandlungen darüber zogen sich noch einige Tage hin und führten erst am 09.06.1999 zu einer Einigung. Die Einigung sah den unverzüglichen Abzug der jugoslawischen und serbischen Sicherheitskräfte aus dem Kosovo vor. Stattdessen sollte im Kosovo im Rahmen eines entsprechenden Mandates des UN-Sicherheitsrates eine von der NATO geführte Friedenstruppe stationiert werden. Der UN-Sicherheitsrat fasste am 10.06.1999 mit der Resolution 1244 einen entsprechenden Beschluss. Mit dieser Resolution wurde eine Übergangsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK) festgelegt. Unter anderem wurde der UN-Generalsekretär ermächtigt eine vorübergehende Zivilverwaltung für das Kosovo einzurichten. Ziel dieser Mission war es für das kosovarische Volk eine substantielle Autonomie herzustellen. Die Resolution 1244 legte folgende zivile Aufgaben für die Übergangsverwaltungsmission UMNIK fest:
- Die Etablierung einer unabhängigen Selbstverwaltung des Kosovos voranzutreiben,
- die Förderung eines politischen Prozesses mit dem Ziel den zukünftigen Status des Kosovos zu klären,
- die Koordinierung von humanitärer Hilfe und Katastrophenhilfe aller internationaler Organisationen,
- die Unterstützung bei der Wiederherstellung einer grundlegenden Infrastruktur,
- die Aufrechterhaltung der öffentlichen zivilen Ordnung,
- die Einhaltung der Menschenrechte voranzutreiben und
- die Ermöglichung einer sicheren Rückkehr aller Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Heimat.
Gleichzeitig betonte die Resolution in ihrer Präambel auch die territoriale Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien. Über den endgültigen Status des Kosovo trifft die Resolution 1244 keine Festlegungen, dieser sollte im Rahmen von Verhandlungen zwischen den betroffenen Parteien geklärt werden. Für die Sicherheit im Kosovo ist gemäß der Resolution 1244 die Kosovo-Streitmacht „KAFOR“ („Kosovo Force“) zuständig. Ihre Aufgaben sind vor allem:
- Aufbau und Erhaltung eines sicheren Umfelds sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Kosovo,
- Überwachung, Prüfung und Durchsetzung des militärisch-technischen Übereinkommens zwischen der NATO und der Bundesrepublik Jugoslawien und
- Unterstützung der Übergangsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo (UMINIK).
Die KAFOR rückte am 12.06.1999 in das Kosovo ein. Sie ist eine von der NATO geführte, aus internationalen Truppen bestehende Streitmacht. Anfangs bestand sie aus rund 50.000 Soldatinnen und Soldaten, jetzt sind nur noch einige Tausend im Rahmen der KAFOR im Einsatz. Offiziell für Beendet erklärte der NATO-Generalsekretär Javier Solana die NATO-Luftangriffe am 21.06.1999. Drei Tage später wurde in der Bundesrepublik Jugoslawien der Kriegszustand aufgehoben. Die genaue Anzahl der Opfer aufgrund der NATO-Luftangriffe in der Zivilbevölkerung lässt sich nur schätzen. Human Rights Watch geht von etwa 400 bis 530 toten Zivilisten aus. Die Gesamtzahl der Toten wird je nach Quelle auf bis zu 3.500 geschätzt. Etwa 10.000 Menschen sollen verletzt worden sein. Hinzu kommen allerdings noch die Opfer, die aufgrund der Bodenkämpfe im Kosovo getötet und verletzt worden sind.
Die Hauptlast des NATO-Einsatzes im Kosovo trug die Luftwaffe der Vereinigten Staaten von Amerika. Daran beteiligt waren die Luftwaffen der NATO-Staaten Deutschland, Italien, Niederlande und dem Vereinigten Königreich (Großbritannien und Nordirland). Der NATO-Einsatz hatte nicht nur Folgen für die Bundesrepublik Jugoslawien. Er offenbarte auch zahlreiche Schwächen bei der Strategie und Taktik der NATO. Die Einsatzfähigkeit der NATO und die Effektivität ihrer Luftangriffe hatten deutliche Grenzen, die vorher so nicht erwartet wurden. Es gab auch innerhalb der Befehlskette Streit, so dass immer wieder von höchster Stelle eingegriffen werden musste. Insgesamt zeigten sich deutliche Schwächen bei der NATO, die wiederum von jugoslawischer Seite strategisch und taktisch verwertet werden konnten.
Die Folgen des NATO-Luftangriffes
Das Regime von Slobodan Milošević war angeschlagen und wurde im Oktober 2000 gestürzt. In der Bundesrepublik Jugoslawien und in der jugoslawischen Republik Serbien kamen bei freien Wahlen die bisher oppositionellen demokratischen Kräfte an die Macht. Sie standen dabei vor fast unlösbaren Aufgaben. Die Infrastruktur war weitgehend zerstört und die Wirtschaft lag am Boden. Die jugoslawische Republik Montenegro hat sich bereits seit 1998 zunehmend von Serbien distanziert und strebte immer offener nach Unabhängigkeit. In Folge dessen wurde die Bundesrepublik Jugoslawien am 04.02.2003 in den lockeren Staatenbund Serbien-Montenegro umgewandelt. Auch dies war allerdings nur noch eine auf äußeren Druck zustande gekommene Übergangslösung. Am 21.05.2006 stimmten die montenegrinischen Bürgerinnen und Bürger in einem Referendum mit knapp 55,5 Prozent der Stimmen für die Unabhängigkeit Montenegros. Die Abstimmungsbeteiligung lag bei 86,3 Prozent. Die formelle Unabhängigkeitserklärung Montenegros erfolgte dann durch einen Parlamentsbeschluss am 03.06.2006. Die Republik Serbien erklärte sich am 05.06.2006 zum völkerrechtlichen Nachfolger des Staatenbundes Serbien-Montenegro. Damit gilt die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats weiterhin für die Republik Serbien, da sie damit Rechtsnachfolger der Bundesrepublik Jugoslawien ist.
Die anschließenden Versuche der Vertreter Serbiens und des Kosovos im Rahmen von Verhandlungen den Status des Kosovos zu klären scheiterten und wurde am 28.11.2007 beendet. Zwar war Serbien bereit dem Kosovo eine sehr weitgehende Autonomie bis knapp unterhalb der Unabhängigkeit des Kosovos zu gewähren, doch verlangten die albanischen Kosovaren die völkerrechtliche Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien. Nachdem weitere Verhandlungen keine Lösung brachten, erklärte das Kosovo am 17.02.2008 einseitig als „Republik Kosovo“ seine Unabhängigkeit von Serbien. Diese Bestrebungen des Kosovos wurden von den Staaten des Westens unterstützt, wenngleich diese Bestrebungen auch dort nicht unumstritten waren. Was letztendlich den Ausschlag gab, die Unabhängigkeit des Kosovos zu unterstützen, muss vorläufig Gegenstand der Forschung bleiben. Darüber gibt es einige unterschiedliche Ansichten.
Mittlerweile wird das Kosovo von über 100 Staaten völkerrechtlich anerkannt. Aus Sicht Serbiens ist das Kosovo immer noch völkerrechtlicher Bestandteil der Republik Serbien. Dementsprechend erkennt Serbien die „Republik Kosovo“ auch nicht als unabhängigen Staat an, ebenso wie noch fünf EU-Staaten (Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien und Zypern). Mittlerweile hat es zwischen Serbien und dem Kosovo eine große Annäherung in vielen praktischen bilateralen Fragen gegeben, die durch den Abschluss von entsprechenden bilateralen Verträgen auch verbindlich erklärt wurden. Dafür begann die Europäische Union (EU) mit Serbien am 21.01.2014 Beitrittsgespräche. In Serbien sind heute noch die Folgen des NATO-Luftangriffes sichtbar. Auch wirtschaftlich geht es Serbien weiterhin schlecht. Allerdings gibt es in Serbien einen großen Konsens darüber, den friedlichen Weg der europäischen Integration zu gehen. Wenn auch nicht de jure, faktisch geht Serbien von einem unabhängigen Kosovo aus. Insgesamt hat sich das Verhältnis zwischen Serbien und dem Kosovo im alltäglichen Umgang miteinander deutlich verbessert. Doch müssen zwischen Serbien und dem Kosovo alle offenen Fragen endgültig geklärt werden – darunter auch der völkerrechtliche Status des Kosovo.
Nachbetrachtungen zum NATO-Luftangriff auf die Bundesrepublik Jugoslawien
Der NATO-Luftangriff erfolgte ohne entsprechende Legitimation durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. In Artikel 2 Absatz 4 der Charta der Vereinten Nationen ist festgelegt: „Alle Mitglieder (der UN) unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“ Grundsätzlich darf nur der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gemäß Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen (Artikel 39 bis 51) Maßnahmen bei Bedrohung und Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen ergreifen. Nur die Selbstverteidigung eines Staates bei einem Angriff ist gemäß Artikel 51 der Charta ohne Beschluss des Sicherheitsrates zulässig, allerdings nur solange bis der Sicherheitsrat geeignete Maßnahmen zu Wiederherstellung des Friedens getroffen hat.
Der NATO-Vertrag bezieht sich in seiner Präambel und in Artikel I auf die Charta der Vereinten Nationen. So heißt es in Artikel I: „Die Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen, jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, dass der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind.“ Der Bündnisfall gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrages lag nicht vor. Die Bundesrepublik Jugoslawien hat keinen NATO-Staat angegriffen. Nur in diesem Fall hätte die NATO ohne Beschluss des Sicherheitsrates in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen in der Bundesrepublik Jugoslawien intervenieren dürfen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die militärische Intervention der NATO in der Bundesrepublik Jugoslawien formell völkerrechtswidrig war.
Auch wenn die NATO-Intervention formell völkerrechtswidrig war, bleibt dennoch zu klären ob sie auch materiell völkerrechtswidrig war. Die NATO rechtfertigte ihren Einsatz als „humanitäre Intervention“. Aufgrund schwerster Menschenrechtsverletzungen und einem drohenden Genozid an den albanischen Kosovaren war dieser Einsatz völkerrechtlich gerechtfertigt und moralisch geboten. Im Völkerrecht wird unter dem Begriff der humanitären Intervention im Allgemeinen die Anwendung von militärischer Gewalt eines Staates oder mehrerer Staaten zum Schutze von Bevölkerungsteilen eines anderen Staates vor Menschenrechtsverletzungen oder Völkermord verstanden. Verbindlich festgelegt ist die „humanitäre Intervention“ in der Charta der Vereinten Nationen allerdings nicht, sie kann höchstens vom bestehenden Völkerrecht abgeleitet werden. In Artikel 2 Absatz 7 der Charta der Vereinten Nationen ist festgelegt: „Aus dieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche Angelegenheiten einer Regelung auf Grund dieser Charta zu unterwerfen, nicht abgeleitet werden; die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII wird durch diesen Grundsatz nicht berührt. “ Demnach wäre eine humanitäre Intervention als Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates grundsätzlich nicht zulässig. Allerdings berührt diese Regelung nicht Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen, wonach der UN-Sicherheitsrat sehr wohl entsprechende Maßnahmen beschließe könnte. Zu klären bleibt die Frage, unter welchen Umständen eine humanitäre Intervention ohne Beschluss des UN-Sicherheitsrates gerechtfertigt oder sogar geboten sein könnte.
Die Frage ist nun, was wiegt höher: Das grundsätzlich Gewaltverbot und der Schutz der territorialen Integrität eines Staates oder der Schutz der Menschenrechte. Die Befürworter für letztere These verweisen darauf, dass die Menschenrechte zwingendes Völkerrecht (ius cogens) darstellen. Bei deren Verletzung gelte jeder Staat der Völkergemeinschaft als verletzt und dürfe sich zur Wehr setzen. Dabei soll im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Mittel unter Umständen auch die Anwendung von Gewalt zur Verhinderung oder Beendigung von Menschenrechtsverletzungen erlaubt sein. Die Frage welches Recht nun höher liegt, ist Gegenstand von Debatten und bis heute nicht abschließend geklärt.
Die an den NATO-Luftangriffen beteiligte Bundesrepublik Deutschland hat im Falle eines Angriffskrieges einen Verfassungsvorbehalt. In Artikel 25 Absatz 1 GG heißt es: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“ In diesem Fall setzte sich überwiegend die Auffassung durch, wonach kein Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) vorliegt. Der Angriff der Bundesrepublik Deutschland war nicht geeignet das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören. Im Falle der Bundesrepublik Jugoslawien war bereits das friedliche Zusammenleben zwischen Serben und albanischen Kosovaren erheblich gestört. Dennoch bleibt dieser Angriff nicht unumstritten. In Artikel 25 GG ist festgelegt „Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.“ Mindestens formell dürfte von Seiten der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Beteiligung an den NATO-Luftangriffen gegen das Völkerrecht verstoßen worden sein. Allerdings ist offen, ob sie auch materiell gegen Völkerrecht verstoßen hat und die Beteiligung an der humanitären Intervention nicht ggf. doch völkerrechtlich gerechtfertigt werden kann.
Zusammenfassend kann gesagt werden: Die Blockierung des Sicherheitsrates bei der notwendigen Ergreifung von geeigneten Maßnahmen zur Verhinderung und Beendigung von Menschenrechtsverletzungen und Völkermord stellt ein großes Problem dar. Unter Umständen können alternative Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte und vor Völkermord notwendig sein, die nicht durch bisheriges Völkerrecht gedeckt sind. Ggf. können derartige Maßnahmen aus dem bestehenden Völkerrecht abgeleitet werden. Im Falle des NATO-Angriffes auf die Bundesrepublik Jugoslawien erfolgte zumindest eine nachträgliche Legitimierung durch den UN-Sicherheitsrat, in dem es die Resolution 1244 beschloss. Diese wird trotz gegenteiliger Auffassungen von den fünf Veto-Mächten im UN-Sicherheitsrat und der Mehrheit der UN-Staaten getragen. Als unerträglich völkerrechtswidrig werden die NATO-Luftangriffe mehrheitlich nicht angesehen, ansonsten dürfte der Beschluss der Resolution 1244 auch nicht möglich gewesen sein. Auch gab es keine offizielle Verurteilung eines der beteiligten NATO-Staaten durch den Internationalen Gerichtshof (IGH). Dieser hätte angerufen werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat für die Bundesrepublik Deutschland ebenfalls weder eine Verletzung des Völkerrechts nach eine Verletzung des Grundgesetzes festgestellt.
Als Fazit kann festgehalten werden, dass die humanitäre Intervention bisher formell noch völkerrechtswidrig ist. Allerdings befindet sich die humanitäre Intervention als mögliche Maßnahme in der Weiterentwicklung bzw. das Völkerrecht befindet sich diesbezüglich in einem Wandel. Dieser Prozess ist noch offen. Daher könnte eine humanitäre Intervention materiell rechtmäßig und mit dem Völkerrecht im Einklang sein. Die humanitäre Intervention wäre als Institution grundsätzlich eine sinnvolle Weiterentwicklung des Völkerrechts. Der Schutz der Menschenrechte sollte schwerer Wiegen als die territoriale Integrität eines Staates. Dennoch sollte das Monopol für solche Maßnahmen grundsätzlich beim UN-Sicherheitsrat liegen. Im Ausnahmefall und bei Handlungsunfähigkeit des UN-Sicherheitsrates sollte eine humanitäre Intervention auch ohne Beschluss des UN-Sicherheitsrates möglich sein. Im Falle aller Kriege auf dem Balkan von 1991 bis 1999 dürfte eine humanitäre Intervention aufgrund schwerster Menschenrechtsverletzungen bis hin zum Völkermord geboten gewesen sein.
Weitere Informationen
Vor 10 Jahren: Das Kosovo erklärt seine Unabhängigkeit
Die Kosovo-Frage und ihre mögliche Lösbarkeit