Vor 20 Jahren, am 04. August1995, begann die kroatische Armee mit der Militäroperation „Sturm“ („Oluja“) und eroberte das Gebiet der damaligen „Serbischen Republik Krajina“ („Republika Srpska Krajina“) bis auf Ostslawonien in wenigen Tagen zurück. Der Jahrestag der Operation Oluja wird in der historischen Rückschau von Kroaten und Serben unterschiedliche bewertet. Für die Kroaten war es ein Tag des Sieges und die Operation Oluja ein legitimer Verteidigungskrieg. Aufgrund der Operation Oluja konnte im Ergebnis die vollständige Souveränität auf dem ganzen Territorium der Republik Kroatien wiederhergestellt werden. Für die Serben war der Tag eine Tragödie und die kroatische Militäroperation ein Kriegsverbrechen. Je nach Quellen wurde mehrere Hundert (400 – 800 nach kroatischen Quellen) bis über Tausend Serben (700 – 1200 nach serbischen Quellen) getötet. Etwa zweieinhalbtausend Serben gelten nach serbischen Angaben noch als vermisst. Des Weiteren wurden bis zu 200.000 Serben vertrieben oder mussten flüchten. Die unterschiedliche Bewertung der Operation Oluja belastet bis heute das Verhältnis zwischen Kroaten und Serben bzw. die bilateralen Beziehungen zwischen der Republik Kroatien und der Republik Serbien. Allerdings ist allen Beteiligten heute klar, dass es zu einer Politik der Aussöhnung keine Alternative gibt. An einer objektiven Bewertung der Operation Oluja kommen die Beteiligten ebenfalls nicht vorbei. Vielleicht ist eine unabhängige Historiker-Kommission eine Möglichkeit zur Aufarbeitung der Geschehnisse.
Hintergrund
Als sich die Unabhängig der Republik Kroatien von der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) abzeichnete und eine Änderung der kroatischen Verfassung den formellen Status der Serben in Kroatien änderte, lehnten die kroatischen Serben die kroatische Staatsgewalt zunehmend ab. Sie besetzten in ihren Siedlungsgebieten gewaltsam kroatische Behörden und Sicherheitseinrichtungen. Aufgrund dieser Entwicklung kam es zum Einsatz der „Jugoslawischen Volksarmee“ („JNA“). Diese stellte jedoch nicht die kroatische Staatsgewalt wieder her, sondern festigte den Status quo zwischen Kroaten und Serben in der damals noch zur SFRJ gehörenden Sozialistischen Republik Kroatien (ab August 1990: „Republik Kroatien“). Nach der Unabhängigkeitserklärung der Republik Kroatien am 25. Juni 1991 verschärfte sich die Situation zu einem Krieg zwischen der JNA, serbischen Paramilitärs und der kroatischen Armee. Dabei kam rund ein Drittel des kroatischen Territoriums unter serbischer Kontrolle. Die kroatischen Serben wurden dabei auch von Serbien und von Serben außerhalb der Republik Kroatien unterstützt. Schon am 02. September 1990 kam es zur Gründung des „Serbischen Autonomen Gebietes Krajina“. Daraus ging dann am 19. Dezember 1991 die völkerrechtlich nicht anerkannte und faktisch von der Republik Kroatien unabhängige „Serbische Republik Krajina“ („Republika Srpska Krajina“) hervor. Die Führung der sogenannten „Republika Srpska Krajina“ strebte die Vereinigung mit der Republik Serbien an, welche damals mit der Republik Montenegro die „Bundesrepublik Jugoslawien“ bildete. Einen Zusammenschluss lehnte die Bundesrepublik Jugoslawien bzw. die Republik Serbien jedoch vor allem aus außenpolitischen Gründen stets ab, obgleich diese Option weiterhin durchaus Ziel der jugoslawischen bzw. serbischen Außenpolitik im Rahmen einer endgültigen Friedenslösung war. Der Status quo zwischen Kroaten und Serben in der Republik Kroatien blieb im Wesentlichen bis Anfang 1995 erhalten.
Region Krajina Serbische Flüchtlinge aus der Region Krajina
Die Situation im Jahre 1995
Ein Anfang 1995 vorgelegter Plan für eine Integration der Republika Srpska Krajina in den kroatischen Staat wurde von den Krajina-Serben abgelehnt. Dieser Plan sah eine weitgehende Autonomie für dieses Gebiet vor. Die Führung der Krajina-Serben nahm diesen Vorschlag nicht einmal in Empfang und strebte stattdessen wieder die Vereinigung mit der Bundesrepublik Jugoslawien bzw. mit der Republik Serbien an. Allerdings lehnte die serbische Führung unter Slobodan Milošević weiterhin eine Vereinigung der Krajina mit Serbien aus politischen Gründen ab. Die Bundesrepublik Jugoslawien bzw. Serbien sollte international konsolidiert werden, was nur mit einer international anerkannten Befriedigung der Lage in Kroatien zu erreichen war. Auch wollte sich die jugoslawische bzw. serbische Führung strategisch auf Bosnien und Herzegowina konzentrieren. Damit gerieten die kroatischen Serben zunehmend in die politische Isolation. Militärisch war ihre Lage auch ungünstig, da sie aufgrund der Kampfhandlungen in Bosnien und Herzegowina und dem vom UN-Sicherheitsrat über Bosnien und Herzegowina verhängten Flugverbot keine Unterstützung von außen erwarten konnten. Für Kroatien wurden die Rahmenbedingungen für eine militärische Lösung zunehmend günstiger. Im Mai 1995 eroberte die kroatische Armee im Rahmen der Militäroperation Blitz einen Teil des serbisch kontrollierten Gebietes von Westslawonien zurück. Nach dem Völkermord in Srebrenica im Juli 1995 eroberte die in Bosnien und Herzegowina operierende kroatische Armee im Rahmen der Operation Sommer `95 große Teile von Südbosnien. In Folge dessen war der südliche Teil der Krajina von drei Seiten durch die kroatische Armee umzingelt. Noch am 03.08.1995 versuchte die serbische Krajina-Führung unter Milan Babić mit der Annahme des ursprünglich abgelehnten Planes zur Integration der serbisch kontrollierten Krajina eine Intervention der kroatischen Armee abzuwenden.
Die Operation „Sturm“ („Oluja“)
Am 04. August 1995 begann die kroatische Armee mit der Militäroperation „Sturm“ („Oluja“) und eroberte das Gebiet der bisherigen Republika Srpska Krajina bis auf Ostslawonien in wenigen Tagen zurück. Bereits am 07. August 1995 war die Operation Oluja beendet. Nach Angaben des kroatischen Verteidigungsministeriums starben bei der Militäroperation 174 kroatische Soldaten und 1.430 kroatische Soldaten wurden verwundet. Im Rahmen dieser Militäroperation kam es auch zu Kriegsverbrechen, die vor dem „Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien“ („International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia”, kurz: „ICTY“) geahndet wurden. Kritisiert wurde dabei jedoch von serbischer Seite, dass führende kroatischen Militäroffiziere, darunter der kroatische General Ante Gotovina, nicht verurteilt wurden. In Folge der Militäroperation Oluja flohen zwischen 150.000 und 200.000 Serben aus der Krajina nach Bosnien und Herzegowina und in die damalige Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro). Formell beendet wurde der Krieg in Kroatien mit dem Abkommen von Erdut vom 12. November 1995 und dem Dayton-Vertrag vom 14. Dezember 1995. Letzter Vertrag beendete formell vor allem den Krieg in Bosnien und Herzegowina, beinhaltete allerdings auch eine Übereinkunft zur Beendigung des Krieges in Kroatien. Mit dem Vertrag von Erdut wurde das letzte serbisch kontrollierte Gebiet in Ostslawonien wieder friedlich in den kroatischen Staat integriert. Der Vertrag sah eine zweijährige Übergangsverwaltungsmission durch die Vereinten Nationen vor, welche vom UN-Sicherheitsrat im Januar 1996 beschlossen wurde. Die bewaffnete UNTAES-Mission sicherte diese Übergangsverwaltung, in deren Rahmen eine örtliche Demilitarisierung und Rückkehr der Flüchtlinge ermöglicht wurde. Mit dem Ende des UNTAES-Mandates am 15. Januar 1998 war das letzte ursprünglich serbisch kontrollierte Gebiet wieder vollständig in den kroatischen Staat integriert. Nach Angaben der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR seien bis 2002 rund 100.000 kroatischen Serben nach ihrer Flucht oder Vertreibung in die Republik Kroatien zurückgekehrt. Das Verhältnis zwischen Kroaten und Serben ist bis heute schwierig geblieben. Ein Aussöhnungsprozess steht noch aus, auch wenn sich das Verhältnis zwischen Kroaten und Serben langsam normalisiert.
Bildquelle: https://balkanblick.wordpress.com/2011/04/16/oluja-und-das-ende-der-serbischen-krajina/