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Der Bürgerkrieg in Griechenland (1946 – 1949) und die makedonische Frage

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Zwischen März 1946 und Oktober 1949 herrschte Bürgerkrieg in Griechenland. Die Konfliktparteien waren die linke Volksfront und ihrer „Demokratischer Armee Griechenlands“ („DSE“) auf der einen und die konservative Regierung der griechischen Monarchie auf der anderen Seite. Logistische Unterstützung bekam die DSE von der „Sozialtischen Volksrepublik Albanien“ und der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“. Die konservative griechische Regierung wurde zunächst vom Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, anschließend von den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) im Rahmen ihrer Truman-Doktrin unterstützt. Mit der Truman-Doktrin standen die USA nach ihrem Selbstverständnis freien Völkern bei, die sich einer angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzten. Im Ergebnis sollte mit Hilfe dieser außenpolitischen Doktrin der Kommunismus in der Welt eingedämmt werden. Der griechische Bürgerkrieg war die Fortsetzung eines Konfliktes zwischen der griechischen Volksfront (sogenannten „Linken“) und den griechischen Konservativen und Monarchisten (sogenannten „Rechten“), welcher bereits seit 1943 schwelte. Dieser Konflikt überlagerte auch den griechischen Widerstand gegen die Besetzung Griechenlands durch die deutsche Wehrmacht (1941 – 1944). Ein Aspekt in diesem Bürgerkrieg, der seinen Schwerpunkt in der griechischen Region Makedonien hatte, war auch die sogenannte makedonische Frage. Gerade dieser Aspekt sollte dann im späteren und bisher ungelösten Namensstreit zwischen Griechenland und der Republik Makedonien eine Rolle spielen.

Der griechische Bürgerkrieg

Guerilla-Kämpfer der ELAS (Quelle: Wikimedia.org)

Der griechische Bürgerkrieg hatte zwischen 1943 und 1949 drei Phasen. In der ersten Phase kam es von 1943 bis Oktober 1944, während der bulgarisch-deutsch-italienischen Besetzung Griechenlands, zu Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Widerstandsgruppen. Nach der Befreiung Griechenlands im Oktober 1944 setzten sich die Auseinandersetzungen zwischen der linken Widerstandsorganisation „Nationale Befreiungsfront“ („EAM“) und ihrer bewaffneten Armee „Nationale Befreiungsarmee“ („ELAS“) auf der einen und der griechischen Regierung unter Ministerpräsident Georgios Papandreou und Armeeeinheiten des Vereinten Königreiches auf der anderen Seite fort. In diesem Fall wird von der zweiten Phase des griechischen Bürgerkrieges gesprochen. Hintergrund war ein Streit über die Entwaffnung der griechischen Widerstandsgruppen.  Am 03.12.1944 organisierte die linke Widerstandsorganisation EAM Massendemonstrationen, die zu blutigen Auseinandersetzungen führten. Die bewaffneten Auseinandersetzungen hatten ihre Schwerpunkte in Athen, Piräus und in der Umgebung dieser Städte. Ein massives Eingreifen der britischen Armee führte letztendlich dazu, dass die EAM aufgab und die Kämpfe am 11.01.1945 eingestellt wurden. Nach dem Waffenstillstand wurde zwischen den Konfliktparteien am 12.02.1945 das Abkommen von Varkiza geschlossen. Dieses sah Amnestie für politische Gefangene und Straftaten sowie das Abhalten von freien Wahlen in Griechenland vor.

Am 31.03.1946 fanden in Griechenland Parlamentswahlen statt. Die „Linken“ boykottierten diese Wahlen, da es nach ihrer Auffassung keine freien Wahlen waren. Bei einer Teilnahme an der Wahl hätten die Linken voraussichtlich etwa ein Drittel der Parlamentssitze errungen, womit sich die Nichteilnahme an dieser Wahl als ein schwerer Fehler erwies. Eine Volksabstimmung am 01.09.1946 über die Staatsform Griechenlands, entweder „konstitutionelle Monarchie“ oder „Republik“, ergab eine Mehrheit von rund 70 Prozent für die Einführung der Monarchie. Allerdings war diese Volksabstimmung manipuliert und ermöglichte die Rückkehr von König Georg II. nach Athen. Bereits im Vorfeld der Abstimmung hatten die Person des Königs und seine Machtbesessenheit die griechische Gesellschaft stark polarisiert.

Vor diesem Hintergrund begann die dritte Phase des griechischen Bürgerkrieges im März 1946 mit dem Angriff einer linken Partisanengruppe auf eine Polizeistation in Nordgriechenland. Diese Phase gilt oft auch als der eigentliche Bürgerkrieg in Griechenland. Konfliktparteien waren die Kommunistische Partei Griechenlands (KPG bzw. KKE) und die Anhänger der griechischen Monarchie. Die griechische Monarchie und ihre konservative Regierung galten im Westen als die legitime Regierung Griechenlands. Die griechischen Kommunisten wurden hauptsächlich von der Sozialistischen Volksrepublik Albanien und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien unterstützt.

Nikos Zachariadis (Quelle: Wikimedia.org)

Vorsitzender der KPG war zu dieser Zeit Nikolaos Zachariadis, der in Adrianopel (heute Edirne / Türkei) geboren wurde und als junger Mann nach Griechenland kam. Später wurde er in der Sowjetunion ideologisch geschult, kehrte nach Griechenland zurück und wurde Generalsekretär der KPG. Unter der Diktatur von Ioannis Metaxas von 1936 bis 1941 waren die KPG und ihre Anhängerschaft massiven Repressionen und Verfolgungen ausgesetzt. So saß Zachariadis während dieser Zeit im Gefängnis. Nach der Besetzung Griechenlands durch die Deutschen im April 1941 kam er in das Konzentrationslager Dachau und war dort während der ganzen Besatzungszeit interniert. Erst nach der Befreiung Griechenlands im Oktober 1944 konnte er wieder zurückkehren und übernahm wieder den Vorsitz der KPG.

Im Norden Griechenlands gelang es den kommunistisch-griechischen Partisanen, die im Rahmen der „Demokratischen Armee Griechenlands“ („DSE“) kämpften, nicht unbeträchtliche Gebiete unter ihrer Kontrolle zu bringen. Allerdings konnten sie keine Städte und weitere Gebiete in Griechenland einnehmen. Im Gegensatz zu den kommunistischen Bewegungen in den griechischen Nachbarstaaten Albanien, Bulgarien und Jugoslawien konnte die KPG in Griechenland nie die Oberhand gewinnen. Schon aus außenpolitischen Gründen war die Ausgangslage für die KPG schwierig, da Griechenland zur westlichen Einflusszone gehörte. Die Sowjetunion konnte daher nicht wie in den Staaten des Ostblocks agieren und die kommunistische Bewegung in Griechenland uneingeschränkt unterstützten. Waffen bekamen die griechischen Partisanen hauptsächlich aus der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien, wobei auf zurückgelassene Waffenbestände der deutschen Wehrmacht zurückgegriffen wurde. Allerdings kam es auch innerhalb der KPG zu massiven Fehlentscheiden. So entließ Zachariadis erfahrende Kämpfer aus der Zeit des Widerstandes gegen die deutsche Besatzung und ersetzte sie durch Politkommissare. Statt auf eine Guerillataktik setzte Zachariadis auf frontale Angriffe mit den Einheiten seiner Armee. Diese war der royalistisch-griechischen Armee jedoch materiell und personell unterlegen.

Im Jahre 1947 zog sich das Vereinigte Königreich aufgrund fehlender Finanzmittel aus Griechenland zurück und die USA übernahmen die Nachfolge als Schutzmacht in Griechenland. Im Rahmen der Truman-Doktrin der USA von 1947 sollte das nach ihrem Selbstverständnis vom Kommunismus bedrohte Griechenland unterstützt und die Ausbreitung dieser Ideologie zurückgedrängt werden. Die USA nahmen nicht aktiv an den Kampfhandlungen teil, sondern schickten Kriegsmaterial und Militärberater nach Griechenland.

Als entscheidender Faktor im griechischen Bürgerkrieg sollte sich im Ergebnis das Zerwürfnis zwischen Stalin und Tito im Sommer 1948 erweisen, in Folge dessen die Kommunistische Partei Jugoslawiens (KPJ) am 28.06.1948 aus dem Komintern ausgeschlossen wurde. Die KPG bestand einerseits überwiegend aus Anhängern Stalins und war andererseits auf die Unterstützung aus Jugoslawien unter Tito angewiesen. Im Verhältnis zur Föderativen Volksrepublik Jugoslawien bzw. Volksrepublik Makedonien war auch die Thematisierung der makedonischen Frage ein Problem für die KPG. Letztendlich geriet Zachariadis zwischen die Fronten und versuchte erfolglos zu lavieren. Im Sommer 1949 ließ Tito die Grenze zwischen Griechenland und Jugoslawien schließen. Damit verloren die kommunistischen Partisanen Griechenlands ihren Nachschub aus und ihrer Rückzugsmöglichkeiten nach Jugoslawien. Bei einem Generalangriff der royalistisch-griechischen Armee im August 1949 wurden die Partisanen vernichtend geschlagen. In Folge der Niederlage flohen etwa 100.000 Partisanenkämpfer mit ihren Familien nach Albanien, Jugoslawien und in andere Staaten mit kommunistischer bzw. sozialistischer Herrschaftsform. Das Zentralkomitee der KPG beschloss daraufhin am 09.10.1949 die vorübergehende Einstellung der Kampfhandlungen, welche sich im Nachhinein als endgültig erwies. Am 16.10.1949 gab dann der Partisanensender „Radio Freies Griechenland“ das Ende der Kampfhandlungen bekannt.

Die kommunistisch-jugoslawische Volksbefreiungskampf und Griechenland (1941 – 1944)

Im Rahmen des kommunistisch-jugoslawischen Volksbefreiungskampfes von 1941 bis 1944 kam es auch zur Kontaktaufnahme mit der kommunistisch-griechischen „Nationalen Befreiungsfront“ („EAM“). Ziel war eine Kooperation im Kampf gegen die Besatzer und eine Etablierung des kommunistischen Herrschaftssystems auf dem ganzen Balkan. Doch auch die makedonische Frage spielte eine Rolle.

Im jugoslawischen Teil von Makedonien kam der Volksbefreiungskampf zunächst nicht in Gang, da die bulgarische Besatzung von der makedonischen Bevölkerung anfangs als Befreiung von der serbischen Herrschaft angesehen wurde und das kommunistisch-makedonische Regionalkomitee unter der Kontrolle der bulgarischen KP stand. Ende 1942 machte der kommunistisch-jugoslawische Partisanenführer Josip Broz Tito einen Versuch den Volksbefreiungskampf in Makedonien zu etablieren, in dem er Svetozar Vukanović, in Partisanenkreisen „Tempo“ genannt, nach Makedonien schickte. Aufgrund der damaligen deutschen und bulgarischen Besatzung benötigte „Tempo“ aus Sicherheitsgründen etwa drei Monate für seine Reise nach Makedonien und traf im Februar 1943 im makedonischen Skopje ein. Als Mitglied des obersten militärischen und politischen Stabes der kommunistisch-jugoslawischen Partisanen sollte Vukanović den Partisanenkrieg in Makedonien in Gang bringen, das kommunistisch-makedonische Regionalkomitee aus der Herrschaft der bulgarischen KP befreien und der jugoslawischen KP unterstellen. Die Mission von Vukanović im jugoslawischen Teil von Makedonien war ein Erfolg. Das kommunistisch-makedonische Regionalkomitee wurde wieder der jugoslawischen KP unterstellt und der Volksbefreiungskampf im jugoslawischen Teil von Makedonien etabliert. Mitentscheidend dafür war auch die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als eigenständige jugoslawische Ethnie bzw. Nation und die geplante bzw. später realisierte Schaffung eines makedonischen Staatswesens. Der Volksbefreiungskampf im jugoslawischen Teil von Makedonien war Ende 1944 erfolgreich. Dazu mehr in dem Artikel „Der kommunistisch-jugoslawische Volksbefreiungskampf in Makedonien (1941 – 1944)“.

Svetozar Vukanović hatte auch den Auftrag Verbindung mit den albanischen und griechischen kommunistischen Partisanen aufzunehmen. Allerdings kam er vor Ort in Griechenland nur mit kommunistisch-griechischen Partisanen in Verbindung, die in der Parteihierarchie keine hohen Ränge inne hatten. Die Parteiführung war in Athen geblieben. Im Gegensatz zum kommunistisch-jugoslawischen Volksbefreiungskampf ging es beim kommunistisch-griechischen Volksbefreiungskampf in erster Linie um die Befreiung von den Besatzern und weniger um die unverzügliche Etablierung einer kommunistischen Ordnung. Auch war die kommunistisch-griechische Partisanenbewegung in Sachen Erfolg und Umfang nicht mit der kommunistisch-jugoslawischen vergleichbar.  Vukanović schlug den griechischen Kommunisten die Schaffung eines „Balkanstabes“ zur Koordinierung des Befreiungskampfes vor. Dieser Balkanstab wurde sowohl von den griechischen als auch von den jugoslawischen Kommunisten abgelehnt. Die griechische Seite lehnte die Schaffung einer „Balkan-Internationalen“ ab, während die jugoslawische Seite dahinter den Versuch des britischen Geheimdienstes sah, über einen Balkanstab die Ziele der Partisanenbewegung zu unterlaufen.

Im Ergebnis war der Versuch zu einer umfangreichen Kooperation zwischen der kommunistisch-jugoslawischen und der kommunistisch-griechischen Partisanenbewegung zu kommen nicht erfolgreich. In dieser Hinsicht ist die Mission von Svetozar Vukanović gescheitert. Insgesamt war das Verhältnis zwischen den griechischen Kommunisten, die überwiegend Anhänger Stalins waren und den jugoslawischen Kommunisten nicht sehr gut. Allerdings waren die griechischen Kommunisten damit einverstanden, dass kommunistisch-jugoslawisch Partisaneneinheiten auf  griechisches Gebiet übergingen, um die ethnischen bzw. slawischen Makedonier für einen Kampf im Rahmen der EAM bzw. ELAS zu gewinnen.

Griechenland und die makedonische Frage während des Befreiungskampfes (1941 – 1944)

Die makedonische Frage wurde von Svetozar Vukanović bei seinen Gesprächen mit den griechischen Kommunisten ausführlich thematisiert. Griechenland sollte nach Vorschlag von Svetozar Vukanović  seinen Völkern ermöglichen, nach Vorbild des kommunistisch-jugoslawischen Volksbefreiungskampfes, nationale Einheiten zu schaffen. Diese Einheiten sollten mit ihrer jeweiligen nationalen Fahne mit dem fünfzackigen Stern als Symbol des gemeinsamen Kampfes im Rahmen der kommunistisch-griechischen Partisanenbewegung operieren. In den nationalen Einheiten und befreiten Gebieten sollte demnach die jeweilige Sprache der Volksgruppe anerkannt und sie ihrem Anteil gemäß in den Organen der vorgesehenen kommunistischen Ordnung vertreten sein. Nach der von Vukanović vertretenen Auffassung würden die Besatzer die makedonische Frage für ihre Zwecke ausnutzen, in dem sie der makedonischen Bevölkerung die Vereinigung in einem Staat versprächen und so für einen Kampf gegen die kommunistischen Partisanen gewinnen wollten. Eine Revision der bestehenden staatlichen Grenzen oder eine mögliche Vereinigung der makedonischen Bevölkerung in einem Staat nach kommunistischem Modell sprach Svetozar Vukanović bei den griechischen Kommunisten allerdings nicht an. Bei einem Sieg der kommunistischen Befreiungsbewegung hätte sich nach seiner Auffassung die Frage von staatlichen Grenzen nicht mehr gestellt.

Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand kam es zwischen der griechischen und der jugoslawischen KP zu keiner Übereinkunft über Makedonien oder über eine Autonomie der makedonischen Bevölkerung in Nordgriechenland. Die griechischen Kommunisten lehnten ein Selbstbestimmungsrecht für die ethnischen bzw. slawischen Makedonier in Griechenland klar ab. Sie hätten anderenfalls auch sehr viel Sympathie für ihre Bewegung in der eigenen Bevölkerung verspielt. Allerdings würden die ethnischen bzw. slawischen Makedonier frei und sicher vor jeder nationalen Unterdrückung sein.

SNOF-Mitglieder bei einer Konferenz im Dorf Dmbeni (April 1944) Quelle: Wikimedia.org

Mit einem Vorschlag war Svetozar Vukanović jedoch erfolgreich. In den ethnisch- bzw. slawisch-makedonisch besiedelten Gebieten wurde die „Slawisch-Makedonische Nationale Befreiungsfront“ („Slavjano-Makedonski Narodno Osloboditelen Front“, kurz: „SNOF“) geschaffen, deren Einheiten im Rahmen der kommunistisch-griechischen „Nationalen Befreiungsarmee“ („ELAS“) operierten. Gegenstand von historischer Forschung wird sein müssen, inwieweit ethnische bzw. slawische Makedonier aus Bulgarien oder Jugoslawien Einfluss auf die Führung der SNOF hatten. Dies ist derzeit noch ungeklärt. An der Spitze der SNOF stand mit Gocev jedenfalls ein ethnische bzw. slawischer Makedonier, der aus der griechischen Region Makedonien zu stammen schien.  Allerdings versuchten die jugoslawischen Kommunisten über die SNOF Einfluss auf die ELAS zu nehmen, was das ohnehin nicht sehr gute Verhältnis mit den griechischen Kommunisten weiter verschlechterten. Des Weiteren kam es zu direkten Kontakten zwischen den jugoslawischen Kommunisten und den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern in Griechenland. Nach dem Abzug der Deutschen aus Griechenland im Herbst 1944 rief Gocev die Selbständigkeit von Westmakedonien aus, was von der griechischen KP jedoch widerrufen wurde. Daraufhin zog sich Gocev mit seinen Leuten nach Jugoslawien zurück. Im Gegensatz zum erfolgreichen kommunistisch-jugoslawischen Volksbefreiungskampf konnte sich die kommunistisch-griechische Bewegung nach der Befreiung Griechenlands nicht durchsetzen und die Macht ergreifen.

Die jugoslawischen Kommunisten unter Führung von Tito hielten grundsätzlich an ihrer Haltung zur makedonischen Frage fest. Dazu gehörte nach ihrer Auffassung auch das Recht des makedonischen Volkes sich zu vereinigen, was im Ergebnis auch die Vereinigung der makedonischen Gebiete außerhalb Jugoslawiens in einem Staat und die Revision von internationalen Grenzen bedeutet hätte. Allerdings waren die jugoslawischen Kommunisten schon aus außenpolitischen Gründen sehr viel zurückhaltender in der Frage als die kommunistisch-makedonische Parteiorganisation. Tito dürfte daher der kommunistisch-makedonischen Führung in dieser Frage Grenzen gesetzt und ein allzu forsches Vorgehen gegenüber Griechenland verhindert haben.

Der griechische Bürgerkrieg und die makedonische Frage (1946 – 1949)

Markos Vafiadis (Quelle: Wikimedia.org)

Während des griechischen Bürgerkrieges von 1946 bis 1949 kam es erneut zu einer Kooperation zwischen den griechischen und den jugoslawischen Kommunisten. Anführer des kommunistischen Aufstandes in Griechenland war Markos Vafiadis, genannt „General Markos“. Dieser galt als pro-jugoslawisch und war ein Grieche aus Kleinasien. Unter seiner Führung wurde am 24.12.1947 die „Provisorische demokratische Regierung“ proklamiert. Im Falle der nun mehr „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ und der „Volksrepublik Makedonien“ als eines ihrer Gliedstaaten war die kommunistische Machtergreifung im Rahmen des Volksbefreiungskampfes und die Festigung ihrer Macht nach diesem Kampf erfolgreich. Den Schwerpunkt hatte der griechische Bürgerkrieg zwischen den griechischen Kommunisten und der konservativ-royalistischen griechischen Regierung in Nordgriechenland bzw. der griechischen Region Makedonien, also in geografischer Nähe zu Jugoslawien. Aus diesen Gründen war Jugoslawien für die griechischen Kommunisten ein strategisch wichtiger Partner, obwohl diese dem sowjetischen Kommunismus unter Stalin näher standen. Den Höhepunkt erreichte der griechische Bürgerkrieg um die Jahreswende 1947/48, danach zeichnete sich aufgrund der Entwicklung zwischen Jugoslawien und der Sowjetunion bereits der Niedergang des kommunistischen Aufstandes ab.

Die makedonische Frage wurde in diesem Bürgerkrieg ebenfalls thematisiert. So wurde unter anderem die SNOF unter der Bezeichnung „NOF“ („Narodno Osloboditelen Front“) wiederbelebt und auch Gocev schien wieder in der griechischen Region Makedonien aufzutauchen. Der kommunistisch-griechische Sender „Freies Griechenland“ hatte seinen Sitz sogar in der jugoslawischen Volksrepublik Makedonien. Im Ergebnis führte dies zu einem starken Einfluss der jugoslawischen Kommunisten auf die kommunistisch-griechische Bürgerkriegspartei. Im Nachhinein förderte das die verbreitete Wahrnehmung in Griechenland, wonach es im griechischen Bürgerkrieg auch um die Bekämpfung von slawischen Einfällen nach Griechenland ging und so der Bürgerkrieg eine internationale Komponente bekam. Zwischen Bulgarien und Jugoslawien gab es zwischen August 1947 und Juni 1948 zunächst eine Übereinkunft über den bulgarischen und jugoslawischen Teil von Makedonien. Im Rahmen einer Föderation zwischen Bulgarien und Jugoslawien sollten beide Teile Makedoniens im Rahmen der Volksrepublik Makedonien vereint werden. Bis zur Gründung dieser Föderation bekamen die ethnischen bzw. slawischen Makedonier im bulgarischen Teil von Makedonien eine kulturelle Autonomie zugestanden. Auch wenn es keine Hinweise auf eine konkrete Einbeziehung des griechischen Teils von Makedonien in diese Föderation gibt, so war dennoch klar das ein solches Modell die Unterstützung der jugoslawischen und der makedonischen Kommunisten hatte. Der Bruch zwischen Stalin und Tito im Juni 1948 machte das Projekt einer bulgarisch-jugoslawischen Föderation mit einem vereinten Makedonien als Bestandteil obsolet. Die kulturelle Autonomie der ethnischen bzw. slawischen Makedonier in Bulgarien wurde wieder zurückgenommen.

Nach dem Bruch zwischen Stalin und Tito kam es zu einem Machtkampf innerhalb der griechischen KP um ihre politische Ausrichtung. Einerseits bestand eine große Abhängigkeit von Jugoslawien, andererseits bestand eine viel größere Affinität zur sowjetischen Ideologie des Kommunismus. Ende Januar 1949 war der Machtkampf zugunsten der sowjetischen Ideologie entschieden. Die kommunistischen Parteien des Ostblocks hatten sich ohnehin schon auf Seiten der Sowjetunion gestellt. Am 30. und 31.01.1949 tagte das fünfte Plenum des Zentralkomitees der KPG und traf folgenreiche Entscheidungen. Der pro-jugoslawische General Markos wurde aller Parteiarbeit enthoben und musste als Chef der Provisorischen Demokratischen Regierung Griechenlands zurücktreten. Direkt nach dem Ende dieses Machtkampfes bezog die griechische KP auch zur makedonischen Frage Stellung. Dem makedonischen Volk wurde in dieser Stellungnahme zugesagt, dass es nach der Befreiung seine nationale Restauration erhalten würde, sofern es dies wünschen würde. Weiter wurde ausgeführt, dass die Einheit zwischen dem slawo-makedonischen und dem griechischen Volk erhalten bleiben, sorgfältig gehütet und ständig gestärkt werden müsste, obwohl verschiedene Elemente diese Einheit zerstören wollten.

Konkret wurden unter anderem in der Stellungnahme vom fünften Plenum des ZK der KPG zur makedonischen Frage ausgeführt: „In Nordgriechenland hat das makedonische Volk bis jetzt sein Bestmögliches zum Kampf beigetragen und kämpft mit grenzenloser und bewundernswerter Tapferkeit und Selbstaufopferung weiter. Zweifellos kann nur die nationale Rekonstitutierung des makedonischen Volkes die Konsequenz des Sieges der DSE und der Volksrevolution sein, für die es bis heute sein Blut vergießt. Dies entspricht auch seinen eigenen Wünschen“. Was konkret mit nationaler Restauration gemeint war, wurde in der Stellungnahme nicht ausgeführt. Jedoch verstanden alle am Bürgerkrieg beteiligten Akteure entweder die Abspaltung und Unabhängigkeit oder zumindest die Autonomie der griechischen Region Makedonien darunter. Dies wurde in der griechischen Bevölkerung und bei den Gegnern des Kommunismus überwiegend als Verrat aufgefasst. Selbst bei den griechischen Kommunisten war eine mögliche Autonomie oder Abspaltung der griechischen Region Makedonien sehr umstritten.

Die NOF kündigte etwa im selben Zeitraum an, dass sie ein vereinigtes, demokratisches und gleichberechtigtes Makedonien innerhalb einer volksdemokratischen Union der Balkanvölker proklamieren wolle. Auf einer für den März 1949 vorgesehenen zweiten Konferenz der NOF wurden die ethnischen bzw. slawischen Makedonier in Griechenland dazu aufgerufen, sich am Kampf gegen die konservativ-royalistische griechische Regierung und ihre US-amerikanischen Unterstützer zu beteiligen. Diese Beteiligung sollte mit dem Ziel erfolgen, das makedonische Volk zu befreien und für eine Volksdemokratie Makedonien zu kämpfen.

Makedonische NOF-Mitglieder (Quelle: Wikimedia.org)

In Jugoslawien wurde die Erklärung der NOF auf die bulgarische KP zurückgeführt, die ein von Jugoslawien unabhängiges Makedonien unter bulgarischer Kontrolle schaffen wolle. Doch auch die griechischen KP kam in Verdacht hinter dieser Erklärung zu stehen, da diese von „Radio Freies Griechenland“ verbreitet wurde. Allerdings dementierte das die griechische KP. Daraufhin schwächte die NOF ihre Erklärung wieder ab und distanzierte sich von dem Ziel einen makedonischen Staat im Rahmen einer Balkanföderation zu schaffen.

Auf der zweiten Konferenz der NOF wurde hingegen wieder verlautbart, wonach der griechische Kommunist Karagiorgis im Namen der Provisorischen Demokratischen  Regierung Griechenlands erklärte, die ethnischen bzw. slawischen Makedonier hätten ein Recht auf Freiheit. Dieses Recht würde sich in der Einbeziehung der NOF in die oberste Führung der ELAS manifestieren. In diesem Zusammenhang gab es Gerüchte, wonach im Rahmen der griechischen KP eine eigenständige Parteiorganisation im griechischen Teil von Makedonien gebildet werden sollte.

Letztendlich bleibt unklar, ob die griechischen Kommunisten den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern eine Autonomie für ihren Kampf im Rahmen der ELAS anboten. Schon dies dürfte für viele in Griechenland unannehmbar gewesen sein und als Verrat aufgefasst worden sein. Aufgrund der Zielsetzungen der griechischen KP in der makedonischen Frage, die grundsätzlich eine Autonomie oder Abspaltung der griechischen Region Makedonien ausschlossen, lag es im Interesse der griechischen Kommunisten den Einfluss der jugoslawischen Kommunisten zurückzudrängen. Hinzu kam die ideologische Orientierung an die Sowjetunion. Unter diesen Umständen schien eine Kooperation mit den griechischen Kommunisten aus jugoslawischer Sicht nicht mehr zielführend zu sein und so schloss die Föderative Volksrepublik Jugoslawien im Sommer 1949 die Grenze zu Griechenland. Ohne Nachschub aus Jugoslawien hatte die kommunistisch-griechische Bürgerkriegspartei keine Chance mehr. Im August 1949 wurde ihr von Seiten der royalistischen Armee Griechenlands eine entscheidende Niederlage zugeführt, von der sich die ELAS nicht mehr erholen konnte. Im Oktober 1949 gab sie den Kampf auf und der Bürgerkrieg in Griechenland war damit beendet.

Nachbetrachtung

Nach dem Bürgerkrieg wurde die makedonische Frage aus außenpolitischen Gründen bis zum Zerfall der jugoslawischen Föderation im Jahre 1991 eingefroren. Die Föderative Volksrepublik Jugoslawien stand nun zwischen den Staaten des Westens und des Ostblocks. Griechenland wurde im Jahr 1952 Mitglied der NATO und Bulgarien wurde Mitglied im 1955 gegründeten Warschauer Pakt. Aus diesen Gründen konnte sich die Föderative Volksrepublik Jugoslawien keine Konflikte mit seinen Nachbarstaaten leisten. Wichtiger waren jetzt aus sicherheits- und wirtschaftspolitischen Gründen die Normalisierung und der Ausbau der Beziehungen zu Griechenland und zum Westen. Die jugoslawische Volksrepublik Makedonien musste sich den außenpolitischen Interessen Jugoslawiens unterordnen. Im Jahr 1954 kam es dann auch zu einer Annäherung zwischen Griechenland und Jugoslawien. In der griechischen Öffentlichkeit war die makedonische Frage während und nach dem Bürgerkrieg sehr präsent. Sie wurde seinerzeit häufig in den Medien thematisiert. Im kollektiven Bewusstsein der griechischen Bevölkerung hat sich daher bis heute eingeprägt, dass Griechenland im Bürgerkrieg zum Spielball von ausländischen Mächten und die makedonische Frage als Hebel benutzt wurden. So führte vor allem die Unterstützung der griechischen Kommunisten durch die damaligen Föderative Volksrepublik Jugoslawien dazu, dass der griechische Bürgerkrieg eine internationale Komponente bekam. Die griechischen Kommunisten galten teilweise als Erfüllungsgehilfen der Slawen, die in Griechenland einfallen wollten. Nach dieser Sichtweise galt der griechische Bürgerkrieg auch als Abwehrkampf gegen die slawischen Einfälle aus dem Norden. Jede Form von nichtgriechischem „Makedonismus“ wird aus diesem Bewusstsein heraus mit einer antigriechischen Haltung assoziiert, die im Ergebnis die Zerstörung und Aufteilung Griechenlands zum Ziel haben könnte. Die Gefahr wird dabei nicht immer zwangsläufig bei den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern selbst gesehen, sondern bei den ausländischen Mächten. Der griechische Bürgerkrieg ist daher auch eine wichtige Ursache für den seit 1991 bestehenden sogenannten Namensstreit zwischen der nunmehr unabhängigen „Republik Makedonien“ und Griechenland. Auch die hartnäckige Weigerung Griechenlands die in ihrem Staat lebenden ethnischen bzw. slawischen Makedonier als kulturelle Minderheit anzuerkennen oder deren Sprache zu fördern hat im griechischen Bürgerkrieg eine wesentliche Ursache. Hinzu kommt die damals nationalistische Politik der kommunistisch-makedonischen Bewegung nach Einheit des makedonischen Volkes in einem gemeinsamen Staat, was die Einbeziehung des bulgarischen und griechischen Teils von Makedonien in diesem Staat mit inbegriffen hätte.

Die Ausgangslage heute ist jedoch eine andere. Bulgarien und Griechenland sind Mitglieder der Europäischen Union (EU) und NATO. Es gibt keine politisch-ideologische Bewegung in den griechischen Nachbarstaaten, die Einfluss auf die territoriale Integrität und Souveränität Griechenlands hätte. Die Republik Makedonien strebt in ihrer Außenpolitik definitiv nicht die Einbeziehung des bulgarischen und griechischen Teils von Makedonien in ihrem Staat an. In ihrer Verfassung und in internationalen Abkommen erkennt die Republik Makedonien die bestehenden völkerrechtlichen Grenzen an und bekräftigt, dass sie keine Gebietsansprüche gegenüber ihren Nachbarstaaten hat. Im Gegenteil: Die Existenz der Republik Makedonien und der makedonischen Kulturnation ist heute ein Faktor der Stabilität und für Frieden in der betroffenen Region.