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Vor 30 Jahren: Der Zerfall der „Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“)

Vor 30 Jahren begann der formelle Zerfall der „Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) durch die Unabhängigkeitserklärungen der Republiken Kroatien und Slowenien am 25.06.1991. Am 18.09.1991 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung der Republik Makedonien (seit dem 12.02.2019: Republik Nord-Makedonien) und am 03.03.1992 die der Republik Bosnien und Herzegowina. In allen vier Republiken stimmte die jeweilige Bevölkerung in Referenden mit großer Mehrheit für die Unabhängigkeit. In Bosnien und Herzegowina wurde allerdings das Referendum von der serbischen Volksgruppe größtenteils boykottiert, so dass eine entsprechende Mehrheit nur durch die bosniakische (muslimische) und die kroatische Volksgruppe zustande kam. Mit der Gründung der „Bundesrepublik Jugoslawien“ durch die Republiken Serbien und Montenegro am 27.04.1992 war der formelle Zerfall der SFRJ abgeschlossen.

Einleitung

Materiell begann der Zerfallsprozess der SFRJ bereits mit dem Tod des Staatsgründers und Staatspräsidenten Josip Broz Tito am 04.05.1980 und den Unruhen im Kosovo im März 1981. Beschleunigt und deutlich sichtbar wurde der materielle Zerfall der SFRJ ab dem Jahr 1989. Die Gründe für den Zerfall sind komplex. Die kommunistisch-föderative Staatsstruktur war im Ergebnis ungeeignet die divergierenden Interessen der Nationen und Nationalitäten Jugoslawiens zu kanalisieren und Konflikte zu verhindern.

Die Idee einer staatlichen Gemeinschaft der südslawischen Völker begründete auch die jugoslawische Frage. Diese Frage betrifft die Verhältnisse der einzelnen südslawischen Völker zueinander und zu dieser staatlichen Gemeinschaft. Damit betrifft sie sowohl ethnisch-nationale als auch staatsorganisatorische Aspekte. Mit ihr verflochten sind auch die albanische, die bosnische, die kroatische, die serbische und die makedonische Frage. Die jugoslawische Frage konnte im Rahmen einer staatlichen Gemeinschaft der südslawischen Völker nicht gelöst werden.

Anstelle der staatlichen Gemeinschaft der südslawischen Völker sind sieben Staaten getreten. Die nationalen Fragen der südslawischen und der nicht-slawischen Völker auf dem Balkan sind damit nach wie vor weitgehend offen und müssen beantwortet werden. Die jugoslawische Idee dürfte als Konzept überwunden sein. Allerdings gilt dies auch für das Konzept der Nationalstaaten. Keine der nationalen Fragen kann im Rahmen eines Nationalstaates ihre Antwort finden. Jeder derartige Beantwortungsversuch könnte in vielen Fällen nur auf Kosten eines anderen Volkes bzw. mehrerer anderer Völker erfolgen. Damit bliebe das Problem bestehen. Dennoch bleibt der Traum der einzelnen Völker nach Einheit unter einem gemeinsamen Dach existent. Dieser Traum kann im Rahmen der Europäischen Union (EU) jedoch seine Verwirklichung finden. Somit könnte die jugoslawische Frage durch eine europäische Antwort ihre Klärung finden.

Eine ausführliche Darstellung der jugoslawischen Frage und des Zerfalls Jugoslawiens mit seinen Auswirkungen bis in die Gegenwart findet sich in der Abhandlung „Die jugoslawische Frage

Die Anfänge der „Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“)

Mit der Verfassungsrevision vom 07.03.1963 kam es zu einer weitgehenden verfassungsrechtlichen Verankerung des Systems der Selbstverwaltung der Arbeiterinnen und Arbeitern im sozialistischen Gesellschaftssystem. Auch wurden erstmals Grundrechte für die Bürgerinnen und Bürger des jugoslawischen Staates festgelegt, der mit dieser Verfassungsrevision die Staatsbezeichnung  „Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) bekam. Diese Grundrechte waren im Vergleich zu den sozialistischen Staaten des Ostblocks eher untypisch, konnten jedoch im Rahmen der SFRJ nur im Einklang mit dem sozialistischen Gesellschaftsmodell verwirklicht werden. Folgerichtig erhielt die jugoslawische Verfassung von 1963 auch Grundpflichten für ihre Bürgerinnen und Bürger. Sowohl auf Ebene der SFRJ als auch auf der Ebene der nun mehr als „Sozialistische Republiken“ bezeichneten Gliedstaaten wurde eine Verfassungsgerichtsbarkeit eingeführt.

Zwischen 1966 und 1974 kam es zu einer weiteren Liberalisierung des gesellschaftlichen Systems. Allerdings wurden zu liberale Strömungen auch massiv von staatlicher Seite bekämpft. Tatsächlich wurden in jener Zeit mehr Kompetenzen von der SFRJ auf ihre Gliedstaaten und autonomen Gebietskörperschaften übertragen. Damit konnten Republiken und Gebietskörperschaften der SFRJ ihre Autonomie nicht nur formell sondern auch materiell immer mehr ausschöpfen. Den Höhepunkt der staatsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Entwicklung der Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien markiert dann auch die Verfassungsrevision vom 21.02.1974.

Die „Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien“ („SFRJ“)

Gemäß Artikel 1 der Verfassung der SFRJ vom 21.02.1974 war „die Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien ein Bundesstaat als staatliche Gemeinschaft freiwillig vereinigter Völker und ihrer sozialistischen Republiken sowie der sozialistisch autonomen Gebietskörperschaften Kosovo und Vojvodina, die sich im Verband der Sozialistischen Republik Serbien befanden, gegründet auf die Macht und die Selbstverwaltung der Arbeiterklasse und allen arbeitenden Menschen, sowie eine sozialistisch sich selbstverwaltende demokratische Gemeinschaft der arbeitenden Menschen und Bürger sowie gleichberechtigter Nationen und Nationalitäten“. Die SFRJ bildeten: Die Sozialistische Republik Bosnien und Herzegowina, die Sozialistische Republik Kroatien, die Sozialistische Republik Makedonien, die Sozialistische Republik Montenegro, die Sozialistische Republik Serbien sowie die Sozialistisch Autonome Gebietskörperschaft Kosovo und die Sozialistisch Autonome Gebietskörperschaft Vojvodina im Verband der Sozialistischen Republik Serbien und die Sozialistische Republik Slowenien.

Die Verfassung der SFRJ vom 21.02.1974 war mit 406 Artikeln eines der umfangreichsten Verfassungsurkunden der Welt und etwa um einen Drittel länger als die Verfassung der SFRJ von 1963. Notwendig war die ursprünglich für 1973 geplante Verfassungsrevision aufgrund der Nationalitätenfrage, der weiteren Etablierung der kommunistischen Parteiorganisationen in Staat und Gesellschaft, der ökonomischen Probleme und der Konsolidierung des Systems der Selbstverwaltung der assoziierten Arbeit. Zuvor gab es allerdings Meinungsverschiedenheiten über wichtige Fragen der Neuorganisation der SFRJ, insbesondere über die Neuordnung der Kompetenzen zwischen der SFRJ und ihrer Sozialistischen Republiken und Autonomen Gebietskörperschaften sowie über das System der Volksvertretungen.

Im Ergebnis wurden aufgrund der Verfassungsrevision von 1974 die Föderalisierung und die Dezentralisierung des Staates extrem ausgebaut, so dass an mancher Stelle der Eindruck entstehen konnte, dass die jugoslawische Föderation mehr einer Konföderation gleiche. So erhielten die Sozialistischen Republiken unter anderem auch Kompetenzen in der Außen- und Verteidigungspolitik. Trotzdem wurde verfassungsrechtlich bekräftigt, dass die jugoslawische Föderation als staatliche Gemeinschaft ihrer Sozialistischen Republiken und Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaften (Kosovo und Vojvodina) im Verband der Sozialistischen Republik Serbien ein Bundesstaat sei. Die Neuorganisation der Staatsgewalt hatte zum Ziel die divergierenden Interessen der Nationen und Nationalitäten zu kanalisieren und in einer auf Austragung von Konflikten in verfahrensrechtlicher Weise mehrfach abgesicherten kooperativen Föderation aufzufangen. Die Organe der SFRJ hatten im Wesentlichen die Aufgabe einen Ausgleich der Interessen und gemeinsame Beschlüsse der Sozialistischen Republiken und Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaften zu ermöglichen. Staats- und verfassungsrechtlich ist zwar nur noch ein schmaler Grat zwischen einer Föderation und einer Konföderation zu erkennen, doch kann im Ergebnis von einem „kooperativen Bundesstaat“ gesprochen werden. Definiert wurde die jugoslawische Föderation in der Verfassung dann auch als „staatliche Gemeinschaft freiwillig vereinter Nationen und ihrer Sozialistischer Republiken“.

Präsident der SFRJ war bis zu seinem Tod Josip Broz Tito. Danach übernahm das Präsidium der SFRJ als staatsleitendes Organ die Befugnisse des Präsidenten. Das Präsidium bestand bis 1988 aus 9 Mitgliedern. Je ein Vertreter aus einer Republik und autonomen Gebietskörperschaft sowie von Amtswegen der Präsident des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens. Die letztere Mitgliedschaft fiel aufgrund einer Verfassungsänderung im Jahre 1988 weg, so dass das Präsidium dann noch 8 Mitglieder hatte. Der Vorsitz des Präsidiums wechselte jährlich zwischen den Mitgliedern aus den Republiken und autonomen Gebietskörperschaften und fungierte als ausführendes Staatsoberhaupt sowie Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Einzelheiten hierzu legte die Geschäftsordnung des Präsidiums fest. Der Wechsel im Vorsitz erfolgte grundsätzlich am 15. Mai und die Amtszeit des Vorsitzenden dauerte dann genau ein Jahr.

Die Verfassung der SFRJ von 1974 formulierte einen sehr umfangreichen und teilweise auch sehr originellen Grundrechtekatalog. Dieser umfangreiche Grundrechtekatalog war sowohl im Vergleich mit den damaligen Verfassungen anderer sozialistischer Staaten als auch mit denen demokratischer Staaten westlicher Prägung recht ungewöhnlich. Zunächst gab es individuelle und institutionelle Freiheitsrechte wie sie auch in den Verfassungen der demokratischen Staaten westlicher Prägung noch heute zu finden sind. Besonders liberal war unter anderem auch die Verfassungsbestimmung, wonach die Menschen frei über das Zeugen und Gebären von Kindern entscheiden konnten. Dies führte zu einer sehr liberalen Handhabung von möglichen Abtreibungen. Allerdings standen alle individuellen und institutionellen Freiheitsrechte in der Regel unter dem Vorbehalt, dass sie nicht zum Nachteil des gesellschaftlichen Systems ausgeübt werden durften. Damit waren diesen Freiheitsrechte aufgrund des sozialistischen Systems Grenzen gesetzt. Dennoch konnten diese Rechte im Rahmen des Systems auch tatsächlich ausgeübt werden und waren nicht bloß, wie im Falle anderer sozialistischer Staaten, formelle Rechte die nicht materiell wahrgenommen werden konnten. Im Ergebnis gab es jedoch auch im jugoslawischen System eine deutliche Diskrepanz zwischen der Verfassungstheorie und der politischen Praxis. Andere Grundrechte betrafen natürlich das sozialistisch-jugoslawische System, wie etwa das Recht auf Arbeit, das Recht auf Selbstverwaltung und das Recht Grundorganisationen der assoziierten Arbeit zu gründen.

Die Verfassungsrevision von 1974 war der tatsächliche Versuch eines dritten Weges zwischen den demokratisch und marktwirtschaftlich organisierten Staaten des Westens und den unter Einparteienherrschaft stehenden sozialistischen Staaten des Ostens. Das staatliche System der SFRJ stellte eine Alternative sowohl zum traditionellen bürgerlichen Parlamentarismus als auch zu den sozialistischen Vertretungssystemen sowjetischen Typs dar. So sollte im Rahmen der SFRJ die Volkssouveränität durch unmittelbare und tatsächliche Volksherrschaft unter Einbeziehung rätedemokratischer Elemente verwirklicht werden. Ausdruck dieses Systems waren unter anderem die berufsständische Wahlorganisation, die mittelbare Wahl durch Delegation (Delegiertensystem), das Rotationsprinzip bei Funktionsträgerinnen bzw. Funktionsträgern und temporär gebundene politische Mandate, wobei Mandatsträgerinnen bzw. Mandatsträger auch grundsätzlich abrufbar waren.

Das System der assoziierten Arbeit als Teil der staatlichen Organisation

Die Organisation der Arbeit war Teil der politischen Organisation des Staates und so fanden sich in der Verfassung der SFRJ grundlegende Regelungen zum System der Selbstverwaltung der assoziierten Arbeit. Dieses System sah die „Grundorganisation der assoziierten Arbeit“ als Grundzelle für die Selbstverwaltung der Arbeiterinnen und Arbeiter vor. Diese Grundzelle stellte einen organisatorisch und technologisch abgegrenzten Teil eines Betriebes im Rahmen des jugoslawischen Selbstverwaltungssystems dar. Sie war als juristische Person konzipiert und hatte auch die Befugnis ihre Angelegenheiten durch eigene Rechtssetzung zu regeln. In der Grundorganisation der assoziierten Arbeit sollte das Ergebnis gemeinsamer Arbeit als selbständiger Wert innerhalb der Organisation der Arbeit oder am Markt zum Ausdruck kommen können. Diese Grundorganisation musste groß genug sein, um sich durch eigene Organe selbst verwalten zu können. Außerdem sollte eine Gewinn- und Verlustrechnung für die Grundorganisation der assoziierten Arbeit erstellt werden können.

Näheres zum System der assoziierten Arbeit regelte das „Gesetz über die assoziierte Arbeit“ vom 25.11.1976, das mit seinen 671 Artikeln viele Detailbestimmungen beinhaltete. Nach der Verfassung von 1974 und diesem Gesetz waren nicht mehr die Unternehmen sondern die „Grundorganisation der assoziierten Arbeit“ die alleinigen Träger der Selbstverwaltung und ihnen fiel auch das finanzielle Ergebnis ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu. Unternehmen bzw. Betriebe waren ein Zusammenschluss dieser politisch und finanziell autonomen Grundorganisationen. Ziel dieser Neukonzeption der Organisation der Arbeit war es auch den Einfluss der Manager und Technokraten in den Gremien der Selbstverwaltung der assoziierten Arbeit zurückzudrängen. Es wurde auch ein eigener Gerichtszweig für diese Form der Selbstverwaltung geschaffen. Die Gründung von Grundorganisationen der assoziierten Arbeit durch Arbeiterinnen und Arbeiter war grundsätzlich frei, solange sie nicht den Interessen des politischen und wirtschaftlichen Systems zuwider lief. Tatsächlich führte die Neuorganisation der Selbstverwaltung der assoziierten Arbeit zu einer Atomisierung und Bürokratisierung des wirtschaftlichen Systems. Es war anfällig für Korruption und arbeitete insgesamt unwirtschaftlich.

Die SFRJ nach dem Tod von Josip Broz Tito

Wesentliche Integrationsfigur für die „Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) war Josip Broz Tito (1892 – 1980), welcher zunächst bis 1953 als Ministerpräsident und danach als Staatspräsident an der Spitze der kommunistisch-jugoslawischen Föderation stand. Auf Basis der Verfassung von 1963 wurde er auf Lebenszeit in das Amt des Staatspräsidenten gewählt. Als Tito am 04.05.1990 starb, übernahm das Präsidium der SFRJ die staatsleitende Funktion des Staatspräsidenten. Das Präsidium der SFRJ bestand grundsätzlich aus acht Mitgliedern, je einem Vertreter aus jeder der sechs Sozialistischen Republiken und der zwei Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaften (Kosovo und Vojvodina) im Verband der Sozialistischen Republik Serbien. Unter diesen Mitgliedern wechselte gemäß der Geschäftsordnung des Gremiums jährlich der Vorsitz am 15. Mai. Von Amtswegen gehörte bis zum Jahr 1988 auch die oder der Vorsitzende des „Bundes der Kommunisten Jugoslawiens“ („BdKJ“) dem Präsidium an. Der erste Nachfolger von Tito wurde vom 04. bis 15.05.1980 der makedonische Vertreter Lazar Koliševski. Insgesamt amtierten nach Tito 14 Vorsitzende in 12 Jahren. Das Präsidium und seine Vorsitzenden konnten niemals die Integrationskraft von Josip Broz Tito erreichen. Anstelle von Tito sollte der BdKJ als übergeordnete Bewegung und Kraft integrativer Faktor sein. Doch auch dieser konnte letztendlich die Persönlichkeit Tito nicht ersetzen. So traten nach Titos Tod die sich in den siebziger Jahren abzeichneten wirtschaftlichen Probleme immer stärker zutage. Diese Probleme führten innerhalb von zehn Jahren zu einer schweren Systemkrise, zum Aufbrechen von nationalen Gegensetzen, zum ethnischen Krieg und zum Zerfall der SFRJ. Nachfolgend soll ausführlicher auf diese Entwicklung eingegangen werden.

Politische Hintergründe: Widerspruch zwischen Föderalismus und Zentralismus

Nach der Verfassung der Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien vom 21.02.1974 bestand die SFRJ aus sechs weitgehend selbständigen „Sozialistischen Republiken“ mit eigenen Verfassungen, Parlamenten und Regierungen und zwei „Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaften“ (Kosovo, Vojvodina) im Rahmen der „Sozialistischen Republik Serbien“. Die Sozialistische Republik Serbien sah in den Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaften eine Beschneidung ihrer Staatlichkeit, weil diese den jugoslawischen Republiken faktisch gleichgestellt waren und nur nominell zu Serbien gehörten. Die Bundesorgane wurden praktisch auf Institutionen zurückgeführt, die einen Interessenausgleich und gemeinsame Beschlüsse der jugoslawischen Republiken und Gebietskörperschaften ermöglichen sollten.

Diese stark föderative Struktur der SFRJ stand jedoch in einem unüberbrückbaren Spannungsverhältnis und in einem Widerspruch zur zentralistischen Lenkung der SFRJ durch den „Bund der Kommunisten Jugoslawiens“, kurz „BdKJ“. Zwar war auch der BdKJ föderativ gegliedert, jedoch führte dies keineswegs zu Pluralismus und zu einer Dezentralisierung der Machtverhältnisse. Anfang 1990 führte dieser Widerspruch zum Zerfall des BdKJ und zu unterschiedlichen Entwicklungen in den jugoslawischen Republiken. In den westlich geprägten Republiken Slowenien und Kroatien wurden bereits Anfang 1990 anstelle des Einparteiensystems das Mehrparteiensystem eingeführt und die ersten freien Wahlen brachten dort einen Sieg für die antikommunistischen Kräfte. Infolgedessen wurde in diesen Republiken die Marktwirtschaft eingeführt und der Ruf nach noch mehr Autonomie vom jugoslawischen Bundesstaat laut. In Serbien und Montenegro wurden die erste Mehrparteienwahlen von den sozialistischen Nachfolgeparteien des BdKJ gewonnen, die für eine Stärkung des jugoslawischen Bundesstaates auf Kosten der bisherigen Autonomie der jugoslawischen Republiken eintraten und an einer bedingten Planwirtschaft festhalten wollten.

Das auf Basis der Verfassung von 1974 geschaffene staatliche und gesellschaftliche System konnte letztendlich die grundlegenden Probleme der Nationen und Nationalitäten nicht lösen. Die weitere Dezentralisierung der staatlichen Ebenen stand zunehmend in einem unauflösbaren Spannungsverhältnis mit der Einparteienherrschaft in der SFRJ und den Sozialistischen Republiken. Überlagert wurde dieses Spannungsverhältnis von einem wirtschaftlichen Auseinanderdriften der Sozialistischen Republiken und Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaften. Diese mündeten dann auch in ein politisches und ideologisches Auseinanderdriften, das 1990 zunächst mit umfangreichen Änderungen der Verfassung von 1974 beginnen sollte. Mit dieser Änderung der Verfassung vom 08.08.1990 wurden die Einparteienherrschaft durch den Bund der Kommunisten beendet, das sozialistische Selbstverwaltungssystem der assoziierten Arbeit abgeschafft und marktwirtschaftliche Strukturen eingeführt. Diese Verfassungsänderungen bzw. der Systemwechsel konnten den Zerfall der SFRJ im Jahre 1991 nicht mehr aufhalten.

Wirtschaftliche Unterschiede zwischen den jugoslawischen Republiken und autonomen

Gebietskörperschaften

Slowenien und Kroatien waren die wohlhabendsten Republiken in der SFRJ. So brachte alleine Slowenien mit einem Anteil von nur 8% an der jugoslawischen Gesamtbevölkerung 23% des Bundeshaushaltes auf. Auch die wirtschaftliche Lage Kroatiens war dank der Deviseneinnahmen durch den Tourismus besonders gut. Der Verdienst der Arbeiterinnen und Arbeiter war in diesen Republiken besser, so lag der Durchschnittsverdienst in Slowenien dreimal höher als der jugoslawische Durchschnittsverdienst. Im Gegensatz dazu standen die wirtschaftlich unterentwickelten Republiken Makedonien und Montenegro, das Kosovo und andere unterentwickelte Gebiete in den Republiken Bosnien und Herzegowina und Serbien, die von den wohlhabenden Republiken mitfinanziert werden mussten. Dies war auch ein entscheidender Grund dafür warum die Republiken Slowenien und Kroatien noch mehr Autonomie im Bundesstaat wollten, während die anderen jugoslawischen Republiken an einem starken Bundesstaat festhalten wollten. Denn diese Frage hatte auch den finanziellen Hintergrund, wie viel die wohlhabenderen Republiken den ärmeren Republiken abgeben mussten. Auch setzten die wohlhabenderen Republiken Slowenien und Kroatien auf eine westlich geprägte Marktwirtschaft in einem demokratischen und pluralistischen politischen System, während die ärmeren Republiken zwar nicht unbedingt das alte System behalten wollten, jedoch eine stark sozialistisch geprägte Marktwirtschaft mit Elementen der Planwirtschaft und einen starken Staat befürworteten. Dieser Widerspruch ließ sich trotz aller Kompromissversuche nicht in einem gemeinsamen Staat auflösen. Dies war mit ein Grund für den Zerfall der SFRJ im Jahre 1991.

Kosovo, das erste Vorspiel zum späteren ethnischen Krieg und Zerfall der SFRJ

Nach dem Tod der jugoslawischen Integrationsfigur und des Präsidenten der SFRJ Josip Broz Tito am 04.05.21980 traten die sich in den siebziger Jahren abzeichneten wirtschaftlichen Probleme immer stärker zutage. Bereits Ende März 1981 kam es im Kosovo zu einem ersten Vorspiel zum späteren folgenden ethnischen Krieg. In diesen Tagen gingen in Priština, der Hauptstadt der autonomen Gebietskörperschaft Kosovo, die Studierenden auf die Straße. Was als normale Studierendendemonstration begann, griff Anfang April 1981 auch auf andere Teile des Kosovos und seiner Bevölkerung über, die zu etwa 90% aus ethnischen Albanern besteht und insgesamt rund zwei Millionen Einwohner ausmacht. Da bei diesen Massendemonstrationen auch die Forderung nach einer eigenen Sozialistischen Republik Kosovo im Rahmen der SFRJ anstelle einer Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaft im Rahmen der Sozialistischen Republik Serbien erhoben wurde, griff die Polizei des Kosovos, in der die Serben noch immer das stärkste Kontingent stellten, brutal ein. Die Lage im Kosovo konnte erst unter Kontrolle gebracht werden, nachdem das jugoslawische Staatspräsidium Einheiten der Bundespolizei und der jugoslawischen Streitkräfte einsetzte. Danach kam es zu Gerichtsverfahren und harten Urteilen gegen die Protestierer.

Die Entwicklung in Serbien und die Folgen für Jugoslawien

Nach den Vorkommnissen im Kosovo setzte im Bund der Kommunisten Serbiens und in der serbischen Staatsführung zunehmen Kritik am bestehenden verfassungsmäßigen System ein. Demnach wäre die Föderalisierung gemäß der Verfassung von 1974 zu stark ausgeprägt und begünstige eine gegenseitige politische und wirtschaftliche Abschottung der jugoslawischen Republiken und autonomen Gebietskörperschaften. Zunächst wurde diese Kritik nur sehr vorsichtig geäußert, später zunehmend immer offener. Den Anfang machten zunächst Politologen, Staatsrechtler, Soziologen und Volkswirtschaftler. Die alten Kader in der serbischen Partei- und Staatsführung hielten sich noch zurück, bis Slobodan Milošević zunehmend die Macht in Serbien übernahm. Dieser wurde im Jahr 1984 zunächst Parteivorsitzender des Bundes der Kommunisten der jugoslawischen und serbischen Hauptstadt Belgrad, bevor er im Mai 1986 zum Vorsitzenden des Bundes der Kommunisten Serbiens gewählt wurde. 

In den Jahren 1988 bis 1990 machte sich Slobodan Milošević daran, die Macht in Serbien und später auch in der jugoslawischen Föderation zu erobern. Die Abwanderung der Serben und Montenegriner aus dem Kosovo, welche vor allem wirtschaftliche Gründe hatte, instrumentalisierte er für seine politischen Ziele. Die Kompetenzen der Autonomen Gebietskörperschaften Kosovo und Vojvodina sollten abgebaut und wieder auf Serbien übertragen werden. Zunächst wurden dazu die bisherigen Führungen im Kosovo und der Vojvodina zum Rückzug gedrängt, welche die Autonomierechte der autonomen Gebietskörperschaften verteidigten.

Mit der autonomen Gebietskörperschaft Vojvodina begann Slobodan Milošević seinen Ausbau der Macht innerhalb der SFRJ. Der erste Versuch, die Regierung und Parteiführung der Vojvodina zu stürzen, erfolgte am 09.07.1988, als Slobodan Milošević mit Hilfe seiner Anhänger 50.000 Demonstrantinnen und Demonstranten, überwiegend aus dem Kosovo, in die Hauptstadt der Vojvodina Novi Sad schickte. Zunächst ließ sich die Führung der Vojvodina nicht einschüchtern und beschwerte sich beim BdKJ über Milošević. Dieser bekam auch eine schwache Rüge, ließ sich jedoch auch nicht davon beeindrucken und organisierte weitere Aufmärsche. So fanden am 03. und 04.09.1988 weitere Proteste mit bis zu 100.000 Personen statt. Im Sommer 1988 konnte sich die Führung der Vojvodina noch halten. Doch nach zweitägigen Massendemonstrationen von bis 200.000 Personen traten am 06.10.1988 die Parteiführung und am Tag darauf der Ministerpräsident der Vojvodina zurück. Nachfolger wurden Verbündete von Slobodan Milošević, womit er die Vojvodina unter Kontrolle hatte und damit auch die entsprechende Stimme im Präsidium der SFRJ.

Danach kam die jugoslawische Republik Montenegro an die Reihe. Erste Massenproteste fanden bereits am 07. und 08.10.1988 in der montenegrinischen Hauptstadt Titograd (seit 1992 wieder Podgorica) statt. Zunächst konnte sich auch die dortige Führung noch halten. Am 10. und 11.01.1989 fanden, auch aufgrund von Missmanagement und einer schweren Wirtschaftskrise, weitere Massenproteste in Montenegro statt. Ja nach Quelle sollen diese Proteste 80.000 bis 150.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehabt haben. Die gesamte montenegrinische Staats- und Parteiführung, der Parlamentspräsident, die Führung des Sozialistischen Bundes sowie die montenegrinischen Mitglieder in den Präsidien der SFRJ und des BdKJ traten zurück. Wieder rückten Gefolgsleute von Slobodan Milošević nach.

Nach der Vojvodina und Montenegro ging Slobodan Milošević gegen die autonome Gebietskörperschaft Kosovo vor. Bereits im Vorfeld wurden Kampagnen gegen führende kosovarische Politiker inszeniert. Das ehemalige kosovarische Mitglied des Präsidiums der SFRJ, Fadil Hodscha, der früher auch Stellvertreter Titos war, wurde aus dem Bund der Kommunisten ausgeschlossen. Im Februar 1988 wurde der Vorsitzende des Bundes der Kommunisten des Kosovos, Azem Vllasi, trotz seiner linientreuen Haltung zum Rücktritt gezwungen. Als seine Nachfolgerin Kaqushe Jashari im November 1988 ebenfalls zum Rücktritt gezwungen wurde, kam es in der kosovarischen Hauptstadt Priština zu massiven Protesten. Insgesamt 250.000 Kosovaren beteiligten sich an diesen Protesten und die kosovarischen Bergarbeiter im Kombinat Trepča traten in den Hungerstreik.

Die Lage verschärfte sich weiter, als mit Rahman Morina, dem früheren Polizeichef des Kosovos, eine serbische Marionette Parteivorsitzender des Bundes der Kommunisten im Kosovo wurde. Im Februar 1989 dehnten sich die Proteste auf das ganze Kosovo aus. Symbolisches Zentrum dieser Proteste blieb das Bergwerkskombinat Trepča. Die Bergarbeiter forderten den Rücktritt von Rahman Morina und zwei weiteren pro-serbischen Funktionären sowie eine Erklärung für den Ausschluss von Azem Vllasi aus dem Zentralkomitee des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens. Auch protestierten sie dagegen, dass albanische Kosovaren als Nationalisten und Separatisten beschuldigt wurden. Der Vorsitzende des Präsidiums der SFRJ Raif Dizdarević, der Vorsitzende des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens Stipe Šuvar und der serbische Präsident Slobodan Milošević reisten in das Kosovo und versuchten vergeblich auf die Protestierenden einzuwirken. Bereits am 25.07.1988 hatte das Parlament der Sozialistischen Republik Serbien einen Entwurf für eine Verfassungsänderung gebilligt, welcher zu einer Einschränkung der Autonomie des Kosovos führen sollte.

Das Parlament der Sozialistischen Republik Serbien beschloss am 23.02.1989 eine Änderung der serbischen Verfassung, mit der die Selbstständigkeit der Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaft Kosovo stark eingeschränkt und die Kontrolle der serbischen Behörden über das Kosovo deutlich erhöht wurde. Diese Vorgehensweise war verfassungswidrig, da zuerst die Parlamente der autonomen Gebietskörperschaften der Verfassungsänderung hätten zustimmen müssen und dann erst das serbische Parlament hätte darüber abstimmen dürfen. Die Massenproteste im Kosovo gegen diese Form der serbischen Kosovo-Politik gingen überdies weiter, so dass das Präsidium der SFRJ die im Kosovo stationierten Einheiten der Bundespolizei verstärkte und am 27.02.1989 nicht näher definierte „Sondermaßnahmen“ über das Kosovo verhängte. Unter dem Druck des Ausnahmezustandes billigte das Parlament der Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaft Kosovo am 23.03.1989 mit 188 zu 10 Stimmen die Änderung der Verfassung der Sozialistischen Republik Serbien. Am 28.03.1989 trat die Änderung der serbischen Verfassung in Kraft. Der damalige serbische Parlamentspräsident Borisav Jović sprach anlässlich des Inkrafttretens der Verfassungsänderung von einem historischen Tag: Serbien sei nun wieder mit seinen autonomen Provinzen vereint und damit sei ein Fehler der Geschichte korrigiert worden. Aufgrund der Verfassungsänderung hatte Serbien nun die alleinige Zuständigkeit über das Rechtswesen, Sprachfragen, kulturelle Angelegenheiten sowie die innere und äußere Sicherheit auch im Kosovo. Für zukünftige Verfassungsänderungen bedurfte es zudem nicht mehr der Zustimmung der autonomen Gebietskörperschaften.

Es folgte eine Politik der Ausgrenzung und Unterdrückung gegenüber den albanischen Kosovaren durch die serbischen Behörden. Anlässlich des 600. Jahrestages der Schlacht auf dem Amselfeld am 28.06.1989 kam es in der Nähe von Priština / Kosovo zu einer Großkundgebung von zirka zwei Millionen Serben. Bei dieser Großkundgebung hielt auch der serbische Präsident Slobodan Milošević eine Rede und schwor sein Volk auf weitere Kämpfe ein. Im März 1990 schränkte Serbien die Autonomie des Kosovos in Sicherheitsfrage weiter ein, verstärkte die dortigen serbischen Polizeieinheiten und beschloss die Entlassung von albanischen Kosovaren aus dem Polizeidienst. Am 11.04.1990 trat der Ministerpräsident des Kosovos, Jusuf Zejnulahu, sein Stellvertreter und vier seiner Minister zurück. Sie begründeten ihren Rücktritt damit, dass es ihnen nicht gelungen sei, die Lage im Kosovo zu stabilisieren. Daraufhin übernahm Serbien am 17.04.1990 die vollständige Polizeigewalt im Kosovo und das Präsidium der SFRJ hob einen Tag später den seit dem 27.02.1989 bestehenden Ausnahmezustand auf. Dabei wurden über 100 politische Gefangene albanisch-kosovarischer Volkszugehörigkeit wieder freigelassen. Mit dem Rücktritt aller albanisch-kosovarischen Minister aus der Regierung des Kosovos am 23.05.1990 endete weitgehend die Beteiligung der albanischen Kosovaren an der Regierung und Verwaltung des Kosovos.

Auf Basis des Selbstbestimmungsrechtes erklärten das Kosovo und Slowenien am 02.07.1990 ihre Souveränität. In einer vom slowenischen Parlament verabschiedeten Sechs-Punkte-Erklärung wurde festgelegt, dass das politische, rechtliche und wirtschaftliche System des Staates auf der Verfassung und den Gesetzen der Republik Slowenien beruhen. Damit wurde dem slowenischen Recht Vorrang vor dem Recht der SFRJ eingeräumt. Des Weiteren sollte der Ausnahmezustand in Slowenien von den Organen der SFRJ nur mit Zustimmung des slowenischen Parlaments beschlossen werden dürfen. Letzteres führte zu Kritik aus der SFRJ, von Serbien und den anderen jugoslawischen Republiken.

In Serbien fand am 01.07. und 02.07.1990 ein Referendum über einen neuen Verfassungsentwurf statt. In diesem Referendum entschieden sich 97 Prozent der abstimmenden serbischen Bürgerinnen und Bürger für eine Neuformulierung der serbischen Verfassung noch vor den ersten Mehrparteiwahlen in Serbien. Die albanischen Kosovaren boykottierten dieses Referendum ebenso wie alle später in Serbien stattfindenden Abstimmungen und Wahlen. Stattdessen beschlossen 114 albanisch-kosovarischen Abgeordnete des insgesamt 180 Mitglieder zählenden Parlaments der Gebietskörperschaft Kosovo am 02.07.1990 die Unabhängigkeit des Kosovos von Serbien im Rahmen der jugoslawischen Föderation. Daraufhin löste Serbien am 05.07.1990 das Parlament und die Regierung des Kosovos auf, womit dessen Selbstverwaltung beendet wurde. Die kosovarische Exekutive wurde daraufhin aufgrund eines Ausnahmegesetzes von einer Art Direktorium unter Leitung des Vizepräsidenten des serbischen Parlaments Momčilo Trajković übernommen. Damit wurde diese ausschließlich durch die Republik Serbien ausgeübt.

Am 07.09.1990 beschlossen die albanisch-kosovarischen Abgeordneten des aufgelösten kosovarischen Parlaments bei einer Versammlung in Kačanik im Süden der Gebietskörperschaft einstimmig eine neue Verfassung für das Kosovo. Staatsrechtlich wurde das Kosovo in dieser Verfassung als (siebte) Republik der jugoslawischen Föderation definiert. Zum Präsidenten des Kosovos wurde Ibrahim Rugova gewählt. Das serbische Parlament beschloss am 28.09.1990 ebenfalls eine neue Verfassung. Aufgrund dieser trat unter anderem eine Änderung der Staatsbezeichnung von Sozialistischer Republik Serbien in „Republik Serbien“ in Kraft. Die bisher formell autonomen Gebietskörperschaften Kosovo und Vojvodina wurden in dieser Verfassung nicht mehr als autonom bezeichnet und das Kosovo erhielt wieder die alte serbische Bezeichnung „Kosovo und Metohija“. Ein in dieser Verfassung für das Kosovo vorgesehenes Statut wurde nicht mehr umgesetzt. Die albanischen Kosovaren bauten im Kosovo parallele staatliche Strukturen auf und erkannten die der Republik Serbien im Kosovo nicht an. Die Republik Serbien erkannte diese zwar nicht an, duldete sie jedoch weitgehend.

Mit der Gleichschaltung des Kosovos von Februar 1989 bis September 1990 hatte Slobodan Milošević vier von acht Föderationssubjekten der SFRJ unter seiner Kontrolle und damit auch vier von acht Stimmen im staatsleitenden Präsidium der SFRJ. Damit konnte Serbien alle Beschlüsse im Präsidium zumindest blockieren. Es fehlte jetzt nur noch eine Stimme und Serbien hätte die Mehrheit in diesem Präsidium innegehabt.

Die Zeit des Übergangs vom Kommunismus zum Mehrparteiensystem

Die Politik in Serbien geriet zunehmend in verstärkte Kritik aus Slowenien und Kroatien. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre intensivierten sich in den jugoslawischen Republiken zunehmend die Reformbestrebungen, allerdings zunächst mit unterschiedlicher Intensität. Eine übergeordnete und zusammenführende gesamt-jugoslawische Reformbewegung hatte sich aufgrund der Gegensätze in den Republiken allerdings nicht herausgebildet. Es gab neben den Reformbewegungen auch starke konservative Kräfte, welche das alte System bewahren oder nur in Grenzen reformieren wollten. Besonders in Slowenien wurde die Situation zunehmend liberaler. Es wurde offen über die Einführung eines demokratischen, rechtsstaatlichen und marktwirtschaftlichen Systems nachgedacht. In diesem System sollten liberale Bürger- und Menschenrechte garantiert und die Kommunistische Einparteienherrschaft durch ein Mehrparteiensystem ersetzt werden. Des Weiteren sollten die jugoslawischen Republiken mehr Eigenständigkeit im Rahmen einer noch weiteren Föderalisierung bekommen, was im Ergebnis wohl auf eine Konföderation hinausgelaufen wäre.

In Serbien verlief die Entwicklung entgegengesetzt. Die bisherige Föderalisierung der SFRJ von 1974 sollte zurückgeschraubt und der Bundesstaat stärker zentralisiert werden. Am sozialistischen System sollte in reformierter Form festgehalten werden. Allerdings gab es in Serbien auch liberale Strömungen, welche ebenfalls für Demokratie, Mehrparteiensysteme, Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, etc. eintraten. Diese wurden vom serbischen Regime unter Slobodan Milošević geduldet.

Nach dem Vorbild der bisherigen Volksaufmärsche in der Vojvodina und in Montenegro wollten die von Milošević unterstützen Organisatoren am 01.12.1989 auch in Slowenien verfahren. Sie kündigten an, Zehntausende in die slowenische Hauptstadt Ljubljana zu führen, um das slowenische Volk über die Politik der serbischen Führung aufzuklären. Sie warfen der slowenischen Partei- und Staatsführung vor, dies nicht zu tun. Slowenien wollte einen gewaltsamen Konflikt verhindern und verbot die Kundgebung der Wahrheit. Ein massives Aufgebot von Sicherheitskräften verhinderte jedes Einsickern von serbischen Protestierern. Die Organisatoren der Proteste sagten die Aktion daraufhin ab. Infolge brach Serbien die kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Slowenien ab.

Die bilaterale Entwicklung slowenisch-serbische Beziehungen wurde im Jahr 1990 vom kroatisch-serbischen Konflikt überschattet, welcher bereits im ersten jugoslawischen Staat (1918 – 1941) seine Wurzeln hatte. Schon im Juli 1989 gab es in der kroatischen Stadt Knin, welche in den Gebieten mit einem starken serbischen Bevölkerungsabteil liegt, einen Aufmarsch von 50.000 nationalistischen Serben. Daran nahmen auch Serben aus Bosnien und Herzegowina, dem Kosovo und der Vojvodina teil. Zu dieser Zeit waren in Kroatien noch die Kommunisten an der Macht und nicht die national-konservative „Kroatische Demokratische Union“ („HDZ“). Allerdings, als die HDZ nach den ersten freien Mehrparteienwahlen in Kroatien im Mai 1990 an die Macht kam, verschärfte sich der Konflikt. Die neuen kroatischen Machthaber traten gegenüber den kroatischen Serben mit ihrer nationalbewussten Politik nicht besonders feinfühlig auf. So wurden z.B. die Serben durch eine Verfassungsänderung in Kroatien von einer mit den Kroaten gleichberechtigten zweiten konstitutiven Volksgruppe zu einer Minderheit herabgestuft. Allerdings wurde die Angst der kroatischen Serben vor dem nichtkommunistischen und nationalbewussten Kroatien auch vorsätzlich vom Regime in Serbien geschürt.

Im Juli und August 1990 überfielen serbischen Zivilisten in Knin Polizeistationen und versorgten sich mit Waffen. Serbische Freischärler errichteten Straßensperren und riegelten so die Siedlungsgebiete der kroatischen Serben ab. Damit sollte ein Einschreiten der kroatischen Sonderpolizei verhindert werden. Mit zwei Hubschraubern versuchte die Sonderpolizei in Knin einzufallen und mit Hilfe von Sicherheitskräften am Boden den Aufstand der kroatischen Serben zu beenden. Hierbei schritt jedoch die Luftwaffe der Jugoslawischen Volksarmee (JNA) ein und zwang die Hubschrauber zur Rückkehr. Damit war der Versuch der kroatischen Regierung, die Revolte der Serben zu beenden, gescheitert. Am 19.08.1990 fand eine einseitige Volksabstimmung in den abgeschotteten serbischen Siedlungsgebieten in  Kroatien statt. Bei dieser entschied sich eine große Mehrheit der kroatischen Serben für eine Autonomie ihrer Siedlungsgebiete. Die JNA wurde zunehmend in diesen Konflikt aktiv. Offiziell, um als Puffer im Konflikt zwischen Kroaten und Serben zu wirken und inner-ethnische Konflikte zu verhindern. Faktisch wurden durch den Einsatz der JNA die serbischen Siedlungsgebiete der kroatischen Staatsgewalt entzogen.

Der 14. Außerordentliche Kongress des BdKJ – Das Ende des Kommunismus in der SFRJ

Zwischen dem 20. und 22.01.1990 fand der 14. außerordentliche Kongress des „Bundes der Kommunisten Jugoslawiens“ („BdKJ“) statt. Dieser Kongress fand bereits in einer Zeit statt, als aus der Wirtschaftskrise längst eine Systemkrise der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) geworden war. Im Mittelpunkt des Kongresses stand eine Reformdeklaration aus 18 Punkten, bei der es um eine Neuordnung der jugoslawischen Föderation und die Stellung des BdKJ im staatlichen System ging. Diese Deklaration betraf langjährige und strittige Themen, die das ganze Gesellschaftssystem der SFRJ betrafen: die Kompetenzverteilung in der jugoslawischen Föderation, das Herrschaftsmonopol des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens, den demokratischen Zentralismus, die Menschen- und Bürgerrechte als Freiheitsrechte, die Marktwirtschaft und den politischen Pluralismus.

In dieser Hinsicht standen sich vor allem Slowenien und Serbien gegenüber. Slowenien strebte eine neue Verfassung an, gemäß dieser die jugoslawische Föderation in eine Konföderation mit weitgehend selbständigen Republiken und autonomen Gebietskörperschaften umgewandelt werden sollte. Der demokratische Zentralismus und das Herrschaftsmonopol der Partei sollten abgeschafft und Menschen und Bürgerrechte als Freiheitsrechte garantiert werden. Des Weiteren sollte es nach den Forderungen Sloweniens in ganz Jugoslawien im April 1990 allgemeine, freie und geheime Wahlen geben. Alle politischen Prozesse der Nachkriegszeit sollten einer Revision unterzogen und das Strafrecht von politischen Straftaten befreit werden. Serbien trat weiterhin für eine starke Föderation und einen starken Staat ein. Kroatien stand an der Seite Sloweniens und Montenegro an der Seite Serbiens. Bosnien und Herzegowina und Makedonien nahmen Positionen zwischen den jeweiligen Extremforderungen ein.

Letztendlich wurde auf dem Kongress nur eine wesentliche Änderung beschlossen: die Abschaffung des Herrschaftsmonopols des BdKJ und die Einführung des Mehrparteiensystems. Slowenien hatte bereits im Vorfeld angekündigt, den Kongress zu verlassen, wenn es sich nicht mit seinen Forderungen in Gänze durchsetzen könne und tat dies auch. Dem Versuch Serbiens den Kongress ohne Slowenien fortzusetzen widersetzten sich dann die Vertreter aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Makedonien. Auch die Parteiorganisation der Jugoslawischen Volksarmee war nicht bereit unter diesen Umständen weiterhin am Kongress teilzunehmen. Daraufhin wurde der Kongress vertagt.

Die Entwicklung bis zur Fortsetzung des 14. Außerordentlichen Kongresses des BdKJ

In Slowenien gingen die politischen Reformen sehr zügig voran. Am 07.03.1990 änderte Slowenien seine Verfassung, führte ein pluralistisches System ein und änderte den Staatsnamen von „Sozialistische Republik Slowenien“ in „Republik Slowenien“ um. Mit Inkrafttreten dieser Verfassungsänderungen am 08.03.1990 war Slowenien formell kein sozialistischer Staat mit Einparteienherrschaft mehr. Am 08.04.1990 fanden dann erstmals allgemeine, freie und geheime Wahlen in einem Mehrparteiensystem statt. Des Weiteren fanden auch Präsidentenwahlen und Wahlen für das slowenische Staatspräsidium statt. Aus den Wahlen ging die „Vereinigte Demokratische Opposition“ (DEMOS), die aus christlich-sozialen, sozialdemokratischen und liberalen Parteien bestand, als Sieger hervor. Die kommunistische Partei, die jetzt „Bund der Kommunisten Sloweniens – Partei der demokratischen Erneuerung“ hieß, kam abgeschlagen auf 17 Prozent der Stimmen und musste in die Opposition gehen. Die kommunistische Einparteienherrschaft in Slowenien war damit zu Ende.

Unmittelbar nach Slowenien folgte Kroatien mit der Einführung eines pluralistischen und demokratischen Mehrparteiensystems. Die ersten freien Wahlen in Kroatien fanden am 22./23.04.1990 statt. Aufgrund des kroatischen Wahlsystems gab es am 06./07.05.1990 noch einmal Stichwahlen. Bei dieser Wahl gewann die national-konservative „Kroatisch Demokratische Union“ (HDZ) mit 196 von 356 Parlamentssitzen die absolute Mehrheit der Stimmen. Die kommunistische Partei, die als „Bund der Kommunisten – Partei des demokratischen Wandels“ antrat, wurde mit 66 erreichten Parlamentssitzen stärkste Oppositionspartei. Mit dieser Wahl war die kommunistische Einparteienherrschaft auch in Kroatien beendet. Am 17.05.1990 lief die Amtszeit von Milan Pančevski aus Makedonien als Präsident des BdKJ ab. Aus diesem Grunde bestellte das Präsidium des BdKJ am 15.05.1990 noch den Montenegriner  Miomir Grbović als Koordinator. Die Wahl einer neuen Präsidentin bzw. eines neuen Präsidenten sollte dann auf der Fortsetzung des 14. außerordentlichen Kongresses des BdKJ erfolgen, was jedoch nicht mehr geschah.

Die Fortsetzung und Beendigung des 14. Außerordentlichen Kongresses des BdKJ  und

die Folgen

Am 26./27.05.1990 wurde der 14. außerordentliche Kongress des BdKJ fortgesetzt und beendet. Die Parteiorganisation aus Slowenien, Kroatien und Makedonien waren in diesem Kongress nicht mehr vertreten. Nur noch einzelne Delegierte aus diesen Republiken nahmen teil. Damit war der Versuch den BdKJ zu reformieren und wiederzubeleben gescheitert. Auf dem Kongress wurde dann endgültig beschlossen, dass der BdKJ seinen Führungsanspruch in Staat und Gesellschaft aufgibt. Des Weiteren erklärte sich der BdKJ zum gleichberechtigten Wettbewerb mit anderen Parteien im Rahmen einer „demokratisch-sozialistischen Gesellschaft“ bereit. Abgesegnet wurden auch die Beschlüsse des Präsidiums des BdKJ vom 07.03.1990, wonach Jugoslawien der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) beitreten und die Organisation des BdKJ in Justiz und Verwaltung abgeschafft werden sollten.

In der weiteren Entwicklung Jugoslawiens spielte der BdKJ keine Rolle mehr. Die kommunistischen Parteiorganisationen in den jugoslawischen Republiken und autonomen Gebietskörperschaften reformierten sich oder gingen in neuen Parteien auf. Die reformierten kommunistischen Parteien waren äußerlich an den Änderungen des bzw. Zusätzen zum ursprünglichen Parteinamens zu erkennen. In Serbien schlossen sich der Bund der Kommunisten Serbiens und der Bund der Werktätigen am 16.07.1990 zur „Sozialistischen Partei Serbiens“ zusammen, die bis heute eine bedeutende politische Kraft in Serbien ist. In der jugoslawischen Republik Makedonien wurde der Bund der Kommunisten Makedoniens zunächst in „Bund der Kommunisten Makedoniens – Partei für demokratische Umgestaltung“ umbenannt. Unter dieser Bezeichnung trat diese Partei bei den ersten freien Parlamentswahlen in der Republik Makedonien am 11.11.1990 bzw. 25.11. und 09.12.1990 an. Im April 1991 ging aus dem Bund der Kommunisten Makedoniens – Partei für demokratische Umgestaltung die „Sozialdemokratische Union Makedoniens“ (SDSM) hervor, die in der Republik Makedonien entweder als größte Regierungspartei oder Oppositionspartei bis heute von Bedeutung ist.

Zu weiteren Kongressen des BdKJ oder zur Wahl einer neuen Präsidentin oder eines neuen Präsidenten kam es nicht mehr. Der BdKJ hatte nach dem 14. außerordentlichen Kongress des BdKJ faktisch aufgehört zu existieren. Am 19.11.1990 kam es zur Bildung einer neuen jugoslawischen Kommunistischen Partei. Sie trug die Bezeichnung: „Bund der Kommunisten – Bewegung für Jugoslawien“. Allerdings blieb die kommunistische Herrschaft in der Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien und ihren Republiken beendet.

Die weitere Entwicklung in der SFRJ

Die Beschlüsse des 14. außerordentlichen Kongresses des BdKJ wurden dann auch durch eine entsprechende Änderung der jugoslawischen Verfassung (Verfassung der SFRJ vom 21.02.1974) umgesetzt. Am 08.08.1990 stimmte das Parlament der SFRJ Änderungen der Verfassung und Gesetzentwürfen zu, womit die faktisch sowieso nicht mehr bestehende, führende Rolle des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens formell abgeschafft und das Mehrparteiensystem eingeführt wurde. Des Weiteren wurde das System der assoziierten Arbeit, die Selbstverwaltung der Arbeiterschaft und ihrer Betriebe, zugunsten marktwirtschaftlicher Strukturen abgeschafft.

Zu weiteren Verfassungsreformen kam es danach aufgrund der Gegensätze zwischen den jugoslawischen Republiken, insbesondere zwischen Serbien und Slowenien, nicht mehr. Mit den jugoslawischen Parlamentsbeschlüssen vom 08.08.1990 war die kommunistische Herrschaft nach rund 45 Jahren offiziell beendet. Faktisch Durchbrochen war die kommunistische Einparteienherrschaft bereits mit den ersten freien Wahlen in den jugoslawischen Republiken Slowenien und Kroatien im April/Mai 1990 und aufgrund der Beschlüsse des 14. außerordentlichen Kongresses des BdKJ Ende Mai 1990.

Die ersten freien Wahlen in der Sozialistischen Republik Makedonien in einem Mehrparteiensystem fanden am 11.11.1990 und 25.11.1990 (Stichwahlen) statt. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten kam es in einigen Wahlbezirken am 09.12.1990 noch zu Wahlwiederholungen. Bei den Wahlen in Makedonien wurde die national-konservative „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation –  Demokratische Partei für makedonische nationale Einheit“ („IMRO-DPMNE“) mit 37 von 120 Parlamentssitzen stärkste Kraft. Der „Bund der Kommunisten Makedoniens – Partei für demokratische Umgestaltung“ wurde mit 31 Sitzen zweitstärkste Kraft. Allerdings stellte die reformkommunistische Partei, aus der im April 1991 die „Sozialdemokratische Union Makedoniens“ („SDSM“) hervorging, mit Hilfe von Koalitionspartnern anschließend die makedonische Regierung und verbannte die IMRO-DPMNE in die Opposition. Am 15.04.1991 folgte die Umbenennung von „Sozialistische Republik Makedonien“ in „Republik Makedonien“.

In Bosnien und Herzegowina fanden am 18.11. und 02.12.1990 (Stichwahlen) erste freie Mehrparteienwahlen statt. Dort erfolgte ein Machtwechsel vom Bund der Kommunisten zu den nationalen Parteien der drei staatstragenden Volksgruppen (Bosniaken bzw. Muslime, Kroaten und Serben). Die muslimische „Partei der Demokratische Aktion“ (SDA) wurde stärkste Kraft, gefolgt von der „Serbischen Demokratischen Partei“ (SDS) und der „Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft“ (HDZ). In einer fragilen Koalition übernahmen die SDA, SDS und HDZ dann alle wichtigen Ämter in der jugoslawischen Republik Bosnien und Herzegowina. Der Wahlkampf und das Verhältnis dieser Parteien waren bereits von den nationalen Gegensätzen dominiert, die ab 1992 zu einem Ende der politischen Koalition und zu einem Krieg zwischen den bosnischen Ethnien führen sollte.

In Serbien und Montenegro fanden am 09.12. und 23.12.1990 (Stichwahlen) die ersten freien Präsidenten- und Mehrparteienparlamentswahlen statt. In Serbien gewann die aus dem Bund der Kommunisten und dem Sozialistischen Bund der Werktätigen hervorgegangene „Sozialistische Partei Serbiens“ (SPS) mit 194 von 250 Parlamentssitzen die absolute Mehrheit. In Montenegro erhielten die Kommunisten 83 von 125 Parlamentssitzen. Zu Wahlen auf der Ebene der SFRJ kam es aufgrund der Zerfalls der jugoslawischen Föderation nimmt mehr. In den jugoslawischen Republiken Slowenien, Kroatien und Bosnien und Herzegowina waren aufgrund der freien Mehrparteienwahlen die Kommunisten von der Macht verdrängt worden. In der jugoslawischen Republik Makedonien konnten sich die reformierten Kommunisten als zweitstärkste Kraft nur mit Hilfe von Koalitionspartnern nach der ersten Mehrparteienwahl an der Macht halten. Nur in Montenegro und Serbien erhielten die reformierten Kommunisten bzw. die Sozialisten als Nachfolger der Kommunisten nach den ersten freien Mehrparteienwahlen eine absolute Mehrheit der Stimmen und blieben an der Macht.

Die Ereignisse im Jahr 1991 bis zum Zerfall der SFRJ

Den ersten formellen Schritt in Richtung Unabhängigkeit vollzog die Republik Slowenien. Am 23.12.1990 stimmten in einer Volksabstimmung rund 88 Prozent der slowenischen Bürgerinnen und Bürger für ein selbstständiges und unabhängiges Slowenien. Das Verfassungsgericht der SFRJ hob am 11.01.1991 einige Bestimmungen der slowenischen Souveränitätserklärung vom 02.07.1990 auf, wonach die Gesetze Sloweniens Vorrang vor den Gesetzen der SFRJ hätten.

Die Regierung der SFRJ gab am 08.01.1991 bekannt, dass Serbien in verfassungswidriger Weise, ohne Zustimmung der Nationalbank und entgegen aller monetärer Regeln Geldmittel in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar gedruckt hatte. Dies bestärkten Kroatien und Slowenien zusätzlich, nicht mehr mit Serbien in einer gemeinsamen Föderation zu verbleiben.

Am 09.01.1991 wies das Präsidium der SFRJ die Jugoslawische Volksarmee (JNA) an, alle paramilitärischen Gruppen zu entwaffnen, wenn diese nicht innerhalb von zehn Tagen ihre Waffen angeben würden. Nach einer Verlängerung lief dieses Ultimatum am 22.01.1991 endgültig ab und wurde weitgehend ignoriert. Besonders von Kroatien und Slowenien wurde diese Anweisung, die gegen die Stimmen aus diesen Republiken beschlossen wurde, abgelehnt. Nach Auffassung der Republiken Kroatien und Slowenien seien alle bewaffneten Einheiten im Einklang mit den Gesetzen gewesen. Der Konflikt um die bewaffneten Einheiten spitzte sich vorübergehend zu, konnte jedoch durch einen Kompromiss entschärft werden.

Ende Januar 1991 musste sich der kroatische Verteidigungsminister Martin Spegelj vor der Militärpolizei der JNA verstecken und wich daher vorübergehend nach Slowenien aus. Ihm wurde vorgeworfen, gewaltsames Vorgehen gegen die serbische Minderheit in Kroatien und gegen Offiziere der JNA und ihren Familien geplant zu haben. Am 26.02.1991 erhob die Militärstaatsanwaltschaft zwar Anklage, doch wurde das Verfahren aufgrund der weiteren Entwicklung obsolet.

Im Februar 1991 kündigte Slowenien die Trennung von der SFRJ für Juni 1991 an. Eine mögliche Konföderation wurde aufgrund der „unmöglichen Bedingungen“ in den südlichen jugoslawischen Republiken ausgeschlossen. Der slowenische Vertreter im Präsidium der SFRJ Janez Drvnošek sprach im gleichen Monat dem Vorsitzenden Präsidiums Borisav Jović das Recht ab, im Namen des Präsidiums zu sprechen, ohne vorher alle Mitglieder zu konsultieren. Jović, welcher unter anderem als jugoslawisches Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte fungierte, hätte nach Auffassung von Drvnošek nur im Interesse Serbiens gehandelt.

In der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad wurde am 08.02.1991 ein Krisengipfel hochrangiger Politiker auf Ebene der SFRJ und der jugoslawischen Republiken abgehalten. Dabei ging es um die Zukunft der jugoslawischen Föderation. Als eine Lösung für die Staatskrise im Rahmen des Präsidiums der SFRJ nicht gefunden werden konnte, wurden zusätzlich noch die Präsidenten der jugoslawischen Republiken hinzugezogen. Weitere Treffen fanden am 13.02., 22.02., 28.03., 11.04., 18.04, 06.06. und 22./23.07.1991 statt. Auch wenn es zeitweise schien, dass eine Lösung gefunden werden könnte, blieben die Treffen im Ergebnis erfolglos. Die Republiken Kroatien und Slowenien leiteten in Folge weitere Schritte in Richtung Trennung von der SFRJ ein.

Im März 1991 verschärfte sich die Staatskrise der SFRJ zunehmend. Am 02.03.1991 ordnete Borisav Jović als Präsidiumsvorsitzender und Oberbefehlshaber die Intervention der Jugoslawischen Volksarmee (JNA) in der mehrheitlich von Serben bewohnten Stadt Pakrac in Kroatien an. Hintergrund war der Einsatz von Sondereinheiten der kroatischen Polizei in diesem Gebiet, die die kroatische Kontrolle über das Gebiet wiederherstellen sollten. Am 22.02.1991 hatte sich die Stadt dem von Serben in Kroatien proklamierten „Autonomen Gebiet Krajina“ angeschlossen, dabei waren die kroatischen Polizisten in Pakrac entwaffnet worden. Zu einem ähnlichen Fall kam es auch im Nationalpark Plitvicer Seen in Kroatien. Nach dem serbische Nationalisten den Nationalpark am 29.03.1991 besetzt hatten, rückte am 31.03.1991 die kroatische Polizei ein, die bereits am darauffolgenden Tag von Einheiten der JNA verdrängt wurde. Die JNA verhielt sich keineswegs neutral und stellte auch nicht die ursprüngliche Ordnung wieder her. Stattdessen wurden die betroffenen Territorien der Republik Kroatien der Kontrolle der JNA unterstellt und damit der Kontrolle durch die kroatische Staatsgewalt entzogen. Am 07.03.1991 beschloss Slowenien die Entsendung von Rekruten in die JNA bis zum 15.05.1991 zu beenden und den vorgesehenen finanziellen Beitrag für die JNA um Zweidrittel bis zum 01.09.1991 zu kürzen. Im gleichen Zeitraum sollte die JNA ein Drittel ihrer Einrichtungen in Slowenien räumen.

In Belgrad kam es am 09.03.1991 zu schweren Zusammenstößen bei einer nicht genehmigten Demonstration gegen den Kommunismus und die serbische Medienpolitik. Insgesamt 70.000 bis 100.000 Menschen hatten sich an der Demonstration beteiligt. Nur durch den Einsatz der JNA, die verfassungsgemäß auch die sozialistische Ordnung zu schützen hatte, konnte die Demonstration gewaltsam aufgelöst werden. Dieser umstrittene Einsatz hatte zwei Tote zur Folge. Auch war die gesellschaftliche Ordnung bereits großen Änderungen unterworfen, so dass ein Verfassungsauftrag der JNA fragwürdig schien. Vielmehr ging es bei dem Einsatz der JNA um den Machterhalt der politischen Führung in Serbien.

Zu einem weiteren Versuch, die JNA in die Auseinandersetzungen um die Zukunft der SFRJ mit einzubeziehen, kam es am 12.03.1991. Der Vorsitzende, Borisav Jović, berief das Präsidium der SFRJ in der Kommandostelle der JNA ein. Anwesend waren unter anderen Verteidigungsminister Veljko Kadijević und andere hohe Funktionäre der JNA. Des Weiteren waren Kameras aufgebaut, welche die Sitzung filmten. Offensichtlich sollten die Mitglieder des Präsidiums eingeschüchtert werden. Verteidigungsminister Kadijević sprach davon, dass die territoriale Integrität der SFRJ bedroht sei und daher der Ausnahmezustand auf dem gesamten Territorium der SFRJ ausgerufen werden müsse. Des Weiteren sollten weitere Maßnahmen beschlossen werden, um die bisherige verfassungsmäßige Ordnung zu erhalten, bis eine Übereinkunft über eine neue Verfassung erzielt worden wäre. Im Ergebnis wären besonders die politischen Entwicklungen in Kroatien und Slowenien davon betroffen gewesen und es wäre zum Konflikt gekommen. Auf mehreren Sitzungen bis zum 15.03.1991 fand der Antrag jedoch keine Mehrheit im Präsidium. Besonders Bosnien und Herzegowina, Kroatien, das Kosovo, Makedonien und Slowenien waren nicht bereit, den von Serbien, der Vojvodina und Montenegro befürworteten Antrag zu unterstützen.

Am Abend des 15.03.1991 trat Borisav Jović vom Präsidium der SFRJ und als dessen Vorsitzender zurück. Begründet hatte er seinen Rücktritt damit, dass er Sondermaßnahmen durch die Armee und gegen die slowenischen Beschlüsse in Richtung Souveränität nicht durchsetzen konnte. Tatsächlich dürfte es jedoch um ein vorsätzlich herbeigeführtes Machtvakuum gegangen sein, um die JNA ins Spiel zu bringen. Die JNA wollte jedoch ohne politische Rückendeckung nicht tätig werden und so wurde am 20.03.1991 der Rücktritt von Jović abgelehnt. Im Vorfeld der Sitzungen des Präsidiums vom 12.03. bis 15.03.1991 reiste Verteidigungsminister Kadijević nach Moskau. Er erhoffte sich eine mögliche Unterstützung der Sowjetunion im Falle einer Machtübernahme durch das Militär in der SFRJ. Allerdings war die sowjetische Führung nicht bereit, zugunsten der serbischen Seite in einer möglichen Auseinandersetzung mit dem Westen einzugreifen.

Der Vertreter des Kosovos im Präsidium, Riza Sapunxhiu, wurde am 20.03.1991 durch Serbien ausgetauscht und durch Said Bajrami ersetzt. Letzterer war nur noch eine rein serbische Marionette und sicherte dem Regime von Milošević eine weitere Stimme im Präsidium der SFRJ. Durch die verfassungswidrige Gleichschaltung der autonomen Gebietskörperschaften Kosovo und Vojvodina in Serbien und durch die pro-serbische Haltung Montenegros entstand eine Pattsituation im Präsidium der SFRJ: vier Stimmen hatte der pro-serbische Block, vier die anderen.

Am 02.04.1991 forderte das Verteidigungsministerium der SFRJ die Republik Kroatien ultimativ auf, ihre Polizeieinheiten aus dem Gebiet des Nationalparks Plitvicer Seen zurückzuziehen. Am 13.05.1991 stimmten in einem Referendum 99 % der serbischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer für eine Trennung der Krajina („Autonomen Gebiet Krajina“) von Kroatien und für einen Anschluss an Serbien. Das serbische Parlament lehnte diesen Anschluss jedoch ab, doch blieb die Krajina faktisch unabhängig von Kroatien und unter dem Schutz der JNA. Am 09.05.1991 ermächtigte das Präsidium der SFRJ die JNA einstimmig zum Vorgehen gegen Bürgerwehren in Unruhegebieten und forderte ein sofortiges Ende jede Gewaltanwendung. Etwa ein Drittel der Republik Kroatien stand unter der Kontrolle der JNA, die immer offener auf Seiten der Serben und gegen ihren eigentlichen verfassungsmäßigen Auftrag zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung agierte. Mittlerweile sickerten auch Freischärler aus der Republik Serbien ein, um den kroatischen Serben beizustehen, ohne dass geeignete Maßnahmen dagegen unternommen wurden. Das Verhältnis zwischen der JNA und der Republik Kroatien war sehr gespannt, immer wieder kam es zu Zwischenfällen.

Nach dem Ende der Amtszeit von Borisav Jović am 15.05.1991 hätte der kroatische Vertreter Stipe Mesić im Präsidium zu seinem Nachfolger gewählt werden müssen. Allerdings blockierte der pro-serbische Block bis zum Juli 1991 seine Wahl, da bei der Abstimmung immer ein Patt herrschte. Damit wurde nicht nur gegen die Geschäftsordnung des Präsidiums verstoßen, sondern die SFRJ hatte auch kein Staatsoberhaupt und die JNA keinen Oberbefehlshaber mehr. So war die Arbeit des Präsidiums bis auf Weiteres blockiert. Die jugoslawischen Republiken bereiteten sich auf die weitere Entwicklung vor. Allerdings gab es immer wieder Bemühungen zur Entschärfung der Krise. Unter Vermittlung der Europäischen Gemeinschaft (EU) wurde Stipe Mesić dann am 01.07.1991 zum Vorsitzenden des Präsidiums gewählt.

Am 19.05.1991 entschieden die kroatischen Bürgerinnen und Bürger in einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit der Republik Kroatien von der SFRJ. Bei einer Beteiligung von 83,56 Prozent stimmten 93,24 Prozent der Abstimmenden für die Unabhängigkeit Kroatiens. Damit lag nach Slowenien auch ein eindeutiges Votum aus Kroatien in dieser Frage vor.

Im Juni 1991 unternahmen der Präsident von Bosnien und Herzegowina, Alija Izetbegović, und der Präsident der Republik Makedonien, Kiro Gligorov, einen letzten Versuch, die jugoslawische Föderation als reformierten Bundesstaat zu erhalten. Am 03.06.1991 veröffentlichten beide Präsidenten einen Vorschlag für eine Reform des jugoslawischen Bundesstaates. Dieser Vorschlag versuchte die Vorstellungen Sloweniens und Kroatiens, die der jugoslawischen Bundesregierung unter Ante Marković und die des serbischen Blocks (Serbien mit seinen zwei autonomen Gebietskörperschaften und Montenegro) unter einen Hut zu bringen. Nach ihm sollte Jugoslawien als loser Staatenverband, der weder eine klassische Föderation noch eine klassische Konföderation sein sollte, seine Souveränität, seine internationale Identität und seine äußeren Grenzen behalten, ein einheitliches Wirtschaftsgebiet mit gemeinsamer Währung, gemeinsamer Armee und Außenpolitik bilden, gleichzeitig sollten aber auch die Mitgliedsstaaten souverän sein und sogar diplomatische Missionen im Ausland unterhalten können. Dieser Vorschlag wurde bei einem Treffen der Präsidenten der sechs jugoslawischen Republiken in Sarajevo am 06.06.1991 auch positiv aufgenommen und diskutiert, doch von der weiteren Entwicklung im Juni 1991 überholt. Einen letzten Rettungsversuch unternahm auch der jugoslawische Ministerpräsident Ante Marković, als er am 12.06.1991 im slowenischen Parlament sprach, wo ihm ein kühler Empfang bereitet wurde.

Am 15.06.1991 erklärten die Republiken Kroatien und Slowenien, dass beide bis zum 26.06.1991 ihre Unabhängigkeit von der SFRJ erklären würden. Des Weiteren erklärten sie, dass die Unabhängigkeitserklärungen nicht in vollem Umfang wirksam würden, sondern dass die damit verbundenen Schritte in Verhandlungen umgesetzt würden. Spitzenpolitiker der Republik Makedonien kündigten am 18.06.1991 ebenfalls einen Austritt aus der SFRJ an, ohne ein konkretes Datum zu nennen. Allerdings widersprach der damalige makedonischen Staatspräsident Kiro Gligorov am 30.06.1991 noch diesem Vorhaben. Nach seiner damaligen Auffassung wolle die Republik Makedonien nicht dem Beispiel Kroatiens und Sloweniens folgen und bliebe der jugoslawischen Idee verbunden. Allerdings wurde diese Auffassung von der weiteren Entwicklung überholt. Am 19.06.1991 scheiterte die Verabschiedung des Haushaltsplanes der SFRJ an den Einsprüchen von Kroatien und Slowenien. Damit war die Finanzierung der Institutionen der SFRJ gefährdet. Der jugoslawische Verteidigungsminister Veljko Kadijević kündigte am 22.06.1991 hinsichtlich der sich abzeichnenden Abspaltung von Kroatien und Slowenien an, die JNA werde alle einseitigen Akte verhindern, die ein Ende der SFRJ bedeuten könnten. Einen letzten Appell zur Einheit der SFRJ formulierte der jugoslawische Ministerpräsident Ante Marković am 24.06.1991.

Der endgültige Zerfall der SFRJ

Einen Tag früher als erwartet, erklärten die Republiken Kroatien und Slowenien am 25.06.1991 ihre Unabhängigkeit von der SFRJ. Eine entsprechende Entscheidung trafen die Parlamente der beiden Republiken mit großer Mehrheit. Die jugoslawische Bundesregierung unter Ante Marković erklärte am 26.06.1991 diese Schritte für illegitim, illegal sowie für „null und nichtig“ und kündigte unter anderem den Einsatz der JNA zur „Sicherung der Grenzen auf den Gebiet Sloweniens“ an. Zu ersten Zusammenstößen zwischen der JNA und der slowenischen Territorialverteidigung kam es am 27.06.1991. Damit hatte der Krieg auf den Gebiet der sich auflösenden SFRJ begonnen. Während der Krieg in Slowenien mit dem Abzug der JNA und der faktischen Anerkennung der slowenischen Unabhängigkeit durch das Präsidium der SFRJ am 18.07.1991 endete, sollte es für Kroatien bis Ende 1995 dauern, bis ein Friedensabkommen erzielt wurde. Ein weiterer Krieg begann im März/April 1992 in Bosnien und Herzegowina und endete ebenfalls im Dezember 1995 durch einen Friedensvertrag.

Auf die kriegerischen Auseinandersetzungen sowie die daraufhin von der internationalen Gemeinschaft getroffenen Friedensbemühungen und weiteren Maßnahmen werden in den zu Slowenien und Kroatien am 25.06.2021 und zu Bosnien und Herzegowina am 03.03.2022 noch zu veröffentlichen Artikeln ausführlich eingegangen. Hier soll es vor allem um den politischen Prozess bis zur Auflösung der SFRJ gehen.

Zunächst versuchte die internationale Staatengemeinschaft die jugoslawische Föderation in reformierter Form zu erhalten. Auf der kroatischen Insel Brioni kam es am 07. und 08.07.1991 zu Verhandlungen zwischen dem Präsidium der SFRJ, den Republiken Kroatien und Slowenien sowie einer Troika der Europäischen Gemeinschaft (EG) bestehend aus den Außenministern Jacques Poos (Luxemburg), Hans van den Broek (Niederlande) und Joāo de Deus Pinheiro (Portugal). Das Ergebnis von Brioni war eine 11-Punkte-Erklärung. Unter anderem sollten die jugoslawischen Völker über ihre Zukunft entscheiden können, worüber spätestens ab dem 01.08.1991 Verhandlungen aufgenommen werden sollten. Alle Seiten sollten bis dahin auf einseitige Akte und Gewalt verzichten. Kroatien und Slowenien setzten aufgrund der Vereinbarung weitere Maßnahmen zu Umsetzung ihrer Unabhängigkeitserklärungen für drei Monate aus. Das Präsidium der SFRJ sollte die volle Verfügungsgewalt über die JNA haben.

Hinter den Kulissen gab es serbisch-slowenische Verhandlungen über den Abzug der JNA aus Slowenien. Tatsächlich konnte eine Übereinkunft erzielt werden und das Präsidium der SFRJ beschloss am 18.07.1991 den Abzug der JNA aus Slowenien. Damit wurde die Unabhängigkeit Sloweniens zwar nicht de jure, jedoch de facto anerkannt. Serbien hatte auch kein Interesse an Slowenien, da dort kaum Serben lebten. Daher sollte es auch keine Auseinandersetzung mit Slowenien geben. Aus damaliger Sicht Serbiens konnte Slowenien die SFRJ auch verlassen. Dies galt jedoch nicht für Bosnien und Herzegowina und Kroatien, da dort bedeutete Anteile des serbischen Volkes lebten und auch heute noch leben.

Am 27.08.1991 kamen die Außenminister der damaligen zwölf Staaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Im Rahmen dieser wurden die Einberufung einer Friedenskonferenz und die Einsetzung einer Schiedskommission für Jugoslawien angekündigt. Des Weiteren wurde ein Waffenstillstand in Kroatien bis zum 01.09.1991 gefordert. Nachdem Serbien einer EG-Beobachtermission in den Kriegsgebieten von Kroatien zugestimmt hatte, wurde am 07.09.1991 die erste Friedenskonferenz für Jugoslawien in Den Haag einberufen. Der ehemalige britische Außenminister und NATO-Generalsekretär Lord Carrington übernahm den Vorsitz dieser Konferenz und damit auch die Funktion eines Vermittlers zwischen den jugoslawischen Völkern. Es folgten zahlreiche Sitzungen, auf denen zwischen hochrangigen Vertretern der Konfliktparteien Waffenstillstände vereinbart und danach wieder gebrochen wurden. Die JNA war in den Auseinandersetzungen im Übrigen nicht neutral, sondern unterstützte offen die serbische Seite. Die Internationale Gemeinschaft sah zunehmend auch in der serbischen Seite den Aggressor.  

Nach Kroatien und Slowenien erklärte am 18.09.1991 die Republik Makedonien als dritte jugoslawische Republik ihre Unabhängigkeit von der SFRJ. Am 08.09.1991 hatten die Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien mit großer Mehrheit für diese Unabhängigkeit votiert.

Anfang Oktober 1991 ernannte UN-Generalsekretär Javier Pérez de Cuéllar den ehemaligen amerikanischen Außenminister Cyrus Vance zu seinem persönlichen Beauftragten für Jugoslawien. Im Präsidium der SFRJ setzten die Vertreter Serbiens, des Kosovos, der Vojvodina und Montenegros am 03.10.1991 das Konsensprinzip außer Kraft und entmachteten faktisch das Bundesparlament der SFRJ sowie am 04.10.1991 de facto auch die jugoslawische Bundesregierung. Die Vertreter von Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Makedonien und Slowenien blieben wegen dieser Entwicklung den Sitzungen des Präsidiums grundsätzlich fern. Der Vorsitzende des Präsidiums, Stipe Mesić, sprach von einem Putsch des serbischen Blocks und leitete daraufhin keine Sitzungen mehr. Daher übernahm sein Stellvertreter, der montenegrinische Vertreter Branko Kostić, die Leitung der Präsidiumssitzungen. Formell blieb Stipe Mesić jedoch noch im Amt.

Am 08.10.1991 setzten die Republiken Kroatien und Slowenien ihre Unabhängigkeitsakte wieder vollständig in Kraft, nachdem das dreimonatige Moratorium ausgelaufen war. Dies wurde vom Verfassungsgericht der SFRJ zurückgewiesen. Zwar galt nach Ansicht des Verfassungsgerichtes das Selbstbestimmungsrecht der jugoslawischen Völker, doch konnte dies laut des Gerichtes nur mit Zustimmung aller jugoslawischen Nationen und nicht einseitig ausgeübt werden.

Der Leiter der Jugoslawien-Friedenskonferenz, Lord Carrington, legte überdies am 18.10.1991 einen Plan zur Lösung der Krise in Jugoslawien vor. Nach diesem sollte Jugoslawien eine freie Assoziierung von souveränen und unabhängigen Republiken sein, die diesen Status wünschten. Der serbische Präsident Slobodan Milošević sah in diesem Plan jedoch eine Aufhebung von Jugoslawien und lehnte diesen ab. Lord Carrington versuchte der serbischen Seite entgegenzukommen. In der letzten Version des Planes war die Möglichkeit enthalten, dass sich Jugoslawien als gemeinsamer Staat jener gleichberechtigten Republiken konstituieren könne, welche in Jugoslawien vereint bleiben wollten. Nach Auffassung von Slobodan Milošević sollte dieses Recht nicht nur den Republiken, sondern auch den jugoslawischen Nationen zustehen. Im Ergebnis sollten sich die Serben in Bosnien und Herzegowina und Kroatien auch gegen ihre bisherigen Heimatrepubliken für ihren Verbleib in Jugoslawien entscheiden können. Damit hätten allerdings die bisherigen Grenzen der jugoslawischen Republiken zur Disposition gestanden, was wiederum von der internationalen Gemeinschaft abgelehnt wurde. Die serbische Seite lehnte den Plan letztendlich ab. Anfang November 1991 verhängte die EG Sanktionen gegen Serbien und Montenegro. Lord Carrington konnte unter diesen Umständen keine Lösung für Jugoslawien herbeiführen und brach die Friedenskonferenz ab.

Ein aus Verfassungsrechtlern bestehender Schiedsausschuss der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) stellte am 08.12.1991 fest, dass sich Jugoslawien rechtlich gesehen „im Prozess der Auflösung“ befände. Des Weiteren stellte der Schiedsausschuss fest, dass die äußeren Grenzen der SFRJ zu respektieren seien und die inneren Grenzen der jugoslawischen Republiken den Charakter von völkerrechtlichen Grenzen bekommen sollten. Diese Grenzen sollten nur aufgrund einer freien und gegenseitigen Vereinbarung geändert werden können. Auf Basis dieses Berichtes beschloss der EG-Ministerrat unter Bedingungen die Anerkennung jener jugoslawischen Republiken, welche ihre Unabhängigkeit erklärt und ihre internationale Anerkennung beantragt hatten. Als Bedingungen wurden Regeln zur Einhaltung der Bürger- und  Menschenrechte sowie zum Schutz von Minderheiten festgelegt.

Zunehmend zogen Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Makedonien und Slowenien ihre Vertreter aus den Institutionen der SFRJ ab. Am 05.12.1991 trat der noch am 01.07.1991 gewählte Vorsitzende des Präsidiums der SFRJ, Stipe Mesić, zurück. Sein Nachfolger und somit der letzte Vorsitzende des Präsidiums der SFRJ wurde Branko Kostić. Der jugoslawische Ministerpräsident Ante Marković trat am 19.12.1991 zurück. Sein Nachfolger und letzter Amtsinhaber in diesem Amt wurde der Serbe Aleksandar Mitrović. Übrig blieben in den Institution der SFRJ nur noch die Serben und Montenegriner. Bereits am 23.12.1991 erkannte Deutschland als erster Staat der Welt mit Wirkung zum 15.01.1992 die Republiken Kroatien und Slowenien an, welche am 15.01.1992 auch von den anderen EG-Mitgliedsstaaten anerkannt wurden.

Am 03.03.1992 erklärte Bosnien und Herzegowina als vierte jugoslawische Republik nach Slowenien, Kroatien und Makedonien ihre Unabhängigkeit von der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“). Während die kroatischen und die muslimischen (bosniakischen) Bosnier mit großer Mehrheit für die Unabhängigkeit von Bosnien und Herzegowina waren, wurde sie von den serbischen Bosniern mit großer Mehrheit strikt abgelehnt. In einer zuvor durchgeführten Volksabstimmung sprachen sich die bosniakischen und kroatischen Bosnier mit deutlicher Mehrheit für die Unabhängigkeit aus, wobei die Serben mit großer Mehrheit gegen die Volksabstimmung waren und sie boykottierten. Im Ergebnis ergab sich jedoch eine Mehrheit für die Unabhängigkeit von Bosnien und Herzegowina. Die Anerkennung von Bosnien und Herzegowina erfolgte ab April 1992. Die der Republik Makedonien aufgrund des Namensstreits mit Griechenland in größerem Umfang erst ab April 1993.

Die SFRJ bestand seit März 1992 nur noch aus Serbien und Montenegro, welche sich auf die Bildung einer neuen jugoslawischen Föderation verständigten. Mit der Proklamation der „Bundesrepublik Jugoslawien“, bestehend aus Serbien und Montenegro, am 27.04.1992 endete die Ära der SFRJ. Zwar verstand sich die Bundesrepublik Jugoslawien als Rechtsnachfolgerin der SFRJ, doch wurde dies international nicht anerkannt. Auf Empfehlung des UN-Sicherheitsrates wurde am 22.09.1992 von der UN-Generalversammlung beschlossen, dass die Bundesrepublik Jugoslawien nicht die alleinige Rechtsnachfolgerin der SFRJ sei und damit ihren Sitz in der UN nicht mehr wahrnehmen dürfe. Vielmehr sei die Bundesrepublik Jugoslawien zusammen mit Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Makedonien und Slowenien Rechtsnachfolgerin der nicht mehr bestehenden „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“).

Die jugoslawische Frage und der Zerfall Jugoslawiens

Die jugoslawische Frage konnte im Rahmen einer staatlichen Gemeinschaft der südslawischen Völker nicht gelöst werden. Sie betrifft die Verhältnisse der einzelnen südslawischen Völker zueinander und zu einer möglichen staatlichen oder überstaatlichen Gemeinschaft. Mit ihr verflochten sind auch die albanische, die bosnische, die kroatische, die serbische und die makedonische Frage.

Der gemeinsame Staat der südslawischen Völker als „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ wurde am 01.12.1918 gegründet. Am 03.10.1929 wurde dieser Staat in „Königreich Jugoslawien“ umbenannt. Dieser Staat war serbisch dominiert, zentralistisch organisiert und nahm auf die Besonderheiten der einzelnen jugoslawischen Völker keinerlei Rücksicht. Dies führte vor allem zu Widerstand bei den nichtserbischen Volksgruppen, wie etwa bei den Kroaten oder den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern. Der erste jugoslawische Staat (1918 – 1941) zerfiel nicht nur aufgrund des Angriffes der Deutschen Wehrmacht am 06.04.1941 und der anschließenden Zerschlagung des Königreiches Jugoslawien durch die Besatzer, sondern auch aufgrund seiner inneren Zerrissenheit. Die gewaltsame Unterdrückung von nationalen Gegensätzen im Königreich Jugoslawien entfremdete viele Volksgruppen von diesem ersten jugoslawischen Staat.

Während des Zweiten Weltkrieges gewannen ab 1943 die kommunistischen Partisanen unter Josip Broz Tito die Oberhand auf dem Gebiet des Königreiches Jugoslawien und ab 1945 die alleinige politische Macht. Die nationalen Gegensätze sollten nicht mehr unterdrückt, sondern in einem föderativen System kanalisiert werden. Am 29.11.1945 wurde die „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ proklamiert, die am 07.03.1963 in „Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) umbenannt wurde. Dem föderativen System standen jedoch ein Einparteiensystem und ein politischer Zentralismus durch den „Bund der Kommunisten Jugoslawiens“ („BdKJ“) gegenüber. Dies führte im gewissen Sinne zu einer analogen Situation wie einst im ersten jugoslawischen Staat und zum Aufbrechen von nationalen Gegensätzen aufgrund eines in sich widersprüchlichen Systems. Schon der ehemalige amerikanische Präsident Abraham Lincoln (1809 – 1865) stellte fest: „Ein in sich gespaltenes Haus kann keinen Bestand haben.“ Auf die jugoslawische Situation übertragen bedeutet dies: Ein staatliches System kann keinen Bestand haben, wenn es auf Dauer auf der einen Seite extrem föderalistisch organisiert ist sowie auf der anderen Seite ohne Pluralismus ist und zentralistisch geführt wird. Es wird entweder ausschließlich das eine System oder ganz das andere haben oder im Ergebnis komplett scheitern. In den Jahren 1991/92 zerfiel die SFRJ und damit die staatliche Gemeinschaft der südslawischen Völker.

Anstelle der staatlichen Gemeinschaft der südslawischen Völker sind sieben Staaten getreten. Die nationalen Fragen der südslawischen und der nicht-slawischen Völker auf dem Balkan sind damit nach wie vor weitgehend offen und müssen beantwortet werden. Die jugoslawische Idee dürfte als Konzept überwunden sein. Allerdings gilt dies auch für das Konzept der Nationalstaaten. Keine der nationalen Fragen kann im Rahmen eines Nationalstaates ihre Antwort finden. Jeder derartige Beantwortungsversuch könnte in vielen Fällen nur auf Kosten eines anderen Volkes bzw. mehrerer anderer Völker erfolgen. Damit bliebe das Problem bestehen. Dennoch bleibt der Traum der einzelnen Völker nach Einheit unter einem gemeinsamen Dach existent.

Die jugoslawische Frage muss also beantwortet werden. Im Rahmen von Nationalstaaten können die südslawischen und die anderen Völker ihren Traum von Einheit und Vereinigung nicht verwirklichen. Dennoch gibt es einen alternativen Weg: Im Rahmen der Europäischen Union (EU) können alle Völker ihren Traum von Einheit unter einem Dach verwirklichen. Innerhalb der EU verlieren staatliche Grenzen ihre Bedeutung und es könnten europäische Kulturregionen gebildet werden. Die Albaner, Bosniaken, Kroaten und Serben können ihren jahrhundertealten Traum nach Einheit unter einem Dach im Rahmen der EU effektiv verwirklichen, ohne dies auf Kosten der jeweils anderen Volksgruppen verwirklichen zu müssen. Daher ist die Integration der Balkanstaaten in die EU sehr wichtig, um eine nachhaltige friedenserhaltende Ordnung auf dem Balkan zu etablieren. Diese wird eine prosperierende Entwicklung der betroffenen Völker ermöglichen, welche zu zusätzlicher Stabilität auf dem Balkan führen wird. Bulgarien, Kroatien und Slowenen sind bereits Mitglieder der EU, die anderen Staaten auf dem Balkan werden eines Tages folgen. Damit wären alle südslawischen Völker unter einem Dach vereint und ohne das Grenzen sie trennen. Verbunden wären sie durch gemeinsame Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und gut nachbarschaftliche Beziehungen. Im Rahmen von europäischen Kulturregionen können die südslawischen Völker wieder auf Basis ihrer gemeinsamen kulturellen Wurzeln und als gleichberechtigte Partner zusammenfinden. Die jugoslawische Frage ist also nach wie vor aktuell. Allerdings wird sie nicht national, sondern nur europäisch final beantwortet werden können.

Es bleibt zu hoffen, dass bis dahin alle noch vorhandenen Gegensätze behoben sein werden. So müssen vor allem die Kosovo-Frage sowie die staatsrechtliche Organisation von Bosnien und Herzegowina noch abschließend geklärt werden. Die Kosovo-Frage ist mit eingebunden in die allgemeine albanische Frage, die das völker- und staatsrechtliche Schicksal der albanischen Volksgruppe außerhalb des albanischen Staates betrifft. Diese Frage betrifft insbesondere auch die Republik Nord-Makedonien, in der die albanische Volksgruppe einen Anteil von rund 25 % an der Gesamtbevölkerung ausmacht. Die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier erfolgte im Jahr 1943 im Rahmen eines föderativen Jugoslawien. Diese Anerkennung und die Etablierung eines makedonischen Staates im Rahmen eines föderativen Jugoslawiens führten zu einer relativ erfolgreichen Klärung der makedonischen Frage auf staatsrechtlicher Ebene. Die zwischen Bulgarien, Griechenland und der Republik Nord-Makedonien in den Jahren 2017/18 geschlossenen Verträge dürften auch auf völkerrechtlicher Ebene zu einer endgültigen Klärung der makedonischen Frage führen.

Fazit

Die jugoslawische Frage ist im Ergebnis mit der europäischen Frage assoziiert. Sie kann daher grundsätzlich nicht im Rahmen von Nationalstaaten, sondern nur im Rahmen der europäischen Einigung ihre Antwort finden. Eine Antwort auf die jugoslawische Frage ist jedoch möglich und sollte zum Wohle aller auf dem Balkan lebenden Völker angestrebt werden.

Hinweis: Eine ausführliche Darstellung zu den Hintergründen des Zerfalls der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien findet sich in der Abhandlungen „Die jugoslawische Frage“.