Während des ethnischen Krieges in Bosnien und Herzegowina (1992 -1995) fand im Juli 1995 das Massaker von Srebrenica statt, bei dem zirka 8000 Menschen ermordet wurden. Das folgenschwere Kriegsverbrechen wurde vom „Internationale Strafgerichtshof für das ehemaligen Jugoslawien“ gemäß der 1951 in Kraft getretenen „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ als „Völkermord“ klassifiziert. Bei dem Massaker wurden in der Gegend von Srebrenica ausschließlich männlichen Bosniaken (Muslime) im Alter zwischen 13 und 78 Jahren durch Angehörige der Armee und der Polizei der „Serbischen Republik in Bosnien und Herzegowina“ („Republika Srpska“) sowie durch serbische Paramilitärs ermordet. Die Angehörigen der Armee der Republika Srpska führten den Völkermord unter Führung von General Ratko Mladić durch. Trotz der Einrichtung einer Schutzzone durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) um Srebrenica und der Anwesenheit von UN-Blauhelmsoldaten konnte das Massaker, welches als größtes Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gilt, nicht verhindert werden.
Vorgeschichte
Bosnien und Herzegowina ist ein multi-ethnischer Staat, der sich bis März 1992 in einer jugoslawischen Föderation befand. Von den damaligen 4,4 Millionen Einwohnern gehörten nach einer Volkszählung vor dem ethnischen Krieg im Jahre 1991 43,7 % der bosniakischen (muslimischen), 31,3 % der serbischen und 17,3 % der kroatischen Volksgruppe an, welche als die konstitutiven Ethnien von Bosnien und Herzegowina gelten. Nach der letzten Volkszählung von Oktober 2013 bekennen sich von den nun 3,79 Millionen bosnisch-herzegowinischen Einwohnern 50,1 % zu der bosniakischen (muslimischen), 30,8 % zu der serbischen und 15,4 % zu der kroatischen Volksgruppe. Es hat also zwischen 1991 und 2013 deutliche Verschiebungen in der Gesamtzahl der Einwohner und in den Anteilen für die jeweilige Volksgruppe gegeben. Der Rückgang der Gesamtbevölkerung beträgt rund 14 %. Etwa 610.000 Bürgerinnen und Bürger von Bosnien und Herzegowina verließen seit 1991 den Staat oder wurden im ethnischen Krieg zwischen 1991 und 1995 vertrieben oder getötet.
Aufgrund des Zerfalls der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) erklärte die Republik Bosnien und Herzegowina am 03.03.1992 als vierte jugoslawische Republik nach Slowenien, Kroatien und Makedonien ihre Unabhängigkeit von der SFRJ. Zuvor fand am 29.02. / 01.03.1992 eine entsprechende Volksabstimmung statt, welche von den serbischen Bosniern weitgehend boykottiert wurde. Bei einer Abstimmungsbeteiligung von 63 % sprachen sich 99,4 % der Bosnier für die Unabhängigkeit von Bosnien und Herzegowina aus. Während die kroatischen und die muslimischen (bosniakischen) Bosnier mit großer Mehrheit für die Unabhängigkeit von Bosnien und Herzegowina waren, wurde sie von den serbischen Bosniern mit großer Mehrheit strikt abgelehnt. Die Folge war ein brutaler, kriegerischer Konflikt zwischen den drei konstitutiven Ethnien von Bosnien und Herzegowina, welcher im April 1992 ausbrach und erst im Dezember 1995 durch den Friedensvertrag von Dayton beendet wurde.
Einen Schwerpunkt hatte der ethnische Krieg im Osten von Bosnien und Herzegowina, wo auch die Stadt Srebrenica liegt. Nach der Volkszählung von 1991 gehörten etwa Dreiviertel der Einwohner der Gemeinde Srebrenica der bosniakischen (muslimischen) Ethnie an. In der Stadt Srebrenica lag ihr Bevölkerungsanteil bei etwa zwei Drittel. Die serbischen Bosnier wollten dieses Gebiet von Anfang an unter ihrer Kontrolle bringen und belagerten es. Im Frühjahr 1992 gelang es den serbischen Bosniern Srebrenica für einige Wochen einzunehmen. Anfang Mai 1992 wurde das Gebiet jedoch von bosniakischen Militäreinheiten wieder zurückerobert. Die Belagerung der Region Srebrenica blieb allerdings bestehen. Angeführt wurden die Einheiten der „Armee der Republik Bosnien und Herzegowina“ von Naser Orić, welcher von 1992 bis 1995 der zuständige Kommandeur für die Region Srebrenica war. Unter seiner Führung kam es zu Gegenoffensiven und Angriffen auf serbisch-bosnisch besiedelte Dörfer, welche als Stützpunkte der serbisch-bosnischen Armee dienten. Dabei wurden zwar Geländegewinne gemacht, doch konnte die Belagerung um Srebrenica durch die serbischen Bosnier nicht durchbrochen werden. Allerdings kam es im Rahmen dieser Kampfhandlungen auch zu Kriegsverbrechen von Seiten der bosniakischen Militäreinheiten.
Im Frühjahr 1993 reorganisierte sich die serbisch-bosnische Armee unter General Ratko Mladić und startete eine Offensive gegen die Einheiten der bosniakischen Armee in der Region Srebrenica. Dabei erzielten sie bedeutende Geländegewinne, so dass die Bosniaken aus der Region in die Stadt Srebrenica flüchteten. Die Lebensbedingungen in der Stadt Srebrenica waren aufgrund dieser hohen Anzahl von Menschen, fehlendem Wohnraum, knappen Vorräten an Nahrung und Medikamenten und einer größtenteils zusammengebrochenen Strom- und Trinkwasserversorgung sehr kritisch. Die serbischen Bosnier blockierten mögliche Hilfslieferungen an die Menschen in Srebrenica. Im März und April 1993 wurden Tausende Bosniaken durch die Vereinten Nationen (UN) evakuiert. Die Regierung von Bosnien und Herzegowina protestierte dagegen, da nach ihrer Auffassung dadurch die ethnischen Säuberungen durch die serbischen Bosnier damit begünstigt würden.
Srebrenica als Schutzzone der Vereinten Nationen (UN)
Im April 1993 verschärfte sich die Sicherheitslage für die Bosniaken in Srebrenica. Die serbisch-bosnische Armee teilte am 13.04.1993 der UN mit, dass sie Srebrenica in zwei Tagen angreifen würde, wenn sich bis dahin nicht die dortigen Bosniaken ergäben hätten. Aufgrund dieser Lage beschloss der UN-Sicherheitsrat am 16.04.1993 mit der Resolution 819 die Errichtung einer Schutzzone („safe area“) in der Region Srebrenica, die von allen Kriegsparteien zu beachten war. Angriffe auf diese Schutzzone durften nicht erfolgen und verstießen gegen Völkerrecht. Für die Sicherheit in der Schutzzone waren „Schutztruppen der Vereinten Nationen“ („United Nations Protection Force“, kurz „UNPROFOR“) verantwortlich, deren ersten Einheiten bereits am 18.04.1993 in Srebrenica einrückten. Mit den Resolutionen 824 vom 06.05.1993 und 836 vom 04.06.1993 präzisierte der UN-Sicherheitsrat die Schutzzone in der Region Srebrenica und erlaubte der UNPROFOR die Anwendung von militärischer Gewalt zur Selbstverteidigung. Das Mandat der UNPROFOR („UN-Blauhelme“) in der Schutzzone blieb allerdings umstritten. Die Teilnehmerstaaten, welche die Truppen stellten, lehnten die Anwendung von militärischer Gewalt gegenüber den serbischen Bosniern ab. Sie fürchteten um die Sicherheit ihrer Soldaten. Andere Staaten befürworteten eine Erweiterung des Mandates. Im Ergebnis orientierte sich die UNPROFOR an klassische UN-Friedensmissionen und wurde nur mit leichter Bewaffnung ausgestattet.
Die Errichtung der Schutzzone in der Region Srebrenica führte zu einer Phase von relativer Stabilität, da die Anzahl und die Schwere der Gefechte zurückgingen. Eine vollständige Befriedung der Schutzzone und eine vollständige Sicherheit für die dort befindlichen Menschen konnten allerdings nicht erreicht werden. Die Demilitarisierung der Bosniaken gelang bis auf wenige schwere und die leichten Waffen weitgehend. Die serbisch-bosnischen Einheiten verblieben in ihren Stellungen, belagerten Srebrenica weiter und verweigerten vollständig ihre vorgeschriebene Demilitarisierung. Die Lage der Menschen in Srebrenica blieb aufgrund der Belagerung durch die serbischen Bosnier kritisch. Statt wie vom UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali am 14.06.1993 gefordert, die UNPROFOR zur Sicherung der Schutzzonen um 34.000 UN-Soldatinnen und Soldaten aufzustocken, gewährte der UN-Sicherheitsrat am 18.04.1993 nur eine Aufstockung um 7.600 UN-Blauhelme. Hintergrund für diese Entscheidung war eine Begrenzung der anfallenden Kosten für solche Missionen. Erst im Sommer 1994 war diese Aufstockung überdies abgeschlossen.
Im Frühjahr 1995 verschlechterte sich die ohnehin sehr prekäre Lage für die Bosniaken und die UN-Blauhelme in Srebrenica deutlich. Die serbisch-bosnischen Einheiten blockierten immer mehr Hilfskonvois nach Srebrenica und wollten die Stadt aushungern. Betroffen waren nicht nur die Bosniaken sondern auch die dort stationierte UNPROFOR. Diese wurde darin gehindert Material- und Lebensmittelnachschub für ihre Angehörigen zu organisieren. Wenn Angehörige der UNPROFOR die UN-Schutzzone einmal verlassen hatten, um etwas zu organisieren, wurden sie anschließend von den serbischen Bosniern daran gehindert in die UN-Schutzzone zurückzukehren. Zu dieser Zeit waren niederländische UN-Blauhelme in der Schutzzone Srebrenica stationiert. Ihre Anzahl sang aufgrund der serbisch-bosnischen Blockade von anfänglich 600 Angehörigen auf 400 bis 450.
Die UN schreckte von einer militärischen Durchsetzung ihrer Mission durch vorhandene NATO-Kräfte zurück. Sie befürchtete eine weitere kriegerische Eskalation und eine Gefährdung von UN-Angehörigen. In Anbetracht dieser Situation war die Bereitschaft der Staaten gering weitere Truppen für die UN-Schutzzonen in Bosnien und Herzegowina zu stellen. Es entstand eine fatale Lage für die UN-Schutzzone Srebrenica.
Die Einnahme der UN-Schutzzone Srebrenica durch die serbischen Bosnier
Der damalige Präsident der Republika Srpska, Radovan Karadžić, erließ im März 1995 eine Direktive. In dieser forderte er durch gut geplante und durchdachte Militäroperationen eine unerträgliche Lage völliger Unsicherheit in der Schutzzone Srebrenica herbeizuführen. Den Bosniaken und den UN-Blauhelmen sollten dadurch jede Hoffnung auf ein weiteres Leben oder Überleben in der UN-Schutzzone Srebrenica genommen werden. Die serbischen Bosnier waren nun fest entschlossen die Region und Stadt Srebrenica unter ihrer Herrschaft zu bringen und ethnisch zu säubern. Die Blauhelme registrierten zu dieser Zeit bereits die Vorbereitungen auf Seiten der serbisch-bosnischen Armee für einen Angriff auf die UN-Schutzzone Srebrenica. Aufgrund der serbisch-bosnischen Blockade, die trotz aller Appelle nicht beendet wurde, starben Anfang Juli 1995 Menschen an Entkräftung und Hunger.
Anfang Juli 1995 marschierten Einheiten der serbisch-bosnischen Armee und von serbischen Paramilitärs aus südlicher Richtung in die UN-Schutzzone Srebrenica ein und standen am 09.07.1995 kurz vor der Stadtgrenzen. Dem eindeutigen Verstoß gegen das Völkerrecht folgten keine effektiven Gegenmaßnahmen von Seiten der UN. Auch Widerstand von den Bosniaken und den UN-Blauhelmen blieb aus, so dass der damalige Präsident der Republika Srpska Radovan Karadžić der serbisch-bosnischen Armee die Erlaubnis zur Einnahme der Stadt Srebrenica gab. Zwar forderte der Kommandant der UNPROFOR in Srebrenica aufgrund der zugespitzten und eskalierenden Lage mehrfach Luftunterstützung durch die NATO an, doch blieb diese weitgehend aus. Nach dem Angriff von zwei niederländischen Kampfflugzeugen der NATO auf einen Panzer der serbisch-bosnischen Armee drohten die serbischen Bosnier mit Vergeltung, in dem sie auf Flüchtlinge schießen lassen und gefangene UN-Blauhelme ermorden wollten. Daraufhin wurden alle militärischen Luftoperationen zur Verhinderung des weiteren Eindringens der serbisch-bosnischen Truppen in die Schutzzone Srebrenica eingestellt. Die vor Ort befindlichen UN-Blauhelme hatten aufgrund ihrer leichten Bewaffnung und ihres begrenzten Mandates keine Möglichkeit den Vormarsch der serbisch-bosnischen Armee zu stoppen. Nach dem Einmarsch der serbisch-bosnischen Armee in Srebrenica befand sich die Stadt am 11.07.1995 unter der Kontrolle der serbischen Bosnier. Tausende Angehörige der bosniakischen Ethnie flohen daraufhin ins benachbarte Potočari, welches sich auch innerhalb der UN-Schutzzone Srebrenica befand.
In Potočari befanden sich am Abend des 11.07.1995 zirka 20.000 bis 25.000 bosniakische Flüchtlinge aus Srebrenica. Mehrere Tausend davon drängten sich auf dem Gelände der UN-Blauhelme, um dort Schutz zu suchen. Die anderen verteilten sich auf benachbarte Fabriken und Felder und erhofften sich ebenfalls den Schutz durch die UN-Blauhelme. Die Lage in Potočari war chaotisch und katastrophal. Es gab kaum Nahrungsmittel und Trinkwasser und nicht genügend UN-Personal, um die Flüchtlinge zu unterstützen.
Das Massaker
Am 12.07.1995, einem heißen und stickigen Tag, begannen die serbisch-bosnischen Armeeeinheiten gezielt damit Angst unter den Flüchtlingen zu verbreiten, in dem auf Sicht und Hörweite der Bosniaken zunächst auf Häuser und gezielt in die Menschenmenge geschossen wurde. Es brachen Angst, Entsetzen und Panik aus. Unter den Flüchtlingen hatten sich auch serbisch-bosnische Soldaten gemischt, welche diese mit massiven Drohungen und Gewalt unter Druck setzten. Vereinzelt kam es auch schon zu ersten Morden.
In den Abendstunden des 12.07.1995 spitzte sich die Lage weiter zu. Soldaten der serbisch-bosnischen Armee steckten Felder und Häuser an. Es kam zu weiteren Terroraktionen von Seiten der serbisch-bosnischen Einheiten gegenüber den bosniakischen Flüchtlingen. Schüsse, Schreie und undefinierbare Geräusche waren zu hören, so dass es in der Nacht nicht möglich war zu schlafen. Eine Reihe von Frauen und Mädchen wurden durch Angehörige der serbisch-bosnischen Einheiten vergewaltigt. Einzelne Flüchtlinge wurde aus der Menge durch die serbischen Bosnier herausgegriffen, abgeführt und tauchten danach nicht mehr auf. Unter den Flüchtlingen breiteten sich diese Schreckensnachrichten aus, so dass einige von ihnen sogar Selbstmord begingen.
Die serbischen Bosnier begannen damit die männlichen Bosniaken aus der Masse der Flüchtlinge zu separieren und an besonderen Plätzen, einer Zink-Fabrik und einem Gebäude mit der Bezeichnung „Weißes Haus“, festzuhalten. Später wurde die bosniakischen Männer mit Bussen und Lastwagen abtransportiert. Die Frauen, Kinder und Alten wurden in zum Teil völlig überfüllten Bussen, die von serbisch-bosnischen Soldaten eskortiert wurden, in die Nähe von bosniakisch kontrolliertem Gebiet gebracht und mussten von dort aus zu Fuß nach Kladanj, welches bereits auf bosniakisch kontrolliertem Gebiet lag, gehen. Nur die erste Bus-Kolonne konnte noch durch UN-Blauhelmsoldaten begleitet werden, danach wurden sie von den serbischen Bosniern mit Waffengewalt daran gehindert. Die Busse wurden unterwegs noch von serbisch-bosnischen Soldaten nach wehrfähigen Männern durchsucht. Wenn welche gefunden wurden, wurden diese aus den Bussen herausgeholt und abtransportiert.
Die Art und Weise der Selektion war für die betroffenen Familien traumatisch. Die serbischen Bosnier begründeten ihre Maßnahmen gegenüber den UN-Blauhelmen damit, dass sie nach möglichen Kriegsverbrechern suchen würden. Tatsächlich wurden die männlichen Bosniaken dem Schutz durch die UNPROFOR entzogen. Vor den Augen der UN-Blauhelme wurden in und hinter dem „Weißen Haus“ bereits erste Morde durchgeführt. Am Abend des 13.07.1995 befanden sich in Potočari keine Bosniaken mehr. Als UN-Blauhelme am 14.07.1995 die Stadt Srebrenica erkundeten, fanden sie dort ebenfalls keine lebenden Bosniaken mehr vor.
Nicht alle Bosniaken wollten in Potočari den serbisch-bosnischen Einheiten in die Hände fallen. Insbesondere junge Männer und Angehörige der Armee Bosnien und Herzegowinas fürchteten ihre Ermordung. Durch einen Ausbruchsversuch wollten rund 10.000 bis 15.000 Bosniaken der serbisch-bosnischen Armee entkommen. Ihr Zug formierte sich in der Nähe der Ortschaften Jaglici und Šušnjari. Etwa ein Drittel waren Angehörige der Armee Bosnien und Herzegowinas, wovon nicht alle bewaffnet waren. Ihre militärische Ausbildung und Disziplin waren ungenügend. Wenige Frauen, Kinder und Alte gehörten ebenfalls zu diesem Flüchtlingstreck. In der Nacht vom 11. auf dem 12.07.1995 erfolgte der Ausbruchsversuch und der Zug machte sich auf dem Weg. Bereits am 12.07.1995 startete die serbisch-bosnische Armee einen schweren Artillerieangriff auf die Flüchtlinge, als diese versuchten eine Asphaltstraße in der Nähe von Nova Kasaba zu überqueren. Nur einem Drittel des Flüchtlingszuges gelang dabei die Überquerung. Dadurch wurde der Zug, der weiterhin unter dem Feuer der serbisch-bosnischen Einheiten stand, gespalten.
In der zweiten Tageshälfte des 12.07.1995 machten die serbischen Bosnier eine große Anzahl von Gefangenen unter den Flüchtlingen denen es nicht gelang die Asphaltstraße zu überqueren. Dazu nutzten sie unterschiedlichen Taktiken. So wurden Hinterhalte gelegt und in die Wälder gefeuert, in denen sich Flüchtlinge aufhielten. Zum Teil wurde erbeutetes Material von der UNPROFOR verwendet und den Flüchtlingen vorgetäuscht, dass UN-Blauhelme und das Rote Kreuz vor Ort seien. Zum Teil forderten die serbischen Bosnier die Bosniaken zur Kapitulation auf und garantierten zum Schein eine Behandlung gemäß der Genfer Konvention. Einiger dieser Gefangenen wurden bereits an Ort und Stelle umgebracht. Die gefangenen Frauen, Kinder und Alten wurden den Bussen zugeführt, welche von Potočari in Richtung Kladanj fuhren. Am 13.07.1995 wurden mehrere Tausend Bosniaken von serbisch-bosnischen Einheiten gefangen genommen und auf einem Feld in der Nähe von Sandici sowie auf dem Fußballplatz von Nova Kasaba festgehalten. Der Teil des Flüchtlingszuges, welcher noch übersetzen konnte, setzte seinen Marsch in nordwestlicher Richtung fort. Dabei gerieten auch sie in serbisch-bosnische Hinterhalte und erlitten große Verluste. Ein Versuch der Flüchtlinge sich am 15.07.1995 auf bosniakisch kontrolliertes Gebiet durchzuschlagen scheiterte noch. Erst mit Hilfe von Einheiten der Armee Bosnien und Herzegowinas, welche aus Richtung Tuzla herangeführt wurden, gelang am 16.07.1995 der Durchbruch der verbliebenen Flüchtlinge.
Die von den Frauen, Kindern und Alten separierten sowie die später auf der Flucht gefangengenommenen bosniakischen Männer wurden nach Bratunac transportiert. Für die Internierung der männlichen Bosniaken wurden sowohl verschiedene Gebäude als auch Busse und Lastwagen genutzt. Als ausreichend Busse zur Verfügung standen, mit denen zuvor die Frauen, Kinder und Alten abtransportiert wurden, wurden in einem Zeitraum von einen bis drei Tagen die männlichen Bosniaken an andere Orte gebracht.
Fast alle bosniakischen Männer wurden anschließend ermordet. Die Morde fanden auf verschiedener Weise und an verschiedenen Orten statt. Es gab sowohl Einzel- als auch Gruppenexekutionen. Manche wurden direkt bei ihrer Gefangennahme oder am Ort ihrer Internierung ermordet. Die meisten männlichen Bosniaken wurden jedoch durch sorgfältig geplante und durchgeführte Massenexekutionen ermordet. Die Massenexekutionen begannen am 13.07.1995 in einer Region nördlich von Srebrenica. Eine weitere Exekutionsstätte befand sich nördlich von Bratunac. Die umfangreichsten Massenexekutionen fanden zwischen dem 14. und 17.07.1995 statt.
Der Großteil der Massenexekutionen verlief dabei nach einem einheitlichen Muster. Zunächst wurden die männlichen Bosniaken in Gebäuden und großen Fahrzeugen interniert, wobei ihnen Nahrung, Getränke und medizinische Versorgung verweigert wurden. Anschließend wurden sie mit Bussen zu den Exekutionsstätten gebracht, in der Regel abgelegene freie Plätze. Um Widerstände zu minimieren wurden ihnen die Augen verbunden und die Hände auf dem Rücken gefesselt. Als die männlichen Bosniaken die Exekutivstätten erreicht hatten, mussten sie sich aufreihen und wurden erschossen. Überlebende wurden anschließend durch weitere Schüsse ermordet. Direkt im Anschluss an die Erschießungen, manchmal schon während diese noch stattfanden, fuhr schweres Erdräumgerät zum Vergraben der Leichen auf. Die Massengräber wurden entweder direkt bei den Exekutionsstätten aufgehoben oder in ihrer Nähe.
Insgesamt 21 Massengräber konnten bis zum Jahr 2001 identifiziert werden, in denen nachweislich Opfer des Massakers von Srebrenica lagen. Davon sind 14 Massengräber sogenannte primäre Gräber, in denen die Ermordeten direkt nach der Exekution vergraben wurden. Später wurden acht von diesen Massengräbern wieder ausgehoben und die Leichen an anderer Stelle vergraben. Damit sollten die Massenmorde vertuscht werden. Sieben weitere Massengräber wurden in weiter von den Exekutionsstätten entfernten Gebieten bis zum Jahr 2001 entdeckt. Von den zirka 8000 ermordeten männlichen Bosniaken konnten mittlerweile bisher fasst 7000 namentlich zugeordnet werden.
Nach dem Massaker
Eine etwa einwöchige Untersuchung zum Fall Srebrenica durch den damaligen UN-Sonderberichterstatter Tadeusz Mazowiecki kam am 24.07.1995 zum Schluss, dass etwa 7.000 von den 40.000 Einwohnern der Region offenbar verschwunden seien. In der zweiten Juli-Hälfte 1995 kamen zunächst Gerüchte auf, wonach es in der Region Srebrenica ein Massaker gab. Der Verdacht verdichtete sich zunehmend, nachdem die wenigen erfolgreich entkommenden Bosniaken erste Zeugenaussagen machten und auch die Aussagen der dort eingesetzten UN-Blauhelme in diese Richtung wiesen. Satellitenaufnahmen von der Region Srebrenica, welche im August 1995 dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt wurden, erhärteten ebenfalls den Verdacht auf ein Massaker. In der darauffolgenden Zeit wurde es dann Gewissheit, dass ein Massaker in der Region Srebrenica stattgefunden hat, bei dem zirka 8.000 männliche Bosniaken ermordet wurden. Die serbischen Bosnier versuchten dieses Massaker allerdings weiterhin zu vertuschen. Die weitere Entwicklung im Falle des Massakers wurde zunächst einmal vom Kriegsverlauf zu Ungunsten der serbischen Bosnier und durch das formelle Ende des ethnischen Krieges im Rahmen des Friedensvertrages von Dayton überlagert.
Als am 28.08.1995 der Markale-Markt in Sarajevo von Granaten getroffen wurde und 37 Menschen dabei starben, griff die NATO ab dem 30.08.1995 verstärkt die Stellungen der serbischen Bosnier an. Bis zum 14.09.1995 wurden im Rahmen der Luftoperation, an der acht Nationen teilnahmen, über 3.500 Einsätze geflogen. Kriegsschiffe der Vereinigten Staaten von Amerika feuerten 13 Marschflugkörper ab und zerstörten das Hauptquartier der Armee der serbischen Bosnier. Die Luft- und Seeoperationen der NATO, vor allem der Beschuss von Flugabwehrstellungen und militärischer Infrastruktur, wurden im September 1995 bis zum Rückzug der serbischen Bosnier aus der Sicherheitszone um Sarajevo fortgesetzt. Gleichzeitig gingen die Armeen der bosniakischen und der kroatischen Bosnier mit Unterstützung aus der Republik Kroatien gegen die serbischen Bosnier vor. Im Oktober 1995 rückten Einheiten der Armee der Republik Bosnien und Herzegowina, des Kroatischen Verteidigungsrates und der Armee der Republik Kroatien Richtung Banja Luka, dem Zentrum der serbischen Bosnier vor. Dabei wurden große territoriale Gewinne erzielt und serbische Bosnier vertrieben. Viele serbische Bosnier flüchteten. Insgesamt muss beachtet werden, dass Vertreibungen und andere Kriegsverbrechen durch alle beteiligten Kriegsparteien durchgeführt worden sind. Unter dem Druck der Ereignisse waren Ende August 1995 nun auch die serbischen Bosnier zu Verhandlungen über das Ende des Krieges und der Zukunft von Bosnien und Herzegowina bereit.
Erste Gespräche zur Beendigung des Krieges und über die Zukunft von Bosnien und Herzegowina fanden bereits im September und Oktober 1995 statt. Diese Gespräche dienten als Vorbereitung für die entscheidenden Friedensverhandlungen, welche zwischen dem 01.11. und dem 21.11.1995 auf der US-Luftwaffenbasis Wright-Patterson bei Dayton (Bundesstaat Ohio) stattfanden. Dabei kamen erstmals seit Beginn des Krieges die damaligen Präsidenten von Bosnien und Herzegowina (Alija Izetbegović), Kroatien (Franjo Tuđman) und Serbien (Slobodan Milošević) zusammen. Zunächst einigten sich die Präsidenten Kroatiens und Serbiens in der Nacht vom 01.11. auf den 02.11.1995 darauf, den kroatisch-serbischen Konflikt in der Republik Kroatien mit friedlichen Mitteln zu lösen. Anschließend verhandelten die drei Präsidenten drei Wochen lang über eine Friedenslösung für Bosnien und Herzegowina und die zukünftige staatsrechtliche Struktur von Bosnien und Herzegowina. Am 21.11.1995 paraphierten sie in Dayton die erreichte Vereinbarung über Bosnien und Herzegowina.
Am 14.12.1995 wurde das Friedensabkommen für Bosnien und Herzegowina in Paris feierlich von den Präsidenten von Bosnien und Herzegowina (Alija Izetbegović), der Republik Kroatien (Franjo Tuđman) und der Republik Serbien (Slobodan Milošević) unterzeichnet. Neben dem US-Präsidenten Bill Clinton und dem französischen Präsidenten Jacques Chirac waren noch ein Dutzend anderer Staats- und Regierungschefs anwesend. Der Vertrag von Dayton beendete einen furchtbaren Krieg und bildet bis heute die Grundlage für Bosnien und Herzegowina. Mit dem Ende des ethnischen Krieges wurde auch die Aufarbeitung des Massakers von Srebrenica möglich.
Die Aufarbeitung des Massakers
Die Einnahme der UN-Schutzzone Srebrenica und das Massaker wurden auf der ganzen Welt verurteilt. Besonders frühe und deutliche Kritik kam zunächst von den muslimischen Staaten. Dort wurde bereits von einem möglichen Völkermord gesprochen. Diese Auffassung wurde sehr bald durch Untersuchungen bestätigt und zur Gewissheit. Schon sehr bald verurteilte die Staatengemeinschaft das Massaker von Srebrenica, kritisierte die Fehlleistungen der UN und verlangte eine Aufarbeitung der Vorkommnisse.
Nach dem Friedensabkommen von Dayton konnte im April 1996 erstmals eine Ermittlungskommission des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien vor Ort Untersuchungen durchführen. Im Juli 1996 wurde das erste Massengrab geöffnet. Aufgrund der Vielzahl der ermordeten Bosniaken dauern die forensischen Untersuchungen an, doch konnten bisher rund 7.000 der etwa 8.000 Ermordeten namentlich identifiziert werden. Am 15.11.1999 legte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan einen UN-Bericht zum Fall der UN-Schutzzone Srebrenica vor, in dem die Fehlleistungen der UN-Institutionen deutlich kritisiert wurden.
International umstritten blieb das Verhalten der UN-Blauhelme während der Einnahme der UN-Schutzzone Srebrenica und danach. Sämtliche Beobachtungsposten der UN-Blauhelme fielen widerstandslos an die serbischen Bosnier. Gegen die einrückenden Einheiten der serbisch-bosnischen Armee und der mit ihr verbundenen Paramilitärs wurden von Seiten der UN-Blauhelme keine militärischen Gegenmaßnahmen ergriffen. So wurden die vorhandenen Schusswaffen, gepanzerten Fahrzeuge und Panzerabwehrwaffen nicht eingesetzt. Kritiker werfen den UN-Blauhelmen vor, sie hätten die Maßnahmen der serbischen Bosnier mitbekommen und daher Beihilfe zum Völkermord geleistet. Andere betonen wiederum, dass die UN-Blauhelme von den Massakern nichts mitbekommen hätten und nichts gegen die Übermacht der serbischen Bosnier hätten unternehmen können. Des Weiteren seien die UN-Blauhelme trotz der Anforderung von militärischer Unterstützung sowohl von der UN als auch von der NATO im Stich gelassen worden.
Im Ergebnis war die Lage für die UN-Blauhelme vor Ort ohne zusätzliche Unterstützung von außen sehr ernst und ihr tatsächlicher Handlungsspielraum bleibt umstritten. Aufgrund der Immunität der UN-Blauhelme im Rahmen von UN-Missionen wurden die Klagen der Hinterbliebenen gegen die UN zurückgewiesen. In einigen Fällen sahen jedoch niederländische Gerichte eine Mitverantwortung des niederländischen Staates für das Verhalten ihrer UN-Blauhelme. In diesem Fällen sei das Fehlverhalten von einzelnen Funktionsträgern der niederländischen UN-Blauhelme mitverantwortlich für die Ermordung von einzelnen Bosniaken gewesen, so dass zivilrechtliche Ansprüche gegenüber den Niederlanden begründet wurden. Die niederländische Regierung unter Wim Kok übernahm am 16.04.2002 eine politisch-symbolische Verantwortung und trat zurück.
Die serbischen Bosnier und die Republika Srpska verleugneten lange Zeit, dass überhaupt ein Massaker bzw. ein Völkermord stattfand. Die Untersuchungen des Massakers wurden teilweise von serbisch-bosnischer Seite boykottiert oder behindert. Erst im Juni 2004 räumten Vertreter der Republika Srpska die Verantwortung der serbisch-bosnischen Armee für das Massaker in Srebrenica ein. Im November 2004 erfolgte dann eine offizielle Entschuldigung der Regierung der Republika Srpska bei den Hinterbliebenen. Langsam stieg auch die Bereitschaft der serbischen Bosnier, das Massaker von Srebrenica aufzuarbeiten und mit den internationalen Institutionen zur Aufklärung des Verbrechens zusammenzuarbeiten.
In der Republik Serbien fand ein Umdenken in der Bevölkerung und der Politik statt, als erstmals Bilder von den Erschießungen der Bosniaken während des Massakers im serbischen Fernsehen gezeigt wurden. Ende März 2010 entschuldigte sich das Parlament der Republik Serbien für das Massaker von Srebrenica, vermied jedoch dabei das Wort Völkermord. Der serbische Staatspräsident Tomislav Nikolić entschuldigte sich im April 2013 für dieses Verbrechen und vermied ebenfalls das Wort Völkermord. Mittlerweile erfolgt auch in Serbien eine politische und juristische Aufarbeitung des Massakers. Geleugnet wird es heute nur noch von wenigen Serben, auch wenn sich einige mit der Klassifizierung des Verbrechens als Völkermord noch schwertun.
Die juristische Aufarbeitung des Massakers
Der „Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien“ („International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia”, kurz: „ICTY“) erhob am 18.11.1995 wegen der Verbrechen in Srebrenica Anklage gegen den damaligen Präsidenten der Republika Srpska Radovan Karadžić und den Kommandeur der serbisch-bosnischen Armee Ratko Mladić. Beide tauchten zunächst jahrelang erfolgreich unter, wobei sie sowohl von der serbisch-bosnischen Bevölkerung als auch von den Institutionen der Republika Srpska und der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) bzw. Republik Serbien unterstützt worden sein dürften. Erst als langsam ein Umdenken in der serbischen Bevölkerung und bei serbischen Politikern sowie ein demokratischer Wechsel in der Republik Serbien stattfanden, stieg auch die Wahrscheinlichkeit für die Verhaftung der mutmaßlichen Kriegsverbrecher Karadžić und Mladić. Im Juli 2008 wurden zunächst Radovan Karadžić und dann im Mai 2011 Ratko Mladić jeweils in der Republik Serbien verhaftet und an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert. Gegen die beiden Hauptangeklagten wurde ein langjähriges Verfahren vor dem ICTY durchgeführt. Am 24.03.2016 sprach der ICTY Radovan Karadžić wegen der Belagerung Sarajevos, Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Teilen Bosnien und Herzegowinas und für den Völkermord in Srebrenica mit 8000 Toten für schuldig und verurteilte ihn zu insgesamt 40 Jahren Haft. In einem Berufungsverfahren vor dem „Internationalen Strafgerichtshof“ wurde Radovan Karadžić dann am 20.03.2019 zu lebenslanger Haft verurteilt. Ratko Mladić wurde bereits am 22.11.2017 wegen Völkermord und anderer schwerer Verbrechen für schuldig befunden und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Eine Reihe weiterer Personen wurden wegen den Verbrechen in der UN-Schutzzone Srebrenica vor dem ICTY angeklagt und verurteilt. So sind zum Beispiel in den Fällen von Ljubiša Beara, Vidoje Blagojević, Dražen Erdemović, Dragan Jokić, Radislav Krstić, Dragan Obrenović, Vujadin Popović und Zdravko Tolimir die Verfahren durchgeführt worden und die Urteile ergangen. Unter anderem sind Beara, Blagojević, Jokić, Krstić, Popović und Tolimir wegen Völkermordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden. Drago Nikolić, erhielt wegen Beihilfe zum Völkermord eine Freiheitsstrafe von 35 Jahren. Vier weitere Personen wurden vom ICTY zu Freiheitsstrafen zwischen 5 und 19 Jahren verurteilt. Wegen des Völkermordes in Srebrenica wurden 47 Personen zu insgesamt 704 Jahren Haft verurteilt.
Noch vor dem Massaker von Srebrenica, im Jahre 1993, reichte Bosnien und Herzegowina vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag Klage gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) ein. Nach Auffassung von Bosnien und Herzegowina sei die Bundesrepublik Jugoslawien bzw. die Republik Serbien für den Völkermord in Bosnien und Herzegowina verantwortlich und müsse daher Entschädigungszahlungen leisten. Im Jahre 1996 erklärte der IGH die Klage für zulässig. Im Februar 2003 wurde aus der Bundesrepublik Jugoslawien zunächst der Staatenbund Serbien und Montenegro, aus dem im Juni 2006 die zwei unabhängigen Staaten Serbien und Montenegro hervorgingen. Rechtsnachfolgerin der Bundesrepublik Jugoslawien bzw. des Staatenbundes Serbien und Montenegro ist die Republik Serbien. Somit erging das Urteil Ende Februar 2007 gegenüber der Republik Serbien. In seinem Urteil konnte der IGH keine direkte Verantwortung der Republik Serbien für die Kriegsverbrechen in Bosnien und Herzegowina feststellen und wies damit die Forderung von Bosnien und Herzegowina nach Entschädigungszahlungen zurück. Das Massaker von Srebrenica bewertete die IGH ebenfalls, wie der ICTY, als Völkermord. Allerdings gab der IGH der Republik Serbien eine indirekte Verantwortung für die Kriegsverbrechen in Bosnien und Herzegowina. Die damalige Bundesrepublik Jugoslawien bzw. die Republik Serbien habe nicht alle Möglichkeiten genutzt, die Kriegsverbrechen in Bosnien und Herzegowina zu unterbinden.
Die Klagen der Hinterbliebenen des Massakers gegen die UN und die Niederlande, welche die für die UN-Schutzzone Srebrenica verantwortlichen UN-Blauhelme stellte, blieben grundsätzlich erfolglos. Die UN-Blauhelme genießen im Rahmen ihrer UN-Mission nach dem geltenden Völkerrecht Immunität. Somit können grundsätzlich weder die UN noch die Niederlande vor Gericht für Fehler bei der UN-Mission zur Verantwortung gezogen werden. Nach Auffassung der Hinterbliebenen des Massakers haben die UN und die für Srebrenica verantwortlichen UN-Blauhelme keine ausreichenden Maßnahmen zum Schutz der Menschen in der UN-Schutzzone Srebrenica ergriffen. Nur in Einzelfällen waren zivilrechtliche Klagen der Hinterbliebenen gegen das Königreich Niederlande vor niederländischen Gerichten erfolgreich.
Schlusswort
Die Aufarbeitung des Massakers von Srebrenica ist auch nach 25 Jahren noch nicht abgeschlossen und wird wohl noch viele Jahre in Anspruch nehmen. Dies gilt sowohl für die politische als auch für die juristische Aufarbeitung. Doch zweifellos steht fest: Das Massaker von Srebrenica hat stattgefunden und war Völkermord. Es war überdies das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Zirka 8.000 Menschen sind ermordet worden. Dieser Völkermord ist ein Mahnmal gegen jede Form von Gewalt im Krieg und gegen den Krieg selbst. Er belastet noch heute das Zusammenleben der bosniakischen, kroatischen und serbischen Bosnier in Bosnien und Herzegowina, deren Streitigkeiten heute nicht mehr kriegerisch, sondern in den Institutionen des Staates Bosnien und Herzegowina ausgetragen werden. Doch auch diese Streitigkeiten belasten das Zusammenleben der Ethnien in Bosnien und Herzegowina und verhindern eine prosperierende Zukunft zum Wohle alle Bosnier, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Ein Massaker wie in Srebrenica darf sich niemals wiederholen und darf niemals wieder möglich werden – weder in Bosnien und Herzegowina noch an einem anderen Ort.