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30 Jahre Kultur- und Namensstreit um „Makedonien“

Vor 30 Jahren, im Mai 1991, begann der Kultur- und Namensstreit zwischen Griechenland und der Republik (Nord-)Makedonien. Dieser wurde durch das Prespa-Abkommen vom 17.06.2018 im Februar 2019 formell beendet. Seit dem 12.02.2019 heißt die Republik Makedonien im völker- und staatsrechtlichen Verkehr „Republik Nord-Makedonien“. Tatsächlich handelte es sich bei diesem Namensstreit um einen viel tiefergehenden Kulturstreit um „Makedonien“. Es ging bei diesem Streit vor allem um die kulturelle Deutungshoheit über die Region Makedonien und ihre Bevölkerung sowie um die kulturelle Bedeutung der Begriffe „Makedonien“, „Makedonierin“ bzw. „Makedonier“, „Makedonisch“ und „makedonisch“.  Nachfolgend eine sehr ausführliche und umfangreiche Darstellung des Komplexes „Namensstreit“ von 1991 bis 2019.

Einleitung

Der erste Staat mit der Bezeichnung „Makedonien“ seit der Antike wurde am 02.08.1944 im Rahmen einer kommunistisch-jugoslawischen Föderation gegründet und formell als „Volksrepublik Makedonien“ bezeichnet. Vorausgegangen war die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als eigenständige jugoslawische Nation am 29.11.1943 auf der „Zweiten Sitzung des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens“. Am 07.07.1963 erfolgte eine Änderung der Staatsbezeichnung in „Sozialistische Republik Makedonien“. Durch Beschluss des ersten demokratischen und frei gewählten makedonischen Parlaments erfolgte am 15.04.1991 die Einführung der Staatsbezeichnung „Republik Makedonien“. Daraufhin erklärte Griechenland im Mai 1991, dass es eine internationale Anerkennung der Republik Makedonien nach einer möglichen Unabhängigkeit von der sich in Auflösung befindlichen „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) mit der Staatsbezeichnung „Makedonien“ verhindern wolle. Damit war der Namensstreit, der an sich nur das größte Symptom eines Kulturstreits um Makedonien ist, geboren. Nach der Unabhängigkeitserklärung der Republik Makedonien von der SFRJ am 18.09.1991 und der Proklamation einer neuen makedonischen Verfassung am 20.11.1991, welche die Staatsbezeichnung „Republik Makedonien“ bekräftigte, forderte die damalige griechische Regierung unter ihrem Ministerpräsidenten Konstantin Mitsotakis am 04.12.1991 von der Republik Makedonien:

  1. Verzicht auf den Namen „Makedonien“, der einen geografischen Bereich und keine ethnische Einheit bezeichnen würde;
  2. Erklärung, dass die Republik Makedonien keine Ansprüche gegenüber Griechenland erheben würde;
  3. Erklärung, dass es keine „makedonische Minderheit“ in Griechenland gebe.

Mit dieser Forderung setzte die griechische Regierung ihre Ankündigung vom Mai 1991 in die außenpolitische Tat um und der sogenannte Namensstreit wurde zu einem internationalen Konflikt, der erst 2018/2019 gelöst werden konnte.

Die Reaktion der Republik Makedonien auf die griechischen Forderungen

Eine Reaktion auf die in der Einleitung dargestellten Forderungen der griechischen Regierung vom 04.12.1991 erfolgte unverzüglich. Die Hauptforderung nach einem Verzicht auf den Namen „Makedonien“ lehnte die Republik Makedonien klar ab. Allerdings erfüllte die Republik Makedonien unverzüglich den 2. Punkt der griechischen Forderungen, wonach die Republik erklären sollte, dass sie gegenüber Griechenland keine Gebietsansprüche habe. So wurde durch einen Verfassungszusatz vom 06.01.1992 zu Artikel 3 der makedonischen Verfassung eindeutig klargestellt:

  1. Die Republik Makedonien hat keine Gebietsansprüche gegenüber den   Nachbarstaaten.
  2. Die Grenzen der Republik Makedonien können nur in Übereinstimmung mit der Verfassung, aufgrund des Prinzips der Freiwilligkeit und in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten internationalen Normen verändert werden.

Durch einen weiteren Verfassungszusatz vom 06.01.1992 zu Artikel 49 wurde außerdem klargestellt, dass sich die Republik Makedonien bei der Förderung und Wahrnehmung der Angelegenheiten und Rechte von Angehörigen des makedonischen Volkes im Ausland nicht in die souveränen Rechte anderer Staaten und deren inneren Angelegenheiten einmischen werde. Damit sollte der dritte Punkt der griechischen Forderung (keine makedonische Minderheit in Griechenland) zwar nicht erfüllt, doch damit verbundene Befürchtungen Griechenlands entkräftet werden.

Der sogenannte Namensstreit und die damalige Europäische Gemeinschaft (EG)

Zunächst wurde der bilaterale Namensstreit zwischen Griechenland und der Republik Makedonien hauptsächlich im Rahmen der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) weiter ausgetragen. Die damals zwölf Mitgliedsstaaten der EG, darunter Griechenland, versuchten eine gemeinsame Haltung gegenüber der Republik Makedonien zu finden. Sie wurden dabei zunächst von der griechischen Haltung überrumpelt, wobei Griechenland in fast allen europäischen Hauptstädten vorstellig wurde und seinen extremen Standpunkt gegenüber der Republik Makedonien vertrat. Zuvor hatte die sogenannte Bandinter-Kommission, eine aus Verfassungsrechtlern bestehende Beratergruppe des damaligen EG-Ministerrates, festgestellt, dass die Republik Makedonien alle Voraussetzungen für eine völkerrechtliche Anerkennung erfüllen würde. Eine sachliche Auseinandersetzung mit der sogenannten Namensfrage der Republik Makedonien konnte so kurzfristig im Rahmen der EG nicht stattfinden.

Bereits am 16.12.1991 fand in Brüssel eine Außenministerkonferenz der EG statt, bei der das weitere gemeinsame Vorgehen gegenüber der Republik Makedonien besprochen wurde. Vor einer Anerkennung durch die EG-Staaten wurden von der Republik Makedonien verfassungsrechtliche und politische Garantien abverlangt, nach denen sie keine territorialen Ansprüche gegenüber EG-Nachbarstaaten erheben und keine feindselige Propaganda-Aktivitäten, einschließlich der Benutzung einer Bezeichnung, die territoriale Ansprüche einschließt, betreiben dürfe. Unklar war, ob die Bezeichnung „Makedonien“ solche Ansprüche automatisch mit einschließen würde.

Auf einem informellen EG-Außenministertreffen am 01. und 02.05.1992 in Guimarães in Portugal kamen die EG-Außenminister zunächst überein, die „Republik von Skopje“ anzuerkennen und keine Staatsbezeichnung zu akzeptieren, der Griechenland nicht zustimmen würde. Diese Erklärung wurde von Griechenland und einigen anderen EG-Mitgliedsstaaten so ausgelegt, dass im Namen „Republik Makedonien“ die Bezeichnung „Makedonien“ nicht enthalten sein dürfe. Andere EG-Mitglieder wandten sich jedoch gegen eine solche Vorgehensweise. Einem Staat, der alle Voraussetzungen für seine Anerkennung erfülle, dürfe kein Name von außen auferlegt werden. Dennoch machten sich die EG-Mitglieder auf einem Gipfeltreffen der EG am 26. und 27.06.1992 zunächst den griechischen Standpunkt zu eigen, die Republik Makedonien nur unter einen Namen anzuerkennen, der nicht die Bezeichnung „Makedonien“ beinhalten würde. Damit setzte Griechenland seinen Standpunkt in der Namensfrage zunächst durch und bezeichnete das Ergebnis des EG-Gipfels entsprechend als großen nationalen Erfolg.

Doch danach setzte Ernüchterung ein. Die Republik Makedonien verzichtete nicht auf ihren verfassungsmäßigen Namen, denn einem Staat dürfe aufgrund des Selbstbestimmungsrechtes seines Volkes kein Name von außen auferlegt werden. Einige EG-Mitgliedsstaaten waren nun nicht mehr bereit den griechischen Standpunkt zu übernehmen und forderten sowohl eine Klärung als auch eine Lösung der Namensfrage. Diese Haltung relativierte das Ergebnis des EG-Gipfeltreffens vom 26./27.06.1992 wieder. Jetzt sollte zunächst auf internationaler Ebene, im Rahmen der Vereinten Nationen (UN), eine Lösungsfindung abgewartet werden. Der sogenannte Namensstreit wurde zu einem internationalen und völkerrechtlichen Präzedenzfall.

Der sogenannte Namensstreit auf internationaler Ebene

Nun wenige Staaten erkannten die Republik Makedonien zunächst völkerrechtlich an. Allerdings war kein Mitgliedsstaat der EG darunter. Die internationale Staatengemeinschaft, einschließlich einiger EG-Mitgliedsstaaten, wollte allerdings nicht einseitig der griechischen Argumentation folgen und forderte beide Seiten zum Kompromiss auf. Anfang 1993, nachdem klar wurde, dass ein weiteres kategorisches Ablehnen der Bezeichnung „Makedonien“ Griechenland in der internationalen Staatengemeinschaft isolieren würde, musste Griechenland schließlich einlenken. Auch die Republik Makedonien musste bis auf Weiteres auf eine uneingeschränkte Anerkennung ihrer verfassungsmäßigen Bezeichnung verzichten.

In der Resolution 817 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN) vom 07.04.1993 wurde die Existenz des Namensstreits zwischen der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik (Amtliche Bezeichnung für Griechenland) sowie die Bedeutung der Lösung dieses Streits für den Frieden und die guten nachbarschaftlichen Beziehungen in der betroffenen Region festgestellt. Diese Feststellung erfolgte seinerzeit auch unter dem Eindruck des ethnischen Krieges in Bosnien und Herzegowina und in Kroatien. Gemäß dieser Resolution wurde die Republik Makedonien am 08.04.1993 unter der vorläufigen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ in die Vereinten Nationen aufgenommen. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen stimmte dieser Aufnahme per Akklamation zu.

In Griechenland und in der Republik Makedonien fand dieser Kompromiss keine große Zustimmung. Im griechischen Parlament erhielt er nur eine knappe Zustimmung von 152 gegen 146 Stimmen und im makedonischen Parlament beschuldigte die nationalkonservative Opposition die Regierung, der Endnationalisierung Makedoniens Vorschub geleistet zu haben. In einer weiteren Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Resolution 845) vom 18.06.1993 wurden die Hellenische Republik und die Republik Makedonien dazu aufgefordert den zwischen ihnen bestehenden Namensstreit im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen zu lösen. Dieser Aufgabe war von 1993 bis 2019 ein entsprechender Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen zugewiesen. Von 1994 bis 2019 hat Matthew Nimetz dieses Amt inne. Alle Gespräche und Vermittlungsversuche im Rahmen der Vereinten Nationen blieben bis 2018 zunächst erfolglos.

Das griechische Embargo gegen die Republik Makedonien (16.02.1994 – 14.10.1995)

Bereits der Kompromiss im Rahmen der Vereinten Nationen, wonach die Republik Makedonien unter einer vorläufigen Bezeichnung Mitglied in dieser Organisation wurde, ging vielen griechischen Politikern und einer großen Mehrheit der griechischen Bevölkerung zu weit. Es brach eine regelrechte Hysterie um „Makedonien“ in Griechenland aus, bei der es auch zu mehreren  Massenkundgebungen gegen die Republik Makedonien kam. Eine sachliche Auseinandersetzung zur Namensfrage der Republik Makedonien fand nicht statt und konnte wohl auch in der aufgeheizten Stimmung nicht stattfinden. Vielen Griechen wurde die Existenz des makedonischen Staates überhaupt erst nach der Unabhängigkeitserklärung der Republik Makedonien bewusst. Die Meinungsbildung wurde sofort von Hardlinern in der makedonischen Namensfrage übernommen. Aus ihrer Sicht impliziere der Name der Republik Makedonien Gebietsansprüche auf die griechische Region Makedonien, die mit Hilfe andere Mächte erfüllt werden könnten.

Erinnerungen an die Zeit des Bürgerkrieges in Griechenland (1946 – 1949, Kommunisten gegen die königliche Regierung), wurden wieder geweckt. Bei diesem Bürgerkrieg spielte auch die  makedonische Frage (völkerrechtlicher bzw. staatsrechtlicher Status der makedonischen Bevölkerung) eine Rolle. So gab es auf der Seite der griechisch-kommunistischen Bürgerkriegspartei Pläne, wonach ein Ziel des Kampfes die nationale Rekonstitutierung des makedonischen Volkes in der griechischen Region Makedonien sei.Was konkret damit gemeint war, wurde allerdings nie weiter von den griechischen Kommunisten ausgeführt. Jedoch verstanden alle am Bürgerkrieg beteiligten Akteure entweder die Abspaltung und Unabhängigkeit oder zumindest die Autonomie der griechischen Region Makedonien darunter. Besondere  Unterstützung fanden diese Pläne natürlich vor allem im kommunistischen Jugoslawien. Allerdings waren diese Pläne sowohl bei den griechischen Kommunisten als auch bei den kommunistischen Ostblockstaaten umstritten. Die griechische Bevölkerung und alle anderen maßgeblichen politischen Strömungen in Griechenland lehnten diese Pläne ab und empfanden sie als Verrat. Jugoslawien selbst stellte aus politischen und strategischen Gründen die Unterstützung für die kommunistische Bürgerkriegspartei in Griechenland im Jahre 1948 ein, die im Jahre 1949 dann nach einer entscheidenden Niederlage ihren Kampf aufgab.

Doch in den Köpfen der griechischen Bevölkerung lebt der Abwehrkampf gegen den slawischen Kommunismus und Makedonismus noch fort, gefördert durch eine entsprechende griechische Bildungs- und Kulturpolitik. Darüber hinaus spielt auch das antike Makedonien für das historische Bewusstsein der Griechinnen und Griechen eine große Rolle: Aus griechischer Sicht sei Makedonien ausschließlicher Teil der griechischen Geschichte und Kultur. Es überrascht also nicht, dass in dieser Stimmung selbst der kleinste Kompromiss mit der Republik Makedonien in der sogenannten Namensfrage fast unmöglich war. Aus diesem Grund geriet die damalige griechische Regierung unter Ministerpräsident Konstantin Mitsotakis wegen ihrer Kompromissbereitschaft in der Namensfrage der Republik Makedonien auch immer mehr unter Druck. Zwar lehnte die  griechische Bevölkerung weiterhin jeden Kompromiss mit der Republik Makedonien in der Namensfrage klar ab, doch musste schon aufgrund außenpolitischer Erwägungen, völkerrechtlicher Zwänge und aus Gründen der regionalen Stabilität ein Kompromiss gefunden werden. Dem damaligen griechischen Außenminister Andonis Samaras ging die ohnehin geringe griechische Kompromissbereitschaft bereits zu weit und trat von seinem Amt zurück. Außerdem trat er aus der damals regierenden „Nea Dimokratia“ (ND) aus und gründete seine eigene Partei, die sich klar gegen jeden Kompromiss mit der Republik Makedonien positionierte. Auch Andreas Papandreou, der damaligen Vorsitzende der oppositionellen „Panhellenischen Sozialistischen Bewegung“ (PASOK), positionierte sich national klar gegen die Republik Makedonien und lehnte Kompromiss mit ihr in der Namensfrage ab.

Bei vorgezogenen Parlamentswahlen am 10.10.1993 errang die PASOK einen klaren Wahlsieg und Andreas Papandreou wurde griechischer Premierminister. Auch Andonis Samaras schaffte mit seiner neuen Partei den Einzug ins Parlament und erreichte damit einen großen Achtungserfolg. Die Namensfrage der Republik Makedonien und die Haltung der Parteien in dieser Frage spielten im Wahlkampf und bei der Wahl selbst eine große Rolle. Abgestraft wurden Konstantin Mitsotakis und die ND, die in der Namensfrage der Republik Makedonien eine größere Kompromissbereitschaft gezeigt hatten. Schon am 15.10.1993 gab der damals gerade neu ins Amt gekommene griechische Ministerpräsident Andreas Papandreou den Abbruch des Dialoges mit der Republik Makedonien über ihren Namen bekannt. Ein Kompromiss in der Namensfrage der Republik Makedonien sollte es aus Sicht des damaligen griechischen Ministerpräsidenten nicht geben.

Ein mögliches Handelsembargo gegen die Republik Makedonien wurde von der damals neuen Regierung Griechenlands unter Andreas Papandreou bereits im Vorfeld als Druckmittel angekündigt, wenn die Republik Makedonien in der Namensfrage nicht nachgeben würde. Am 16.02.1994 setzte Griechenland seine Ankündigung in die Tat um und verhängte ein Handelsembargo gegen die Republik Makedonien. Die Republik Makedonien durfte keinerlei Warenverkehr mehr über den nordgriechischen Hafen Thessaloniki abwickeln, davon ausgenommen waren nur humanitäre Güter. Bis zu diesem Zeitpunkt importierte die Republik Makedonien 90 % des benötigten Öls sowie aller weiteren Treibstoffe über den Hafen von Thessaloniki und wickelte dort über 75 % seines Außenhandels ab. Darüber hinaus wurden alle Lieferungen über die griechisch-makedonische Grenze in die Republik Makedonien unterbunden sowie das griechische Generalkonsulat geschlossen. Am 18.02.1994 erweiterte Griechenland die Handelssperre auf alle Einfuhren aus der Republik Makedonien.

Als Reaktion auf das griechische Embargo unterzeichneten am selben Tag Albanien, Bulgarien, Italien und die Türkei ein Dokument, in dem sie sich verpflichteten, den Straßen- und Eisenbahntransport von und nach der Republik Makedonien durch ihre Territorien zu erleichtern. Das Embargo traf die Republik schwer, zumal auch der Weg über Serbien aufgrund eines Embargo der Vereinten Nationen gegenüber der damaligen aus Serbien und Montenegro bestehenden Bundesrepublik Jugoslawien verschlossen war. Darüber hinaus war das Verhältnis zwischen der Republik Makedonien und der Bundesrepublik Jugoslawien nicht besonders gut. Es bestand zu dieser Zeit auch keine gegenseitige diplomatische Anerkennung zwischen beiden Staaten. Die möglichen Alternativrouten waren alle unwirtschaftlich, so dass die Republik Makedonien unter enormen wirtschaftlichen Druck stand. Das Embargo hatte große finanzielle und wirtschaftliche Nachteile zur Folge.

Die Europäische Union (EU) bezeichnete das Handelsembargo gegen die Republik Makedonien als Verstoß gegen das EU-Recht und versuchte zunächst mit diplomatische Mitteln eine Aufhebung des Embargos zur erreichen. Nach Auffassung der griechischen Regierung sei ihr Embargo aufgrund des Verhaltens der Republik Makedonien mit EU-Recht vereinbar. Das Verhalten der Republik Makedonien habe nach Auffassung Griechenlands nicht nur eine schwerwiegende innerstaatliche Störung der öffentlichen Ordnung zur Folge, sondern es würde auch eine internationale Spannung geschaffen, die eine Kriegsgefahr darstelle. Nachdem Gespräche zwischen der EU-Kommission und der griechischen Regierung keine Lösung brachten, reichte die Kommission am 22.04.1994 Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wegen der Verletzung des EU-Rechts ein. Nach Auffassung der Kommission habe das Verhalten der Republik Makedonien nicht die von Griechenland dargestellten Folgen. Damit sei das Embargo eine Verletzung des EU-Rechts. Gleichzeitig beantragte die Kommission auch den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung, die allerdings durch einen Beschluss des Gerichtshofes vom 29.06.1994 abgelehnt wurde.

Das Urteil in der Hauptsache blieb aufgrund des makedonisch-griechischen Interimsabkommens vom 13.09.1995 aus. In diesem Interimsabkommen wurde eine Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien vereinbart. Die Republik Makedonien verpflichtete sich unter anderem dazu auf ihre bisherige Staatsflagge (Stern von Vergina, antikes makedonisches Symbol) zu verzichten. Die Klärung der Namensfrage sollte in bilateralen Gesprächen zwischen der Republik Makedonien und Griechenland im Rahmen der Vereinten Nationen erfolgen. Griechenland verpflichtete sich unter anderem dazu das Handelsembargo gegen die Republik Makedonien binnen 30 Tagen aufzuheben, was am 14.10.1995 geschah. Der Gesamtschaden durch das griechische Embargo für die Republik Makedonien lässt sich nicht genau beziffern. Er dürfte jedoch bei einigen Milliarden Euro gelegen haben. Bis heute hat es kein weiteres Embargo gegen die Republik Makedonien gegeben. Jedes Embargo hätte schwerwiegende politische und wirtschaftliche Folgen.

Das Interimsabkommen vom 13.09.1995

Bereits vor und während des griechischen Handelsembargos gab es unter internationaler Vermittlung Gespräche zwischen Griechenland und der Republik Makedonien zur Überwindung der bestehenden Differenzen.

Im September 1995 konnte nach insgesamt 29-monatigen Gesprächen eine Übereinkunft erzielt werden, welche den Status quo zwischen Griechenland und der Republik Makedonien bestätigte und als Modus vivendi (vorübergehende Verständigung zur Regelung der bilateralen Beziehungen) für die Zeit bis zur endgültigen Lösung des sogenannten Namensstreit dienen sollte. Dieses „Abkommen über die Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen“ (kurz: Interimsabkommen) zwischen Griechenland und der Republik Makedonien wurde am 13.09.1995 am Sitz der Vereinten Nationen in New York vom damaligen griechischen Außenminister Karolos Papoulias und dem damaligen Außenminister der Republik Makedonien Stevo Crvenkovski unterzeichnet. Griechenland verpflichtete sich gemäß dieses Abkommens dazu innerhalb einer Frist von 30 Tagen das Embargo gegenüber der Republik Makedonien aufzuheben. Die Republik Makedonien verpflichtete sich unter anderem dazu, auf die bisherige Nationalflagge mit dem Stern von Vergina zu verzichten. Dieses Symbol wird dem antiken Makedonien zugerechnet, das nach griechischer Auffassung Teil der hellenischen Geschichte und Kultur ist.

In der makedonischen Hauptstadt Skopje wurde am 13.10.1995 aufgrund des Interimsabkommens eine endgültige Vereinbarung über die Normalisierung der bilateralen Beziehungen und die Einrichtung von gegenseitigen diplomatischen Vertretungen in den jeweiligen Hauptstädten unterzeichnet. Am 14.10.1995 wurde das griechische Handelsembargo gegen die Republik Makedonien aufgehoben und die Grenzen zwischen beiden Staaten wieder geöffnet.

In diesem Abkommen wurden die jeweiligen verfassungsmäßigen Namen der Vertragsparteien nicht genannt. Griechenland bzw. die Hellenische Republik wurden in diesem Abkommen als „Erste Partei“ bezeichnet während die Republik Makedonien als „Zweite Partei“ bezeichnet wurde. Das Abkommen besteht aus sechs Abschnitten mit insgesamt 23 Artikeln.

Der erste Abschnitt, die Artikel 1 bis 8, regelt die freundschaftlichen Beziehungen und die vertrauensbildenden Maßnahmen.

Die „Erste Partei“ Griechenland verpflichtet sich in Artikel 1 des Interimsabkommens die „Zweite Partei“, die Republik Makedonien, völkerrechtlich anzuerkennen und normale diplomatische Beziehungen zur ihr aufzunehmen.

Jede Partei wird in diesem Abkommen verpflichtet, die bestehenden völkerrechtlichen Grenzen (Artikel 2) sowie die territoriale Integrität und Souveränität der jeweils anderen Partei zu achten. (Artikel 3).

Die Vertragsparteien (Griechenland und die Republik Makedonien) unterlassen, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen und Zielen der Charta der Vereinten Nationen, jede Form von Androhung oder Anwendung von Gewalt (Artikel 4). Der gleiche Artikel bekräftigt weiter, dass jede Androhung oder Anwendung von Gewalt zur Änderung der bestehenden Grenzen zwischen den Vertragsparteien zu unterlassen sind und dass keine Partei Gebietsansprüche oder Grenzänderungen gegenüber der anderen Partei unterstützt oder durchzusetzen versucht.

Die Vertragsparteien verpflichten sich den zwischen ihnen bestehenden Namensstreit gemäß der Resolution 845 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen durch bilaterale Gespräche zu lösen (Artikel 5). Im zweiten Absatz von Artikel 5 wird festgelegt, dass die Vertragsparteien die bestehende Differenz in der Namensfrage der Republik Makedonien gegenseitig anerkennen und versuchen sollen ihre bilateralen Beziehungen trotzdem normal zu gestalten.

Die Republik Makedonien bekräftigt, dass keine Bestimmungen in ihrer Verfassung Ansprüche auf griechisches Territorium oder eine Änderung der bestehenden Grenzen zwischen den Vertragsparteien begründen. Insbesondere werden die Präambel und Artikel 3 der Verfassung der Republik Makedonien namentlich hervorgehoben (Artikel 6 Absatz 1). Des Weiteren wird durch die Republik Makedonien bekräftigt, dass keines ihrer Verfassungsbestimmungen eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Griechenlands begründet. Hierbei wird Artikel 49 der Verfassung der Republik Makedonien namentlich hervorgehoben (Artikel 6 Absatz 2). Staatsrechtlich hat die Republik Makedonien das bereits am 06.01.1992 durch Verfassungszusätze zu den Artikeln 3 und 49 der makedonischen Verfassung entsprechend festgelegt. Artikel 6 des Interimsabkommens bekräftigt letztendlich diese Verfassungsänderung der Republik Makedonien auch in einem völkerrechtlichen Vertrag mit Griechenland. Die Interpretation der makedonischen Verfassung darf gemäß Artikel 6 Absatz 3 des Interimsabkommens nicht von den Absätzen 1 und 2  dieses Artikels abweichen.

Die Republik Makedonien wird dazu verpflichtet, auf umstrittene Symbole, wie namentlich etwa der Stern von Vergina, zu verzichten (Artikel 7). In Artikel 7 des Interimsabkommens ist weiter geregelt, dass die Vertragsparteien alles zu unterlassen haben, was einer friedlichen Lösung des Namensstreits zuwider läuft. So haben die Vertragsparteien jede Propaganda und feindliche Aktivitäten zu unterlassen, die ebenfalls einer friedlichen Lösung des Namensstreits im Wege stehen.

Die Vertragsparteien verpflichten sich dazu alles zu unterlassen, was den freien Verkehr von Personen und Waren zwischen ihnen oder durch ihre Territorien behindert (Artikel 8). Zur Entwicklung von praktischen Maßnahmen zwecks Umsetzung von Artikel 8 des Interimsabkommens können die „Guten Dienste“ der Europäischen Union (EU) und der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) in Anspruch genommen werden.

Im zweiten Abschnitt des Interimsabkommens, Artikel 9 und 10, werden die menschlichen und kulturellen Rechte zwischen den Vertragsparteien, Griechenland und die Republik Makedonien, noch einmal verbindlich bekräftigt. Die Achtung von Demokratie, der Würde des Menschen und der Rechtsstaatlichkeit  sowie der UN-Charta, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Europäischen Konvention der Menschenrechte gehören unter anderem dazu (Artikel 9). In Artikel 9 des Interimsabkommens sind weitere Bezüge auf internationale Rechtsquelle und Übereinkünfte namentlich aufgezählt. Des Weiteren fördern die Vertragsparteien den Kontakt zwischen den Bürgerinnen und Bürgern ihrer Staaten und versuchen diese gemäß des internationalen Rechts nicht zu behindern (Artikel 10).

Im dritten Abschnitt, Artikel 11, werden die Beziehungen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien bezüglich der Mitgliedschaft in internationalen, multilateralen und internationaler Organisationen geregelt. Gemäß Artikel 11 Absatz 1 des Interimsabkommens hat Griechenland die Mitgliedschaft der Republik Makedonien in internationalen Organisationen, in denen Griechenland selbst Mitglied ist, grundsätzlich zu fördern und darf diese nicht behindern. Allerdings kann Griechenland aufgrund von Artikel 11 Absatz 2 Einspruch erheben, wenn die Republik Makedonien nicht unter der in Absatz 2 der Resolution 817 des UN-Sicherheitsrates genannten provisorischen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ beizutreten versucht. Gegen diese Bestimmung dürfte Griechenland im Falle der möglichen Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der Europäischen Union (EU) und der NATO bereits verstoßen haben. In beiden Fällen strebte die Republik Makedonien die Mitgliedschaft unter ihrer provisorischen Bezeichnung an und wurde vom EU- und NATO-Mitglied Griechenland bis Februar 2019 daran gehindert. Griechenland begründete seine Maßnahmen mit anderen Verletzungen des Interimsabkommens.

Im Falle der Verhinderung des möglichen NATO-Beitritts der Republik Makedonien unter ihrer provisorischen Bezeichnung auf dem Bukarester NATO-Gipfel im Jahre 2008 wurde Griechenland jedoch trotz der vorgebrachten Argumente am 05.12.2011 vom Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag wegen der Verletzung des Interimsabkommens verurteilt. Gemäß Artikel 94 Absatz 1 der Charta der Vereinten Nationen ist jedes UN-Mitglied verpflichtet eine Entscheidung bzw. ein Urteil des IGH zu befolgen. Kommt eine Streitpartei ihren Verpflichtungen aus einem Urteil des IGH nicht nach, so kann sich die andere Partei gemäß Artikel 94 Absatz 2 dieser Charta an den UN-Sicherheitsrat wenden. Der UN-Sicherheitsrat kann in diesem Fall, wenn er es für erforderlich hält, Empfehlungen abgeben oder Maßnahmen beschließen, um dem Urteil Wirksamkeit zu verschaffen. In der politischen Praxis kommt es jedoch vor, dass Urteile des IGH nicht angemessen befolgt und durchgesetzt werden. Das ist auch beim IGH-Urteil vom 05.12.2011 im Streit zwischen der Republik Makedonien und Griechenland der Fall gewesen.

Der vierte Abschnitt, Artikel 12 bis 14, regelt die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, die sich aus den bisherigen völkerrechtlichen Verträgen und dem internationalen Recht ergeben. Dazu zählt auch die Anerkennung der Republik Makedonien als Rechtsnachfolgerin für bestimmte zwischen Griechenland und der damaligen „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ abgeschlossene Verträge. Artikel 14 des Interimsabkommens betont noch einmal die Pflicht der Vertragsparteien die Entwicklung von freundschaftlichen und gut nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen zu fördern und ihre Handelsbeziehungen zu intensivieren.

Gegenstand des fünften Abschnitts, Artikel 16 bis 20, sind die Beziehungen in den Bereichen Wirtschaft, Handel, Umwelt und Recht. Die Vertragsparteien verpflichten sich dazu ihre wirtschaftlichen Beziehungen in allen Bereichen zu stärken und in bestimmten namentlich genannten Bereichen besonders zu fördern (Artikel 15). Des Weiteren soll die Zusammenarbeit in den Bereichen Technik, Wissenschaft und Forschung (Artikel 16), Umwelt und Umweltschutz (Artikel 17), Katastrophenschutz (Artikel 18), Tourismus, Zoll- und Grenzwesen (Artikel 19) und in bei der Bekämpfung von schwerer Kriminalität (Artikel 20) entwickelt, intensiviert und verbessert werden.

Im letzten und sechsten Abschnitt des Interimsabkommens, Artikel 21 bis 23, befinden sich die Schlussbestimmungen. Dort ist unter anderem festgelegt, dass die Vertragsparteien ihre Differenz bzw. Streitigkeit bezüglich des Namens der Republik Makedonien mit friedlichen Mitteln auf Basis der Charta der Vereinten Nationen beilegen (Artikel 21). Des Weiteren ist in Artikel 21 festgelegt, dass bei allen Streitigkeiten zwischen Griechenland und der Republik Makedonien über die Auslegung und Durchführung des Interimsabkommens der Internationale Gerichtshof (IGH) entscheidet. Ausdrücklich ausgenommen wurde dabei jedoch eine Entscheidung des IGH über die Differenz in der Namensfrage zwischen den Vertragsparteien, da diese gemäß der Resolution 845 durch bilaterale Gespräche im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen überwunden werden soll. Die Artikel 22 und 23 regeln das Verhältnis des Interimsabkommens zu anderen völkerrechtlichen Verträgen, sein Inkrafttreten und die Kündigungsfristen für eine mögliche Beendigung des völkerrechtlichen Vertragsverhältnisses. Das Interimsabkommen berührt grundsätzlich keine anderen von den Vertragsparteien abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge, so dass die Republik Makedonien in ihren bilateralen Beziehungen zu anderen Staaten ihre verfassungsmäßige Bezeichnung verwenden kann.

In Kraft trat das Interimsabkommen 30 Tage nach der Unterzeichnung. Die Unterzeichnung fand am 13.09.1995 statt, womit es am 14.10.1995 in Kraft trat. Die Differenz in der Namensfrage zwischen den Vertragsparteien wurde erst 2018/2019 überwunden. Seit dem 12.02.2019 heißt die Republik Makedonien im völker- und staatsrechtlichen Verkehr „Republik Nord-Makedonien“. Damit ist der Namensstreit beendet und das Interimsabkommen außer Kraft.

Die weitere Entwicklung nach Inkrafttreten des Interimsabkommens

Am 14.10.1995 hob Griechenland das Embargo gegenüber der Republik Makedonien auf. Die Grenze zwischen Griechenland und der Republik Makedonien wurde am nächsten Tag für den freien Handelsverkehr wieder geöffnet. Am 13.10.1995 wurde in der makedonischen Hauptstadt Skopje eine endgültige Vereinbarung über die Normalisierung der bilateralen Beziehungen und über die gegenseitige Einrichtung von diplomatischen Vertretungen in beiden Hauptstädten unterzeichnet. Durch das Interimsabkommen normalisierten sich die Beziehungen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien zunächst wieder. Schon am 14.10.1995 wurde die Republik Makedonien Mitglied in der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE). Die Aufnahme in den Europarat folgte am 09.11.1995 und am 15.11.1995 schloss die Republik Makedonien mit der NATO einen Vertrag im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden. Obwohl die Republik Makedonien seit 2005 offizielle EU-Beitrittskandidatin ist, konnten aufgrund des Widerstandes aus Griechenland bis zu endgültigen Lösung des Namensstreits 2018/2019 keine offiziellen Beitrittsgespräche zwischen der EU und der Republik Makedonien begonnen werden. Aufgrund der erreichten Lösung unterstützt Griechenland seit Februar 2019 aktiv den Beginn von EU-Beitrittsgesprächen mit der Republik Nord-Makedonien.

Ein Beitritt zur NATO war der Republik Makedonien bis 2019 ebenfalls aufgrund des Widerstandes von Griechenland verwehrt worden. Als auf dem Bukarester NATO-Gipfel im April 2008 ein möglicher NATO-Beitritt der Republik Makedonien durch das NATO-Mitglied Griechenland verhindert wurde, reichte die Republik Makedonien am 17.11.2008 Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag gegen Griechenland wegen Verletzung des Interimsabkommens ein.

Die Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) und das Urteil

Nach der Unterzeichnung und dem Inkrafttreten des Interimsabkommens normalisierten sich die bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien weitgehend, bis auf den offenen Namensstreit und die damit assoziierte Politik. So versuchte Griechenland zu verhindern, dass sich die verfassungsmäßige Bezeichnung „Republik Makedonien“ etablierte und wirkte darauf hin, dass nur die provisorische Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ verwendet wurde.

Die Republik Makedonien bemühte sich um eine weitgehende Anerkennung ihres verfassungsmäßigen Namens. Im bilateralen völkerrechtlichen Verkehr setzte sich die Republik Makedonien weitgehend durch. Die überwiegende Mehrheit der Staaten erkannte die Republik Makedonien unter ihrer verfassungsmäßigen Bezeichnung an. In internationalen Organisationen, in denen Griechenland Mitglied ist, war die Republik Makedonien in der Regel unter ihrer provisorischen Bezeichnung Mitglied. Griechenland hatte sich im Interimsabkommen dazu verpflichtet die Mitgliedschaft der Republik Makedonien in internationalen Organisationen zu unterstützen, solange diese unter ihrer provisorischen Bezeichnung erfolgt. Blockieren durfte Griechenland nach dem Interimsabkommen eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in internationalen Organisationen nur, wenn diese nicht unter der provisorischen Bezeichnung erfolgte. Dennoch war eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der EU und NATO auch unter ihrer provisorischen Bezeichnung aufgrund der damaligen griechischen Haltung nicht zustande gekommen. In diesem Fall wurde das Interimsabkommen durch Griechenland verletzt, wie der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag in einem konkreten Fall durch Urteil feststellte.

Auf dem Bukarester NATO-Gipfel im April 2008 sollte auch eine mögliche Mitgliedschaft der Republik Makedonien im Verteidigungsbündnis beschlossen werden, was die Zustimmung aller NATO-Mitglieder erforderte. Griechenland weigerte sich jedoch einer NATO-Mitgliedschaft der Republik Makedonien zuzustimmen. Daraufhin erhob die Republik Makedonien am 17.11.2008 Klage gegen Griechenland wegen Verletzung des Interimsabkommens vor dem IGH. Zwischen dem 21. und 30.03.2011 fand die Anhörung der Parteien vor dem IGH statt. Jede Partei hatte jeweils zwei Anhörungstage vor dem Gerichtshof, um ihren Standpunkt darzulegen. Anschließend bekam jede Partei jeweils noch einen Tag, um auf den Standpunkt des jeweils anderen zu reagieren. Nach dem Ende der Anhörung hat das Gericht grundsätzlich eine Frist von sechs Monaten um zu beraten und das Urteil zu fällen. Diese Frist kann jedoch bei Bedarf verlängert werden. Griechenland machte geltend, dass die Republik Makedonien selbst gegen Bestimmungen des Interimsabkommens verstoßen habe. So führte Griechenland unter anderem die Verwendung der verfassungsmäßigen Bezeichnung der Republik Makedonien in ihrem bilateralen völkerrechtlichen Verkehr zu anderen Staaten und das Projekt „Skopje 2014“ auf, in dessen Rahmen unter anderen antike makedonische Statuen aufgestellt wurden. Nach griechischer Auffassung sei das antike Makedonien ausschließlich Teil der hellenischen Geschichte und Kultur.

Am 05.12.2011, um 10 Uhr MEZ, fällte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag das Urteil. Der mit 16 Richtern (16 Stimmen) besetzte IGH stellte in seinem Urteil fest:

  1. Der IGH sei in dieser Angelegenheit (Klage der Republik Makedonien gegen die Hellenische Republik wegen Verletzung des Interimsabkommens) zuständig. Alle entsprechenden Anträge seien in zulässiger Weise eingereicht worden. (14 zu 2 Stimmen).
  2. Die Hellenische Republik habe gegen Artikel 11 Absatz 1 des Interimsabkommens vom 13.09.1995 verstoßen, in dem es den Beginn von Gesprächen über eine mögliche Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der NATO auf dem Bukarester NATO-Gipfel im April 2008 verhindert habe. (15 zu 1 Stimmen).
  3. Alle weiteren Anträge von Seiten der Republik Makedonien im Zusammenhang mit dem Klageverfahren würden abgelehnt. (15 zu 1 Stimmen).

Trotz des positiven Urteils erfolgte bis zum Jahr 2019 weder der Beginn der EU-Beitrittsgespräche noch eine mögliche Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der NATO. Obwohl eine große Mehrheit der jeweiligen Mitgliedsstaaten der EU und NATO dafür war, so war aufgrund der Position Griechenlands die offizielle Haltung der EU und NATO, dass erst der sogenannte Namensstreit gelöst werden müsse. Doch verliefen alle Gespräche im Rahmen der UN bis zum Jahr 2018 ergebnislos. Zu gegensätzlich waren die Standpunkte zwischen Griechenland und der Republik Makedonien. Der Vorschlag auch im Rahmen der EU Gespräche zur Überwindung des Namensstreits durchzuführen, scheiterte auch an Griechenland. Bilaterale Gespräche außerhalb der UN zur Überwindung der Differenz in der Namensfrage fanden nicht statt, doch gab es bilaterale Treffen bei denen vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart wurden. Erst ab dem Jahr 2018 fanden wieder intensive und regelmäßige bilaterale Gespräche zwischen Griechenland und der Republik Makedonien zur Überwindung des Streits um den Namen „Makedonien“ statt, welche erfolgreich waren.

Die  offizielle Auffassung Griechenlands in der Namensfrage bis 2018

Die Kompromissbereitschaft der griechischen Regierung in der Namensfrage der Republik Makedonien war aufgrund außenpolitischer Erwägungen größer als die des griechischen Volkes. Offiziell wollte Griechenland den Namen „Makedonien“ in zusammengesetzter Form mit einer zusätzlichen geografischen Spezifizierung, etwa Republik Nord-Makedonien, akzeptieren. Dieser Namen sollte dann universell und ohne jede Einschränkung im völkerrechtlichen Verkehr gelten („erga omnes“). Umstritten blieben aber weiterhin die Bezeichnung für die makedonische Nation, Sprache und Staatsbürgerschaft. Auf der Internetseite der Griechischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland war folgende offizielle Auffassung der Hellenischen Republik zu ihrer Problematik mit Republik Makedonien aufgeführt:

„Die Frage des Namens der Republik Makedonien ist nicht nur ein Streit um historische Fakten und Symbole, sondern vielmehr eine Frage von regionalem und internationalem Ausmaß. Die Republik Makedonien praktiziert eine Politik des Irredentismus und der territorialen Ansprüche. Die Basis hierfür stellt die Geschichtsfälschung und die Usurpation des nationalen und historischen Erbes Griechenlands dar.

Die Problematik um den Namen von FYROM (Anmerkung: „Former Yugoslav Republik of Macedonia“, auf Deutsch: „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“) in ihrer heutigen Gestalt begann 1991, als FYROM ihre Unabhängigkeit unter dem Namen „Republik Mazedonien“ deklarierte. In historischem Sinne bezieht sich der griechische Name „Makedonien“ auf den Staat und die Kultur der Makedonier der griechischen Antike, die ohne jeden Zweifel einen Teil des nationalen und historischen Erbes Griechenlands darstellen und nicht die geringste Beziehung zu den heutigen Bewohnern von FYROM aufweisen, die die Nachfolger von Slawen sind, und sich zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt in der Region des antiken Königsreichs Makedonien niederließen.

In geografischem Sinne bezieht sich der Begriff “Makedonien” auf einen weiter gefassten Raum, der einen Teil des Territoriums unterschiedlicher Balkanstaaten umschließt (in erster Linie Griechenland, FYROM und Bulgarien). Der Hauptteil des geografischen Makedoniens erstreckt sich allerdings innerhalb der Grenzen des antiken griechischen Makedoniens, deren größter Teil wiederum sich innerhalb des griechischen Territoriums befindet. Im griechischen Teil des geografischen Makedoniens leben heute 2,5 Millionen griechische Bürger, die sich Makedonier nennen und sich seit Urzeiten als solche betrachten.

Die Wurzel des Problems der Benennung von FYROM ist auf die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zurückzuführen, als Tito dem Gebiet, damals bekannt als Vardar Banovina (heutige FYROM), unter der Bezeichnung „Sozialistische Republik Mazedonien“ (Anmerkung: von 1944 – 1963 „Volksrepublik Makedonien“, dann bis 1991 „Sozialistische Republik Makedonien“) den Status der Teilrepublik verlieh und gleichzeitig die Doktrin der „Mazedonischen Nation“ einführte. Der offensichtliche Beweggrund, weswegen Tito sich für die Durchsetzung der Doktrin der „Makedonentums“ entschied – in völliger Abweichung zur geografischen Realität des Großraums Makedonien – bestand in der Notwendigkeit, einen Zugang zur Ägäis zu erlangen, indem er die Idee der Wiedervereinigung aller Gebiete von Makedonien kultivierte. Vor diesem Hintergrund ist der irredentistische Kampf, in den die politische Führung von FYROM eingestiegen ist, mit dem Ziel mittels Schulbüchern und Propaganda die Bürger ihres Landes mit der Idee zu indoktrinieren, dass sie Nachfolger der Makedonier aus der Antike seien, und um die Doktrin von „Großmazedonien“ zu kultivieren, von dem ein Teil FYROM sei, während die restlichen Gebiete unter griechischer, bulgarischer und albanischer Besatzung seien. Es steht außer Frage, dass die irredentistische Doktrin von „Großmakedonien“ die Möglichkeit der Rückforderung „besetzter“ Gebiete offen lässt.“

Auszug aus: „FYROM – mehr als nur ein Name“, Quelle Griechische Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland / Abgerufen Juni 2012.

Die Lösung des Kultur- und Namensstreits um „Makedonien“

Nach einer jahrelangen Pause wurden auch die Gespräche zwischen Griechenland und der Republik Makedonien am 19.01.2018 wieder aufgenommen und die Verhandlungen zur Lösung des Streits um den Namen intensiviert. Sie waren schwierig und standen zeitweise vor dem Scheitern.

Bereits Anfang Februar 2018 hatte die Republik Makedonien offiziell beschlossen, dass der Flughafen in der makedonischen Hauptstadt Skopje von „Alexander dem Großen“ in „Internationaler Flughafen von Skopje“ und eine Autobahn von „Alexander dem Großen“ in „Straße der Freundschaft“ umbenannt wurde. Am 21.02.2018 wurden die Schilder mit den alten Bezeichnungen abmontiert und durch Schilder mit den neuen Bezeichnungen ersetzt. Die vorherigen Bezeichnungen nach dem antiken makedonischen König und Feldherren „Alexander dem Großen“ waren umstritten und besonders in die bilateralen Beziehungen zu Griechenland problematisch. Der Schritt der Republik Makedonien galt als Geste zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen zum Nachbarn Griechenland.

Im Mai 2018 schien sich eine Einigung auf den Namen „Republik Ilinden-Makedonien“ („Ilindenska Republika Makedonija“) abzuzeichnen, doch wurde dieser Ansatz aufgrund von Widerständen bei beiden Parteien nicht weiter verfolgt.

Der Durchbruch kam am 12.06.2018, als die Ministerpräsidenten Griechenlands (Alexis Tsipras) und der Republik Makedonien (Zoran Zaev) eine Einigung erzielten. Mit der Unterzeichnung des sogenannten Abkommens von Prespa, benannt nach dem Ort der Unterzeichnung, am 17.06.2018 durch den griechischen Außenminister Nikos Kotzias und den makedonischen Außenminister Nikola Dimitrov wurde diese Einigung durch einen völkerrechtlichen Vertrag formell bekräftigt.

Aufgrund dieses Vertrages heißt die Republik Makedonien im völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Verkehr seit dem 12.02.2019 uneingeschränkt („erga omnes“) „Republik Nord-Makedonien“. Die makedonische Nationalität und Sprache wird als „Makedonisch“ anerkannt. Im Vertrag ist die Verwendung der Bezeichnungen „Makedonien“, „Makedonierin bzw. Makedonier“, „Makedonisch“ und „makedonisch“ durch die Vertragspartner geregelt. Gegenseitig anerkannt wird auch, dass hinter diesen Begriffen verschiedene kulturelle und historische Kontexte stehen. So hat der „Makedonismus“ für Griechenland einen anderen kulturellen und historischen Kontext, als der der Republik Makedonien. Ein gemeinsamer, interdisziplinärer Sachverständigenausschuss für Geschichts-, Archäologie- und Bildungsfragen wurde eingerichtet, um die objektiv-wissenschaftliche Interpretation historischer Ereignisse durchzuführen, basierend auf authentischen, evidenzbasierten und wissenschaftlich fundierten Quellen und archäologischen Funden.

Zunächst sollten die Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien über den Vertrag und dessen verfassungsrechtlichen Implementierung entscheiden. Bei diesem Referendum am 30.09.2018 hatten allerdings nur 34,15 Prozent der 1.806.336 registrierten Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Zwar haben 90,94 Prozent der Abstimmenden für das Prespa-Abkommen mit Griechenland gestimmt, doch war für die Gültigkeit des Referendums eine Abstimmungsbeteiligung von über 50 Prozent bzw. von mindestens 903.169 Wahlberechtigten erforderlich.

Die konkrete Frage bei dem Referendum lautete: „Sind Sie für die Mitgliedschaft in EU und NATO durch die Annahme des Abkommens zwischen Makedonien und Griechenland?“. Diese komplexe Fragestellung war sehr umstritten. Trotz der Verknüpfung der Frage mit einer möglichen EU- und NATO-Mitgliedschaft der Republik Makedonien ging es in erster Linie um den Namenskompromiss mit Griechenland. Im Ergebnis hat die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien das Prespa-Abkommen nicht aktiv unterstützt, jedoch auch nicht ausdrücklich abgelehnt. Damit blieb von Seiten des makedonischen Staatsvolkes die Antwort auf die ausgehandelte Klärung der makedonischen Frage offen. Infolge lag die Entscheidung beim Parlament der Republik Makedonien.

Für die notwendige Änderung der Verfassung der Republik Makedonien war eine Zweidrittelmehrheit unter allen Abgeordneten des Parlaments erforderlich, was 80 von 120 Abgeordneten entsprach. Dazu wurden auch Stimmen aus der Opposition, darunter von Abgeordneten der IMRO-DPMNE benötigt. Um diesen zu gewinnen schlug Ministerpräsident Zoran Zaev einen Versöhnungsprozess mit der IMRO-DPMNE vor, in dem es auch zu einer bedingten Amnestie für die Erstürmung des Parlaments am 27.04.2017 durch Angehörige und Anhänger der IMRO-DPMNE kommen sollte. Mit dieser Erstürmung sollte die Wahl des Parlamentspräsidenten und damit im Ergebnis der Regierungswechsel verhindert werden  Das dann im Dezember 2018 beschlossene Amnestiegesetz war und ist aus Sicht des Rechtsstaates umstritten. Mit diesem wurden die Teilnehmer an der Parlamentsstürmung, hauptsächlich Angehörige und Mitglieder der IMRO-DPMNE, grundsätzlich amnestiert. Nur schwerere Straftaten, wie etwa Körperverletzung, wurden von dieser Amnestie nicht erfasst.

Für die Änderung der makedonischen Verfassung waren insgesamt drei Abstimmungen erforderlich. Am späten Abend des 19.10.2018 fand die erste Abstimmung statt. Mit einer Mehrheit von Zweidritteln aller Abgeordneten, 81 von 120 Abgeordnete stimmten der Änderung der Verfassung zu, wurde der Prozess zur verfassungsrechtlichen Implementierung des Prespa-Abkommens eingeleitet. Insgesamt neun Stimmen kamen von der Opposition, davon acht aus den Reihen der national-konservativen IMRO-DPMNE (VMRO-DPMNE).

Die acht Abgeordneten der IMRO-DPMNE hatten sich gegen die Linie ihrer Partei gestellt und wurden daher aus der Partei ausgeschlossen. Zwar kritisieren sie auch das Prespa-Abkommen, doch wollten sie, dass die Republik Makedonien eine Zukunft in der Europäischen Union (EU) und NATO hat. Bei einem Scheitern der Verfassungsänderung wäre diese wohl für lange Zeit verbaut gewesen. Allerdings haben die Abgeordneten der IMRO-DPMNE für ihre Zustimmung folgende Bedingungen gestellt: So sollte u.a. die makedonische Identität garantiert bleiben und die Verfassungsänderung erst wirksam werden, wenn Griechenland das Prespa-Abkommen und den Beitritt der Republik Nord-Makedonien zur NATO ratifiziert hat. Auch verlangten sie einen Beitrag zur Aussöhnung zwischen der Regierung und der oppositionellen IMRO-DPMNE, was eine mögliche Amnestie für begangene Straftaten beinhalten sollte.

In einer zweiten Abstimmung vom 02./03.12.2018 bestätigte das Parlament der Republik Makedonien alle vier Verfassungsänderungsentwürfe (XXXIII, XXXIV, XXXV und XXXVI) mit der erforderlichen absoluten Mehrheit.

Mit der dritten parlamentarischen Abstimmung zur Änderung der makedonischen Verfassung vom 11.01.2019 wurde diese formell geändert und der Vertrag in der Republik Makedonien verfassungsrechtlich implementiert. Daraufhin ratifiziertes das griechische Parlament am 25.01.2019 den Prespa-Vertrag mit einer absoluten Mehrheit von 153 von 300 Stimmen und am 08.02.2019 das NATO-Beitrittsprotokoll für die Republik Nord-Makedonien.

Die Verfassungsänderungen in der Republik Makedonien traten vier Tage nach dieser letzten Ratifizierung in Kraft. Seit dem 12.02.2019 hat der Staatsname „Republik Nord-Makedonien“ sowohl die bisherige verfassungsmäßige Bezeichnung „Republik Makedonien“ als auch die provisorische UN-Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ vollständig ersetzt. Damit ist der seit Mai 1991 bestehende Streit um den Namen Makedonien formell überwunden. Der zugrundeliegende Kulturstreit ist damit aber längst noch nicht beendet. Diese muss im Rahmen der bestehenden Lösungsmechanismen endgültig geklärt werden.

Die Lösung des Kultur- und Namensstreits um „Makedonien“

Die nun implementierte Lösung hat folgende Eckpunkte:

  • Die Republik Makedonien heißt nun offiziell „Republik Nord-Makedonien“. Dieser Name ersetzt vollständig sowohl den bisherigen verfassungsmäßigen Namen „Republik Makedonien“ als auch die provisorische UN-Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ und gilt uneingeschränkt für den allgemeinen Gebrauch („erga omnes“). Die bisherigen Länderkennungen „MK“ und „MKD“ bleiben jedoch bestehen. Nur auf den Kraftfahrzeugkennzeichen müssen diese durch „NM“ oder „NMK“ ersetzt werden.
  • Griechenland erkennt die makedonische Sprache unter der Bezeichnung „Makedonisch“ an. Im Prespa-Vertrag ist jedoch vermerkt, dass es sich hierbei um eine südslawische Sprache handelt, welche nichts mit der nicht mehr existierenden antiken makedonischen Sprache zu tun hat.
  • Griechenland akzeptiert die Bezeichnung der Nationalität „Makedonisch / Bürger der Republik Nord-Makedonien“.
  • Griechenland akzeptiert die Selbstidentifikation des makedonischen Volkes als Ausdruck seines Selbstbestimmungsrechtes. Damit erkennt Griechenland zwar nicht explizit, jedoch implizit die Bezeichnung der Nation der Republik Nord-Makedonien als „Makedonisch“ an. Das bezieht sich sowohl auf die makedonische Kulturnation als auch auf die makedonische Staatsnation. Im Ergebnis erkennt Griechenland damit eine makedonische Nation an.
  • Neben der verfassungsrechtlichen Verankerung des Staatsnamens und aller sich daraus ergebenen staatlichen Bezeichnungen wurden auch die Präambel, Artikel 3 (Veränderung der Grenzen) und Artikel 49 (Angehörige des makedonischen Volkes im Ausland) geändert. Diese Änderungen bekräftigen, dass die Republik Nord-Makedonien keine territorialen Ansprüche gegenüber ihren Nachbarstaaten hat und sich nicht in deren innere Angelegenheiten einmischen wird.
  • Der Vertrag sieht als sehr wichtigen Punkt die objektiv-wissenschaftliche Interpretation von historischen Sachverhalten vor. Zu diesem Zweck haben Griechenland und die Republik (Nord-)Makedonien einen paritätisch organisierten, gemeinsamen und interdisziplinären Sachverständigenausschuss für Geschichts-, Archäologie- und Bildungsfragen eingerichtet. Dieser soll eine objektiv-wissenschaftliche Interpretation historischer Ereignisse durchführen, basierend auf authentischen, evidenzbasierten und wissenschaftlich fundierten Quellen und archäologischen Funden.
  • In der Vereinbarung wird die Verwendung der Bezeichnungen „Makedonien“, „Makedonier“ „Makedonisch“ und „makedonisch“ durch die Vertragspartner geregelt. Anerkannt wird, dass unter diesen Begriffen verschiedene kulturelle und historische Kontexte stehen. So hat der „Makedonismus“ für Griechenland einen anderen kulturellen und historischen Kontext als der der Republik (Nord-)Makedonien. Die Republik Nord-Makedonien darf sich nicht auf den kulturellen und historischen Kontext zu Makedonien beziehen, welcher der griechischen Kultur und Geschichte zugerechnet wird. So werden z.B. im Ergebnis das antike Makedonien und die antiken Makedonier der griechischen Kultur und Geschichte zugerechnet.
  • Die kommerzielle Verwendung der oben genannten Bezeichnungen (z.B. als Handelsnamen und Handelsmarken) soll im Rahmen eines Dialoges geklärt werden. Dazu wird ein paritätisch organisiertes Expertengremium im Rahmen der Europäischen Union (EU), unter Beteiligung der Vereinten Nationen (UN) und der „Internationalen Organisation für Normung“ („ISO“), eingerichtet, welches im Jahr 2019 seine Arbeit aufnahm.
  • Griechenland gibt die Blockade gegen eine Mitgliedschaft der Republik Nord-Makedonien in der Europäischen Union (EU) und NATO ausdrücklich auf und unterstützt diese Mitgliedschaften aktiv.
  • Die bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und der Republik Nord-Makedonien werden auf verschiedenen Gebieten (u.a. Kultur, Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft, Tourismus, Sicherheit) ausgebaut und vertieft.

Zum Staatsnamen „Republik Nord-Makedonien“

Der jetzt gültige neue Staatsname der Republik Makedonien lautet auf Englisch „Republic of North Macedonia“ und in der Kurzschreibweise „North Macedonia“. Übersetzt ins Deutsche würde der Staatsname „Republik Nord-Makedonien“ bzw. „Nord-Makedonien“ oder „Republik Nordmakedonien“ bzw. „Nordmakedonien“ lauten. Letztere Schreibweise ohne Bindestrich wird auch im offiziellen amtlichen Verkehr der Bundesrepublik Deutschland Anwendung finden. Nach Vorgaben des makedonischen Außenministeriums soll die Bindestrich-Schreibweise „Nord-Makedonien“ verwendet werden. Im Griechischen lautet der neue Name „Δημοκρατία της Βόρειας Μακεδονίας” („Dimokratía tis Vóreias Makedonías“) bzw. „Βόρεια Μακεδονία” („Vóreia Makedonía“) und im Makedonischen „Република Северна Македонија“ („Republika Severna Makedonija“) bzw. „Северна Македонија“ („Severna Makedonija“). Der neue Staatsname gilt für den allgemeinen und uneingeschränkten Gebrauch („erga omnes“). Er ersetzt vollständig die bisherige verfassungsmäßige Bezeichnung „Republik Makedonien“ und die provisorische UN-Bezeichnung „Die Ehemaligen Jugoslawische Republik Makedonien“.

Es ist nach meiner Auffassung nicht ersichtlich, warum ein zusammengesetzter Name mit geografischer Spezifizierung überhaupt notwendig ist. Auch mit der bisherigen verfassungsmäßigen Bezeichnung „Republik Makedonien“ wäre eine ausreichende Abgrenzung zur griechischen Region Makedonien und ihrer Bevölkerung möglich. Auf der einen Seite die „Republik Makedonien“ als einziges Völkerrechtssubjekt, auf der anderen Seite die griechischen Regionen „Westmakedonien“, „Zentralmakedonien“ und „Ostmakedonien-Thrakien“ als völkerrechtliche Bestandteile Griechenlands. Die neue Staatsbezeichnung mit geografischer Spezifizierung, Republik Nord-Makedonien, führt eher zu mehr als zu weniger Missverständnissen in der makedonischen Frage. Denn es entsteht so noch mehr der Eindruck eines geteilten Ganzen (wie z.B. im Falle von Nord- und Süd-Korea oder Nord- und Süd-Zypern). Hingegen wären die kulturellen Unterschiede zwischen der griechischen Region Makedonien bzw. den griechischen Makedoniern und der Republik Nord-Makedonien bzw. den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern aus dem Staatsnamen erst recht nicht mehr ersichtlich. Auch wenn der neue Staatsname ein symbolträchtiges Zugeständnis an Griechenland war, ein wirklicher Gewinn für Griechenland ist er nicht.

Aus Sicht des Völkerrechts stellt im Übrigen die Verwendung eines Namens, der zugleich auch als Name eines anderen Staates oder einer Region innerhalb eines anderen Staates verwendet wird, kein Problem dar. Beispiele hierfür sind die Demokratische Republik Kongo und die Republik Kongo (zwei Völkerrechtssubjekte), das Großherzogtum Luxemburg (Völkerrechtssubjekt) und die belgische Provinz Luxemburg oder auch die Aserbaidschanische Republik (Völkerrechtssubjekt) und die iranische Provinz Aserbaidschan. Dies kommt regelmäßig in den Fällen vor, wo eine historisch gewachsene geografische Region mit einem bestimmten Namen auf mehrere Staaten verteilt ist. Liegt der entsprechende Staat vollständig in dieser Region, kann es auch seine völkerrechtliche bzw. staatsrechtliche Bezeichnung vom Namen dieser Region ableiten (Territorialableitung). Liegen nur Teile eines Staates in einer bestimmten Region, werden die entsprechenden Provinzen dieses Staates nach dieser Region benannt. Im Falle der geografischen Region Makedonien und der an ihr beteiligten Staaten sollte dies nicht anders gehandhabt werden. Demnach würde die Republik Makedonien aus völkerrechtlicher Sicht zu Recht den Namen Makedonien tragen, ohne die völkerrechtlichen Rechte Griechenlands zu verletzten.

Es ist daher möglich, dass eines Tages der Name „Republik Nord-Makedonien“ zwischen dieser und Griechenland wieder zur Disposition stehen wird. Es könnte daher sehr gut möglich sein, dass irgendwann im Rahmen von Verhandlungen zwischen Griechenland und der Republik Nord-Makedonien wieder zur ursprünglichen Bezeichnung „Republik Makedonien“ zurückgekehrt wird.

Die makedonische Nation und Sprache

Griechenland erkennt die Nation und Sprache der Republik Nord-Makedonien als „Makedonisch“ an. Es wird vertraglich allerdings klargestellt, dass diese Nation und Sprache südslawisch ist und nichts mit der griechischen Region Makedonien und ihrer Bevölkerung zu tun hat. Griechenland erkennt die Selbstidentifikation der ethnischen bzw. slawischen Makedonier im Rahmen ihres Staates als Ausdruck ihres Selbstbestimmungsrechtes ausdrücklich an. Das ist zwar keine explizierte Anerkennung einer eigenständigen makedonischen Kulturnation, jedoch eine faktische. Daran ändern auch die offiziellen Aussagen Griechenlands nichts, dass sie keine eigenständige makedonische Kulturnation anerkannt hätten.

Allerdings erkennt Griechenland auf seinem Territorium keine ethnischen Minderheiten an. Nur eine religiöse Minderheit, obwohl es eigentlich eine ethnische ist, wird anerkannt: Die muslimische Minderheit in der griechischen Region Thrakien, welche allerdings aus muslimischen Bulgaren (Pomaken) und ethnischen Türken besteht. In der griechischen Region Makedonien leben auch ethische bzw. slawische Makedonier, welche „Makedonisch“ sprechen. Ihre Anzahl wird auf rund 50.000 Personen geschätzt, welche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der Hellenischen Republik sind. Allerdings werden ihre kulturellen Eigenheiten nicht gefördert und negiert. Nach Auffassung Griechenlands würde es sich um Griechinnen und Griechen handeln, welche auch einen slawischen Dialekt sprechen. Dieser Dialekt oder diese südslawische Sprache wird allerdings offiziell nicht als Makedonisch anerkannt.

Als „Makedonisch“ wird ausdrücklich nur die Amtssprache der Republik Nord-Makedonien anerkannt, wie sie bereits auf der Dritten Konferenz der Vereinten Nationen über die Standardisierung geografischer Namen in Athen im Jahr 1977 anerkannt wurde. Griechenland reagiert sehr ablehnend und emotional auf eine mögliche ethnisch-slawisch-makedonische Minderheit auf seinem Territorium. Besonders seit dem griechischen Bürgerkrieg von 1943/1946 bis 1949, in dem diese Volksgruppe überwiegend auf Seiten der griechischen Kommunisten und mit Unterstützung unter anderem aus der kommunistisch-jugoslawischen Föderation gekämpft hatte. Seitdem wurde in dieser Volksgruppe und in einem nicht-griechischen Makedonismus eine Gefahr für die territoriale Integrität Griechenlands gesehen. Diese Auffassung wurde nach dem Bürgerkrieg von den Siegern kultiviert und ist bis heute weit verbreitet. An einer objektiven Aufklärung fehlte es. Durch das Prespa-Abkommen wird eine Einflussmöglichkeit der Republik Nord-Makedonien zugunsten der ethnisch-slawisch-makedonischen Minderheit in Griechenland zunächst weitgehend ausgeschlossen.

Dies ist zunächst tatsächlich ein Nachteil der vereinbarten und nun ratifizierten Lösung. Allerdings dürfte das wichtigste Ziel der erreichten Lösung zunächst die Verbesserung der bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und der Republik Nord-Makedonien sein. Erst einmal muss eine freundschaftliche und vertrauensvolle Beziehung zwischen beiden Staaten und ihren Nationen aufgebaut werden. Dies ermöglicht die erreichte Lösung auch. Wenn dieses Ziel erreicht worden ist, dann wird auch über eine mögliche Regelung der Minderheitenfrage in Griechenland viel entspannter und sachlicher gesprochen werden können. Hinzu kommt, dass die Bürgerkriegsgeneration auch immer mehr ausstirbt. Des Weiteren soll die Bildungspolitik nach objektiv-wissenschaftlichen Interpretationen von historischen Ereignissen durchgeführt werden, wie sie vom paritätisch zusammengesetzten Sachverständigenausschuss für Geschichts-, Archäologie- und Bildungsfragen erarbeitet wurden. Unter diesen geänderten Rahmenbedingungen ist eine Übereinkunft über eine mögliche ethnisch-slawisch-makedonische Minderheit im Rahmen der griechischen Staatsnation durchaus möglich. Dann dürfte auch eine Anerkennung und Förderung der makedonischen Sprache in Griechenland möglich sein. Selbstverständlich unter vollständige Wahrung der territorialen Integrität Griechenlands.

Die zwischen Griechenland und der Republik (Nord-)Makedonien erreichte Lösung erkennt die makedonische Antwort auf die makedonische Frage für das Territorium der Republik Nord-Makedonien durchaus an. Nach dieser Antwort gibt es auf dem Territorium der Republik Nord-Makedonien nicht nur eine makedonische Staatsnation und Amtssprache, sondern auch eine makedonische Kulturnation und -sprache. Das ist ein wichtiges Kernelement der erreichten Lösung.

Die objektive Klärung der makedonischen Frage

Die Begriffe „Makedonien“, „Makedonierin bzw. Makedonier“, „Makedonisch“ und „makedonisch“ haben zu unterschiedlichen Zeiten auch unterschiedliche Bedeutungen gehabt. So unterscheiden sich das antike Makedonien und die antiken Makedonier vom heutigen Makedonien und von den heutigen Makedoniern. Heute muss zwischen dem griechischen Makedonien (geografisch: Süd-Makedonien) und den griechischen Makedoniern auf der einen und der Republik Nord-Makedonien und den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern auf der anderen Seite unterschieden werden. Dies legt der Prespa-Vertrag ausdrücklich fest, da gegenseitig anerkannt wird, dass unter den oben genannten Begriffen verschiedene kulturelle und historische Kontexte stehen. So hat der „Makedonismus“ für Griechenland einen anderen kulturellen und historischen Kontext als der der Republik Nord-Makedonien.

Im Ergebnis dürften das antike Makedonien und die antiken Makedonier der Kultur und Geschichte Griechenlands zugeordnet werden. Hierbei sind die heutigen griechischen Makedonier Teil der griechischen Kulturnation. Die ethnischen bzw. slawischen Makedonier haben ihre eigene Kultur und Geschichte, welche sich von der Griechenlands und der griechischen Region Makedonien unterscheiden.

Ein gemeinsamer, interdisziplinärer Sachverständigenausschuss für Geschichts-, Archäologie- und Bildungsfragen wird eine objektiv-wissenschaftliche Interpretation von historischen Sachverhalten durchführen, welche auf authentische, evidenzbasierte und wissenschaftlich fundierte Quellen und archäologische Funde basieren. Die Arbeit dieses Sachverständigenausschusses wird von den Außenministerien Griechenlands und der Republik Nord-Makedonien in Zusammenarbeit mit anderen zuständigen nationalen Behörden überwacht. Der Ausschuss prüft nach eigenem Ermessen alle Schulbücher und Schulhilfsmittel, wie Karten, historische Atlanten, Lehrpläne (nachfolgend zusammengefasst als Lehrmittel bezeichnet), welche im Gebrauch von Griechenland und der Republik Nord-Makedonien sind. Diese Überprüfung erfolgt in Übereinstimmung mit den Prinzipien und Zielen der UNESCO und des Europarates. Zu diesem Zweck legt der Ausschuss einen genauen Zeitplan fest, um beiden Vertragsstaaten zu übermitteln, welche Lehrmittel, die ein Jahr nach der Unterzeichnung des Prespa-Abkommens vom 17.06.2018 in Gebrauch sind, irredentistische oder revisionistische Verweise enthalten. Hierbei werden auch neue Ausgaben von Lehrmitteln geprüft. Der Sachverständigenausschuss wird regelmäßig, mindestens jedoch zweimal jährlich einberufen, spricht Empfehlungen aus und erstellt einen jährlichen Tätigkeitsbericht.

Diese Punkte sind nach meiner Auffassung die wichtigsten Ansätze zur Lösung des Kulturstreits um Makedonien und des daraus resultierenden Namensstreits. Denn dieser Streit kann nur inhaltlich nach objektiv-wissenschaftlichen Kriterien und mit entsprechenden Methoden geklärt werden. Diese Klärung muss dann in den Bildungssystemen Griechenlands und der Republik Nord-Makedonien umgesetzt werden. Dies ist der beste Weg zur Bekämpfung und Verhinderung von Irredentismus und Revisionismus.

Hinweise zur Verwendung der Bezeichnungen nach dem Prespa-Abkommen

In Anbetracht der erfolgten Änderung des offiziellen Namens von Republik Makedonien zu Republik Nord-Makedonien gab das Außenministerium der Republik Nord-Makedonien im Februar 2019 nachfolgenden Leitlinien für das Schreiben von Informationen über die Republik Nord-Makedonien in Übereinstimmung mit dem Prespa-Abkommen heraus. Aufgrund des Prespa-Abkommens und dessen Umsetzung gilt folgendes:

  • Der offizielle Staatsname ist „Republik Nord-Makedonien“ bzw. in Kurzform „Nord-Makedonien“
  • Nationalität: „Makedonisch / Bürger der Republik Nord-Makedonien“
  • Amtssprache: „Makedonische Sprache“
  • Ländercodes: „MK“ und „MKD“ (außer Kraftfahrzeugkennzeichen, dort gilt: „NM“ oder „NMK“
  • Das Adjektiv „Makedonisch“ wird verwendet, wenn auf die ethnische und kulturelle Identität der Menschen sowie ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Geschichte, ihr Erbe, ihr Territorium und anderen Eigenschaften Bezug genommen wird. Diese Begriffe unterscheiden sich in diesem Zusammenhang deutlich von den gleichnamigen Begriffen, welche in Griechenland für ihre nördliche Region Makedonien und ihre Bewohner verwendet werden.

Richtige Beispiele: Makedonische ethnische Identität, Makedonische Sprache, Makedonische Kultur, Makedonisches Gebiet, Makedonische Bevölkerung, Makedonier, ethnische Makedonier, Makedonische Geschichte, Makedonische Berge, Makedonische Literatur; das makedonische kyrillische Alphabet, Makedonisches Essen, Makedonische Kirchen, usw.

Falsche Beispiele: Andere Adjektive wie Nord-Makedonisch, Nord-Makedonier, N. Makedonisch, N. Makedonier, Nord-Makedonischer Wein, Nord-Makedonische Ethnie, Nord-Makedonische Kultur, Nord-Makedonische Geschichte, Nord-Makedonische Sprache, usw.

Die adjektiven Bezeichnungen des Staates, seiner offiziellen Organe und anderer öffentlicher Körperschaften sowie privater Körperschaften und Akteure, die mit dem Staat verbunden sind und/oder von diesem finanziell unterstützt werden, sind gesetzlich festgelegt und sollen lauten: „Republik Nord-Makedonien“ bzw. „Nord-Makedonien“.

Korrekte Beispiele für den Staat, seine offiziellen Stellen und andere öffentliche Einrichtungen: Parlament der Republik Nord-Makedonien bzw. Parlament von Nord-Makedonien, Präsident der Republik Nord-Makedonien bzw. Präsident von Nord-Makedonien, Regierung der Republik Nord-Makedonien bzw. Regierung von Nord-Makedonien, Außenminister der Republik Nord-Makedonien, Verteidigungsminister von Nord-Makedonien, Gemeinde Ohrid in Nord-Makedonien, die Universität St. Cyril und Methodius von Nord-Makedonien, usw.

Eine falsche Schreibweise wäre in Verbindung mit den Adjektiven Nord-Makedonisch, N. Makedonisch, Makedonisch, makedonisch, usw. gegeben. Beispiele für falsche Schreibweisen: Nord-Makedonisches Parlament, Nord-Makedonischer Präsident, Nord-Makedonische Regierung, Nord-Makedonischer Außenminister, makedonischer Verteidigungsminister, usw.

Das Adjektiv für andere Bereiche kann auch „Makedonisch“ sein. Richtige Beispiele hierfür wären: Die makedonische Wirtschaft, der Gesundheitssektor der Republik Nord-Makedonien, Makedonische Kunst, Makedonische Musik, Makedonische Landwirtschaft, Makedonische Architektur, die Lebensmittelindustrie in Nord-Makedonien, usw.

Ein  falsches Adjektiv wäre in diesem Zusammenhang: „Nord-Makedonisch“ bzw. „nord-makedonisch“. Beispiele für die falsche Schreibweise wären: Die nord-makedonische Wirtschaft, der nord-makedonische Gesundheitssektor, Nord-Makedonische Kunst, Nord-Makedonische Musik, Nord-Makedonische Landwirtschaft, Nord-Makedonische Architektur, die nord-makedonische Lebensmittelindustrie, usw.

Die falschen Schreibweisen sollen nicht verwendet werden. Ausschließlich die hier als korrekt aufgeführten Schreibweisen sollen Anwendung finden. In der deutschen Übersetzung ist nach meiner Auffassung überdies die Bindestrichschreibweise „Nord-Makedonien“ und nicht die zusammengesetzte Schreibweise „Nordmakedonien“ zu verwenden. In der englischen, griechischen und makedonischen Sprache wird dies auch nicht in zusammengesetzter Form geschrieben. Allerdings wird im amtlichen Gebrauch der Bundesrepublik Deutschland die zusammengesetzte Schreibweise „Nordmazedonien“ verwendet.

Die Schreibweisen „Makedonien“ und „Mazedonien“ sind vollkommen gleichwertig und inhaltlich identisch. In den Medien wird teilweise die Schreibweise mit „k“ für die griechische Region Makedonien und die Schreibweise mit „z“ für die Republik Nord-Makedonien verwendet, obwohl es tatsächlich keinen inhaltlichen Unterschied gibt. Die Schreibweise mit „k“ wird in der griechischen Schreibweise („Μακεδονία“) und in der makedonischen Schreibweise („Македонија“) verwendet. Die nur im Deutschen verwendete Schreibweise mit „z“ ist eine Ableitung aus der lateinischen Schreibweise „Macedonia“.  

Fazit: Nur bezüglich des Staates, seiner Organe, der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und der privaten mit dem Staat verbundenen Organisationen und Akteure ist ausschließlich die Bezeichnung „Republik Nord-Makedonien“ bzw. „Nord-Makedonien“ zu verwenden. Die Bezeichnungen „Nord-Makedonierin“ bzw. „Nord-Makedonier“ und das Adjektiv „Nord-Makedonisch“ bzw. „nord-makedonisch“ sollen in keinem Fall verwendet werden. In allen anderen Fällen, etwa in ethnischen, kulturellen, geschichtlichen und sprachlichen Angelegenheiten, bleibt es bei den Bezeichnungen „Makedonien“, „Makedonierin“ bzw. „Makedonier“, „Makedonisch“ und „makedonisch“. Wobei im Prespa-Abkommen festgelegt ist, dass diese Bezeichnungen für Nord-Makedonien einen anderen kulturellen und historischen Kontext haben als für Griechenland und seine nördliche Region Makedonien. Hier muss also formell und inhaltlich klar unterschieden werden.

Schlusswort und Fazit

Der Kulturstreit um „Makedonien“ und der daraus resultierende Namensstreit wurden formell beendet. Damit gibt Griechenland auch die Blockade einer möglichen Mitgliedschaft der Republik Nord-Makedonien in der EU und NATO auf und unterstützt diese Mitgliedschaften sogar aktiv. Seit März 2020 ist die Republik Nord-Makedonien Mitglied der NATO. Ebenfalls im März 2020 beschloss der Europäische Rat den offiziellen Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit Nord-Makedonien. Am 07.07.2019 fanden in Griechenland vorgezogene Parlamentswahlen statt. Die konservative Nea Dimokratia (ND) wurde stärkste Kraft und ihr Vorsitzender Kyriakos Mitsotakis wurde am darauffolgenden Tag als Ministerpräsident vereidigt. Obwohl die ND und ihr Vorsitzender Gegner des Prespa-Abkommens zur Lösung des Kultur- und Namensstreits mit Nord-Makedonien waren, halten sie den Vertrag als Regierung ein.

In den Köpfen der Bevölkerungen von Griechenland und der Republik Nord-Makedonien wird dieser Kulturstreit natürlich vorerst noch weiter existieren. In Griechenland lehnen ca. 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger die erreichte Lösung noch ab. Die Bürgerinnen und Bürger der Republik Nord-Makedonien sind ebenfalls gespalten. Nicht wenige dürften nur aus pragmatischen Gründen für die erreichte Lösung sein, weil sie sich daraus eine bessere Zukunft erhoffen. Der Weg bis zu einer tatsächlichen Überwindung des Kulturstreits um Makedonien dürfte daher noch weit und steinig sein. Dennoch muss dieser Weg nun gegangen werden.

Das vorliegende Lösungskonzept bietet hier jedoch eine Strategie, welche den Kulturkampf um Makedonien auch in den Köpfen der beteiligten Menschen überwinden wird: Wissenschaft und Bildung. Im Rahmen der Wissenschaft werden historische Sachverhalte evaluiert und objektiv interpretiert. Die so gewonnenen Ergebnisse bzw. Erkenntnisse werden dann in den Bildungssystemen von Griechenland und der Republik Nord-Makedonien umgesetzt. Wissenschaft und Bildung sind die besten Methoden den Nationalisten auf beiden Seiten die Grundlagen zu entziehen. Offene Streitpunkte, welche derzeit noch unlösbar sind, wie etwa die Frage nach einer ethnisch-slawisch-makedonischen Minderheit in Griechenland, könnten aufgrund einer erfolgreichen Implementierung des Prespa-Vertrages in Zukunft unter gut entwickelten nachbarschaftlichen, freundschaftlichen und vertrauensvollen Beziehungen wesentlich besser geklärt und gelöst werden. Selbst der Name „Republik Nord-Makedonien“ könnte eines Tages einvernehmlich wieder in „Republik Makedonien“ umgeändert werden.

Die Menschen in der geografischen Region Makedonien in Bulgarien, Griechenland und der Republik Nord-Makedonien werden die vielseitige Kultur und Geschichte dieses Gebietes gegenseitig anerkennen und schätzen lernen. Die geografische Region Makedonien wird eines Tages unter dem Dach der EU vereint sein. Für die Nationen und Nationalitäten von Bulgarien, Griechenland und der Republik Nord-Makedonien kann die geografische Region Makedonien ein verbindender Faktor sein. Dieses trägt zu guten nachbarschaftlichen Beziehungen, Frieden und Stabilität in der betroffenen Region bei. Eines Tages könnte unter dem Dach der EU eine europäische Kulturregion Makedonien entstehen, an der Bulgarien, Griechenland und die Republik Nord-Makedonien beteiligt sind. Wenn alles klappt, ermöglicht die vereinbarte Lösung eine prosperierende Entwicklung in Makedonien zum Wohle aller dort lebenden Menschen.

Persönliche Anmerkung

Sowohl meine seit 2008 veröffentlichten Lösungskonzepte zum Kulturstreit um Makedonien und des daraus resultierenden Namensstreits als auch die von Goran Popcanovski und mir gemeinsam im Jahre 2009 erarbeiten und veröffentlichten Lösungskonzepte sehen als zentrale Kernpunkte vor:

  • Die objektiv-wissenschaftliche Klärung von kulturellen und geschichtlichen Sachverhalten durch einen Expertenausschuss unter Beteiligung der betroffenen Parteien,
  • Die Umsetzung dieser objektiv-wissenschaftlichen Klärung im Rahmen der Bildungs-, Kultur- und Informationspolitik der betroffenen Parteien,
  • Die formelle und materielle (inhaltliche) Differenzierung der Begriffe „Makedonien“, „Makedonier“, „Makedonisch“ und „makedonisch“ nach örtlichen, zeitlichen, kulturellen, geschichtlichen und personellen Kriterien.
  • Die gegenseitige Achtung und Anerkennung der bestehenden völkerrechtlichen Grenzen, der territorialen Integrität und Souveränität der beteiligten Staaten.

Diese Punkte wurden im Prespa-Abkommen vom 17.06.2018 vollständig berücksichtigt und werden von nun an von Griechenland und der Republik Nord-Makedonien praktiziert. Für Goran Popcanovski und für mich sind damit die wesentlichen Ziele unserer Arbeit an der Überwindung des Kulturstreits um „Makedonien“ und des daraus resultierenden Namensstreits erreicht worden. Die geografische Spezifizierung „Nord“ im Staatsnamen der Republik Nord-Makedonien halten wir weiterhin für nicht notwendig, da diese entgegen der griechischen Auffassung nicht zur Klärung der makedonischen Frage beiträgt und eher zu mehr Missverständnissen in dieser Frage führt. Eines Tages dürfte daher zumindest die Chance bestehen im Rahmen von Verhandlungen wieder einvernehmlich zur Bezeichnung „Republik Makedonien“ zurückzukehren. Fazit: Das Prespa-Abkommen und dessen Umsetzung sind historische, grundlegende und mutige Schritte den Kulturstreit um „Makedonien“ endgültig zum Wohle aller Beteiligten zu überwinden.

Hinweis: Eine ausführliche Darstellung zu den Hintergründen des Kultur- und Namensstreits findet sich in der Abhandlungen „Die makedonische Frage“.