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Gesprächskultur zur Überwindung des Streits um den Namen „Makedonien“

Zaev und Tsipras in Davos (Quelle: vlada.mk)

 

Die Gespräche zur Überwindung des Streits um den Namen „Makedonien“ zwischen Griechenland und der Republik Makedonien im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen finden seit dem Jahr 1993 statt und waren bisher erfolglos. Doch seit Ende 2017 bzw. Anfang 2018 kommt Bewegung in diese Angelegenheit. Diese Bewegung geht jedoch von den Regierungen in Griechenland und der Republik Makedonien selbst aus. Beide Seiten wollen den Streit um den Namen „Makedonien“ noch im Jahr 2018 beilegen. Allerdings gibt es in den Gesellschaften Griechenlands und der Republik Makedonien große Widerstände gegen die angestrebte Lösung. Nach dieser Lösung soll die Bezeichnung „Makedonien“ weiterhin Bestandteil des Staatsnamens der Republik Makedonien bleiben, jedoch in zusammengesetzter Form mit einer geografischen oder zeitlichen Spezifierung in slawischer Sprache, beispielsweise: Republika Nova Makedonija (Republik Neu-Makedonien), Republika Severna Makedonija (Republik Nord-Makedonien) Republika Gorna Makedonija (Republik Ober-Makedonien), Republika Vardarska Makedonija (Republik Vardar-Makedonien) oder  Republika Makedonija (Skopje). In großen Teilen der griechischen Gesellschaft und Politik ist weiterhin die Bezeichnung „Makedonien“ im vorgesehenen Staatsnamen der Republik Makedonien in der Kritik. In der Republik Makedonien ist eine Änderung des Staatsnamens grundsätzlich umstritten. Uneinigkeit besteht auf beiden Seiten auch über die Bezeichnungen für die makedonische Nation, Sprache und Staatsbürgerschaft.

 

Seit dem Jahr 1994 ist der Diplomat Matthew Nimetz als Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für die Gespräche zur Überwindung des Streits um den Namen Makedonien zwischen  Griechenland und der Republik Makedonien zuständig. Im Jahr 2019 gibt es um seine Person genau zwei Jubiläen zu begehen: Er wird 80 Jahre alt und im Falle einer Nichtlösung dieses Streits würde er dann genau seit 25 Jahren erfolglos vermitteln. Tatsächlich würde es jedoch zu kurz greifen, Matthew Nimetz für das Scheitern der Gespräche verantwortlich zu machen. Vielmehr bestehen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien bisher unüberbrückbare Auffassungsunterschiede in der makedonischen Frage. Daher wäre wahrscheinlich auch jeder andere Vermittler gescheitert. Vielmehr sind die Ausdauer und das Bemühen von Matthew Nimetz positiv zu bewerten, endlich zu einer Lösungsfindung zu kommen. Doch wirklich lösen können diesen Streit nur die Hauptakteure Griechenland und die Republik Makedonien.

 

Eine Analyse – Gespräche oder Klärung vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH)

Gespräche sind besonders dann erfolgreich und zielführend, wenn sie auf Augenhöhe stattfinden. Dann sind die Streitparteien stärker gezwungen, zu einem ausgewogenen Kompromiss zu kommen. Ein Beispiel hierfür sind die Gespräche zwischen Serbien und dem Kosovo. Beide Streben in die Europäische Union (EU) und stehen bezüglich einer EU-Mitgliedschaft auf einer Stufe. Die Gespräche zwischen Serbien und dem Kosovo sind in kurzer Zeit relativ erfolgreich gewesen. Vor allem in vielen praktischen Fragen konnten Lösungen gefunden und Übereinkünfte geschlossen werden. Anders ist die Gesprächssituation, wenn ein Partner aufgrund der Rahmenbedingungen privilegiert ist. Ein besonders markantes Beispiel ist der israelisch-palästinensische Konflikt. Hier verhandeln die Partner nicht auf Augenhöhe. Israel ist ein funktionierender Staat, der völkerrechtlich anerkannt ist. Des Weiteren ist Israel militärisch stark und hat in der UN-Veto-Macht USA einen mächtigen Partner. Die Palästinenser verfügen über keinen Staat. Während für Israel der Status quo derzeit noch akzeptabel ist, muss er von palästinensischer Seite schnellstmöglich überwunden werden. Unter diesen Bedingungen ist ein ausgewogener Kompromiss zwischen beiden Seiten schwer herbeizuführen. Bei etwa gleichstarken Parteien wird der Kompromiss wohl in der Mitte liegen. Die Parteien werden dann wohl auch zu schmerzlichen Kompromissen bereit sein oder scheitern gemeinsam mit gleichwertigen Folgen für alle Beteiligten. Wenn jedoch eine Partei privilegiert und stark ist, dann dürfte der Kompromiss zugunsten dieser ausfallen. Das Völkerrecht bietet bisher keine geeigneten Mechanismen, die unterschiedlichen Voraussetzungen der Parteien so auszugleichen, dass keine Seite bevorzugt oder benachteiligt wird.

 

Unabhängig von inhaltlichen Fragen im Streit um den Namen „Makedonien“ gibt es auch im Falle von Griechenland und der Republik Makedonien ein Ungleichgewicht. Griechenland ist Mitglied in der Europäischen Union (EU) und NATO. Die Republik Makedonien strebt diese Mitgliedschaften an, welche bisher von Griechenland verhindert wurden. Auch hier zeigt sich im Ergebnis, wie wirkungslos die Mechanismen des Völkerrechts sind. Ein Interimsabkommen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien vom 13. September 1995 regelt die mögliche Mitgliedschaft der Republik Makedonien in internationalen Organisationen, in denen Griechenland bereits Mitglied ist. Griechenland hat sich in diesem Abkommen dazu verpflichtet, die Mitgliedschaft der Republik Makedonien in solchen Organisationen zu unterstützen und nicht zu verhindern, solange diese unter der provisorischen UN-Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ beizutreten versucht. Aufgrund des Namensstreits wurde die Republik Makedonien unter dieser provisorischen Bezeichnung, wohl auch unter Verletzung der UN-Charta, am 08. April 1993 in die Vereinten Nationen aufgenommen. Griechenland hält sich jedoch nicht an das Interimsabkommen und verhindert bisher sowohl eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der EU als auch in der NATO. Im Falle der Verhinderung einer NATO-Mitgliedschaft der Republik Makedonien durch Griechenland kam es zu einem Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Die Republik Makedonien verklagte Griechenland und bekam durch ein entsprechendes Urteil des IGH vom 05. Dezember 2011 Recht. Allerdings blieb das Urteil im Ergebnis wirkungslos. Zwar war die Republik Makedonien im Recht, konnte dieses Recht aber nicht durchsetzen.

 

Die Aufnahme der Republik Makedonien in die Vereinten Nationen unter einer provisorischen Bezeichnung dürfte ebenfalls gegen die UN-Charta und damit gegen geltendes grundlegendes Völkerrecht verstoßen haben. Nach einem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) vom 28. Mai 1948 sind die in Artikeln der UN-Charta definierten Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen abschließend und dürfen ohne eine Änderung der UN-Charta, auch nicht aus politischen Erwägungen heraus, erweitert werden. Die UN-Generalversammlung beschloss am 08. Dezember 1948 das Ergebnis des IGH-Gutachtens vom 28. Mai 1948 als verbindlich für die Aufnahmen von Staaten in die Vereinten Nationen anzuerkennen. Der UN-Sicherheitsrat hat mit der Resolution 817 und der daraus resultierenden Empfehlung für die UN-Aufnahme der Republik Makedonien unter einer provisorischen Bezeichnung seine Kompetenzen überschritten, zumal dieser feststellte, dass die Republik Makedonien die in der UN-Charta genannten Voraussetzungen für eine UN-Mitgliedschaft erfüllen würde. Die UN-Generalversammlung hätte gemäß der UN-Charta der Empfehlung des UN-Sicherheitsrates nur im Einklang mit der UN-Charta folgen dürfen und so die „Republik Makedonien“ am 08. April 1993 an sich unter ihrer verfassungsmäßigen Bezeichnung aufnehmen müssen. Die Republik Makedonien könnte auch in diesem Fall vor dem IGH klagen. Allerdings ginge dies nur im Falle einer Aufkündigung des Interimsabkommens vom 13. September 1995, wo eine Klärung des Streits um den Namen Makedonien vor dem IGH ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Eine einseitige Kündigung des Interimsabkommens durch die Republik Makedonien könnte Griechenland ebenfalls zu einseitigen Schritten provozieren. Doch selbst wenn die Republik Makedonien wieder Recht bekommen würde, was sogar wahrscheinlich wäre, würde es in der Frage einer möglichen Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der EU und der NATO wohl dennoch zu keiner Lösung kommen. Schon jetzt wird die Republik Makedonien bilateral von der überwiegenden Anzahl der Staaten der Weltgemeinschaft unter ihren verfassungsmäßigen Namen anerkannt. Damit hat sich die Republik Makedonien de facto gegenüber Griechenland in dieser Frage bereits durchgesetzt. Eine erfolgreiche Klärung vor dem IGH würde der Republik Makedonien auch in den Vereinten Nationen und weiteren internationalen Organisationen die Mitgliedschaft unter ihrer verfassungsmäßigen Bezeichnung ermöglichen. Auch der Druck auf Griechenland dürfte steigen. Dennoch dürfte eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der EU und der NATO auf diese Weise nicht durchsetzbar sein.

 

Fazit: Die Mechanismen des Völkerrechts bieten derzeit keine effektiven Möglichkeiten, die Rechte eines Staates, unabhängig von seinem Ansehen, seiner Stärke und seinen Voraussetzungen, garantiert durchzusetzen. Im Ergebnis bleibt in erster Linie nur das Gespräch zur Überwindung von Streitigkeiten zwischen den Staaten. Dies gilt auch für den Streit um den Namen „Makedonien“ zwischen Griechenland und der Republik Makedonien. Die Gesprächskanäle müssen offen bleiben.

 

Die Gesprächskultur kann zu einer Lösung beitragen

Die Diplomatie dürfte der beste Weg zur Überwindung von Streitigkeiten sein. Kern der Diplomatie sind Gespräche zwischen den Vertretern von Staaten, um Streitigkeiten zu klären und zu überwinden. Daher dürfte die Gesprächskultur als solche der Schlüssel zum Erfolg sein. Zwischen Griechenland und der Republik Makedonien finden seit 1993 Gespräche zur Überwindung des sogenannten Namensstreits statt. Diese Gespräche sind bisher weitgehend erfolglos verlaufen und wurden in Abhängigkeit der innenpolitischen Situation in beiden Staaten mit unterschiedlicher Intensität geführt. Nationalkonservative Regierungen auf einer oder beiden Seiten beharren mehr auf nationale Positionen und sind stärker gegen einen ausgewogenen Kompromiss eingestellt. Jeder schmerzliche Kompromiss würde eher als Verrat an der eigenen Nation denn als wertvoller Ausgleich zum Wohle Aller angesehen werden. Unter diesen Rahmenbedingungen sind Gespräche reine Makulatur und kommen sogar zum Erliegen. So hat es seit dem Jahr 2014 im Prinzip keine Gespräche zwischen Griechenland und der Republik Makedonien zur Überwindung des Streits um den Namen Makedonien gegeben. Erst Anfang des Jahres 2018 wurden diese wieder aufgenommen. Sowohl in Griechenland als auch in der Republik Makedonien sind weniger national gesinnte Regierungen im Amt. Die Spannbreite für Kompromisse auf Regierungsebene ist zwar größer, doch im Ergebnis dennoch relativ klein. Denn Kompromisse müssen politisch umgesetzt werden. Zunächst müssen die Parlamente in beiden Staaten zustimmen. Ggf. gibt es auch eine Volksabstimmung. Dann bedeuten schmerzliche Kompromisse auch der Verlust von möglichen Stimmen innerhalb der Wählerschaft. Unter diesen Rahmenbedingungen bewegen sich die Gespräche auf Regierungsebene. Hier sind also Spielräume begrenzt, sowie kreative und mutige Lösungen gefragt. Schnelle und gute Lösungen sind unter diesen Bedingungen ausgeschlossen. Stattdessen handelt es sich um einen langfristigen Entwicklungsprozess, in dem immer wieder Gespräche eingebettet werden müssen.

 

Die Gesprächs- und Umgangskultur zwischen Griechenland und der Republik Makedonien dürften im Ergebnis entscheidet sein. Vorrangig ist es, Vertrauen aufzubauen und alles zu unterlassen, was eine Partei provozieren könnte. In diesem Sinne sind auch einige Regeln des Interimsabkommens gestaltet und sollten daher von beiden Seiten umgesetzt werden. Strittige Punkte sollten nicht einseitig präjudiziert, sondern offen gehalten werden. Es gibt auch viele bilaterale Bereiche, die zwischen beiden Parteien unstrittig sind. Diese sollten zum Wohle beider Seiten ausgebaut und weiterentwickelt werden. Ein Wandel durch Annäherung hatte seinerzeit geholfen, die Spaltung Deutschlands und Europas zu überwinden. Ohne diese Politik hätte die Entwicklung durchaus anders verlaufen können. Eine Annäherung zwischen Griechenland und der Republik Makedonien könnte auf längere Sicht auch zu einem Wandel in den Positionen auf beiden Seiten führen. Strittige Standpunkte könnten so überdacht und neu bewertet werden.

 

Die Institutionalisierung der Gespräche ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Bisher finden ausschließlich im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen Gespräche zwischen Griechenland und der Republik Makedonien statt. Doch dieser institutionalisierte Rahmen sollte weiter gefasst werden. Gespräche könnten zusätzlich auch im Rahmen der EU oder sogar in eigener Verantwortung zwischen Griechenland und der Republik Makedonien geführt werden. So könnten beide Staaten hierfür eine gemeinsame Institution schaffen, in deren Rahmen Gespräche regelmäßig stattfinden könnten. Mit Bulgarien könnte ein weiterer Nachbar, ebenfalls Partei im Kulturstreit um Makedonien, mit ins Boot geholt werden. Im Falle von Bulgarien und der Republik Makedonien gibt es mit dem bereits am 01. August 2017 unterzeichneten „Vertrag zur Freundschaft, Guten Nachbarschaft und Zusammenarbeit“ einen vielleicht sogar historischen Fortschritt in der bilateralen und institutionalisierten Gesprächskultur. Darin verpflichteten sich beide Parteien historische und kulturelle Streitigkeiten objektiv zu klären und auf Basis dieser Klärung politisch zu lösen. Dazu soll ein paritätisch zusammengesetztes Expertengremium mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von beiden Seiten eingesetzt werden. Des Weiteren wurde ein bilateraler Rat geschaffen, in dessen Rahmen auf verschiedenen staatlichen Ebenen Gespräche miteinander geführt werden können. Als weitere vertrauensbildende Maßnahme sollen historische Ereignisse, welche beide Seiten betreffen, zukünftig gemeinsam begangen werden. Dieses Modell könnte auch für die bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien Anwendung finden. Es wäre ein Fortschritt in der Gesprächskultur und in den bilateralen Beziehungen zwischen beiden Staaten, wenn sie das Interimsabkommen entsprechend weiterentwickeln und es auch zu einem „Vertrag zur Freundschaft, Guten Nachbarschaft und Zusammenarbeit“ kommen würde. Des Weiteren könnte in entsprechender Weise auch ein trilaterales Gesprächsforum zwischen Bulgarien, Griechenland und der Republik Makedonien geschaffen werden.

 

Fazit

Unabhängig vom Inhalt der Streitfragen kommt es immer auch auf die Gesprächskultur zwischen den betroffenen Parteien an. Oft können Lösungen im Rahmen der Mechanismen des Völkerrechts nicht herbeigeführt oder durchgesetzt werden. Hier bleiben tatsächlich nur politische Lösungen, welche durch eine geeignete und zielführende Diplomatie herbeigeführt werden müssen. Die Hauptwerkzeuge der Diplomatie sind das Gespräch und die Gesprächskultur. In diesem Sinne müssen Griechenland und die Republik Makedonien zusammenfinden und ihre Streitigkeiten überwinden. Denn trotz der bilateralen Streitigkeiten haben beide Staaten auch viele gemeinsamen Interessen. Diese Gemeinsamkeiten sollten im Rahmen der bilateralen Beziehungen und Gespräche kultiviert werden. Daraus folgt im Ergebnis auch eine gute Gesprächskultur, die zu einer Annäherung zwischen beiden Staaten und auch zu einem Wandel in den strittigen Positionen führen kann. Denn aufgrund einer erfolgreichen Annäherung können Positionen überdacht und unter geänderten, positiven Rahmenbedingungen neu bewertet werden. Griechenland und die Republik Makedonien sollten das Jahr 2018 in diesem Sinne nutzen. Der Streit um den Namen „Makedonien“ ist das Symptom eines Jahrhunderte andauernden Kulturstreits um Makedonien, welcher die beteiligten Parteien geprägt hat. Doch sind heute ganz andere Rahmenbedingungen und Interessen vorherrschend. Die bisherigen Streitparteien haben heute sehr viel mehr gemeinsame Interessen als tatsächliche Gegensätze. Wenn das Ganze rein objektiv und nicht emotional betrachtet wird, dann lassen sich viele Aspekte dieses unsinnigen Kulturstreits auch nicht mehr nachvollziehen. Vielmehr wird es Zeit, die Last der Geschichte von einer Region wegzunehmen, welche sich weitgehend friedlich und stabil entwickelt hat. Die Gesprächskultur sollte von dieser friedlichen und stabilen Entwicklung beflügelt werden. Dann dürfte auch einer Lösung aller Streitigkeiten im Rahmen einer guten Gesprächskultur nichts mehr im Wege stehen.